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Huawei P9: Design
So außergewöhnlich sind die beiden dann doch nicht: Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Telefon nicht allzu stark von seinem Vorgänger, dem P8 : Es ist dünn, rechteckig und hat nahezu die gleichen Abmessungen. Doch beim genaueren Hinschauen und Herantasten fallen einem die Unterschiede auf. Huawei hat in diesem Jahr an den Feinheiten geschraubt. Der aus Metall hergestellte Korpus ist jetzt nicht mehr so kantig, sondern liegt besser in der Hand.
Das Gorilla Glass auf der vorderen Seite ist an den Seiten abgerundet und geht nahtloser in das Aluminium über als zuvor. Das Smartphone ist kompakt und fühlt sich sehr gut an. Die Ränder um die Anzeige sollen 1,7 Millimeter breit sein, gab der Hersteller letzte Woche auf der Presssekonferenz in London an. Aber nicht so schnell: Die Mädels und Jungs von Huawei lassen gerne einmal einige Elemente weg. Beispielsweise den schwarzen Rahmen um das Display, der nicht in die Kalkuation mit einfließt. Bei der dunklen Farbausführung wird dieser gut von seiner Umgebung getarnt, beim hellen P9 ist jedoch alles deutlich sichtbar. Wie dem auch sei, das P9 hat erfreulich schmale Ränder, die beworbenen 1,7 mm stimmen aber nicht.
In Sachen Qualität muss Huawei niemandem mehr etwas beweisen. Die bisherigen Geräte zeigen, dass man Werkstoffe wie Aluminium gut beherrscht. Telefone wie Mate S, Mate 8 oder auch das P8 sind langlebig und nicht anfällig für Kratzer. Huawei ist – zumindest was die Beschaffenheit betrifft – auf demselben Niveau wie Apple, HTC und Samsung.
Das P9 wird es international in vielen Farben geben. Nach Deutschland kommen aber nur zwei: Titanium Grey sowie Mystic Silver. Die Kombination aus mattem und hochglänzendem Metall hat uns gefallen. Die große Fläche ist ideal gegen Fingerabdrücke. Die fein geschliffenen Kanten reflektieren das Licht spiegelnd zurück. Das Material wirkt hochwertig. Auch das Design wird auf dieser Art und Weise wiedergegeben.
Huawei P9: Fingerabdrucksensor
Auf der Rückseite des P9 befindet sich ein Fingerabdrucksensor. Das ist eine echte Neuerung in Huaweis P-Reihe. Im Vergleich zum Galaxy S7 oder iPhone 6s handelt es sich dabei um einen aktiven Fingerabdrucksensor, der auch im Bereitschaftsmodus Berührungen akzeptiert und daraufhin das Gerät entsperrt.
Huawei setzt dieses Mal auf eine 3D-Erkennung, die – nach eigenen Angaben – schneller, akkurater und sicherer sein soll als die Sensoren der Konkurrenten. Zumindest während des Testzeitraums klappte alles zuverlässig und zügig. Mit dem Sensor lassen sich auch andere Dinge am Telefon bedienen, zum Beispiel per Klick ein Foto schießen, Anrufe entgegennehmen, die Benachrichtigungsleiste runterziehen oder das Scrollen in der Galerie. Das ist raffiniert.
Huawei P9: Speicher
Ab Werk ist das P9 mit einem 32 GByte großen Speicher ausgestattet. Alle vorab installierten Apps haben wir deinstalliert, nach Abzug des Betriebssystems standen uns 25 GByte für Nutzerdaten zur Verfügung. Wem das nicht reicht und wer mehr möchte, der kann mittels einer microSDXC-Speicherkarte den Speicher auf bis zu 2 TByte erweitern – aktuelle Karten bieten maximal 200 GByte. Das sollte für die Meisten reichen.
Huawei P9: Display
Das Display hat eine Diagonale von 5,2 Zoll. Es ist ein IPS-LCD mit einer Auflösung von 1920 × 1080 Pixeln. Die Pixeldichte ist mit 424 ppi hoch und die Bildqualität überzeugt uns, was Farben und Kontrast betrifft.
Die Helligkeit des Bildschirms soll einen Wert von 500 Candela pro Quadratmeter haben, erklärte Huawei-CEO Richard Yu seinen Gästen. Das klingt erst einmal gut. An Tagen mit viel Sonnenstrahlen hatten wir ab und zu unsere Probleme mit dem Ablesen. Negativ aufgefallen sind uns die manchmal nicht sonderlich großzügigen Blickwinkel.
Huawei P9: Akku
Im P9 befindet sich ein festeingebauter Akku mit einer Nennladung von 3000 Milliamperestunden. Während der Nutzung hat das Smartphone in fast allen Fällen bei intensiver Nutzung gut einen Tag durchgehalten. Das P9 wird aufgeladen über den neueren Anschluss USB C. Allerdings setzt Huawei immer noch auf die alte Spezifikation von USB 2.0. Im Lieferumfang befindet sich ein Schnellladegerät, das den Akku in weniger als zwei Stunden (110 Minuten) auf 100 Prozent vollpumpt. Das fanden wir klasse.
Huawei P9: Leistung
Dem Smartphone hat Huawei seinen hauseigenen Prozessor spendiert. Er wird von der Konzerntochter HiSilicon angefertigt und ist ein Octa-Core mit einer maximalen Taktfrequenz von 2,5 GHz. Dazu stehen dem Telefon 3 GByte RAM zur Verfügung. Mit herkömmlichen Spielen und Applikationen kommt das P9 gut zurecht, wohingegen aufwändige 3D-Spiele wie Asphalt Nitro , die sogar vorinstalliert sind, das Gerät an seine Grenzen bringen. Selbst im Leistungsmodus sinkt die Bildrate merklich.
In das Internet geht das Smartphone über den schnellen WLAN-Standard nach 802.11 ac über 2,4 und 5 GHz oder LTE. Dazu gibt es Bluetooth 4.2 und NFC. Auf der vorderen Seite verfügt das P9 über eine Benachrichtigungs-LED. Die Gesprächsqualität sowie der Empfang waren mit dem Sprach- und Datennetz von Vodafone in Hamburg tadellos.
Als Software verwendet Huawei seine eigene Oberfläche Emotion UI in der Version 4.1. Das zugrunde liegende Betriebssystem ist Android OS 6.0 Marshmallow. Die Oberfläche ist simpel: ein Hauptmenü gibt es nicht. Stattdessen befinden sich alle Applikationen auf der Startseite.
Was uns nicht gefallen hat, ist der ab Werk installierte Müll und Schrott an Apps. Das sind Dinge irgendwelche Demos, Spiele und Apps, die niemand von uns auf seinem Telefon sehen will. Gut: alles lässt sich deinstallieren. Plant nur etwas Zeit dafür ein. Die mitgegebene Tastatur fanden wir unpraktisch, da die Tasten zu klein sind. Eine bevorzugte Alternative kommt von Google .
Huawei P9: Kamera
Zu der Besonderheit des P9 gehört eindeutig die Kamera. Oder sollen wir lieber „gehören die Kameras“ sagen? Die auf der vorderen Seite hat eine Auflösung von acht Megapixel und macht bei viel Licht gute Selbstaufnahmen. Es fehlt aber der Autofokus für die Bestimmung des Schärfepunktes. Warum Huawei eine Kleinigkeit wie diese bei einem 500-Euro-Telefon weglässt, erscheint uns nicht plausibel.
Statt einer gibt es dieses Mal zwei Kameras auf der Rückseite. Das Konzept kennt man von Dell, HTC und LG. Beide haben die Auflösung von 12 Megapixel, wobei der eine Sensor Farbaufnahmen macht und der andere nur Graustufen beherrscht. So möchte man die idealen Kontraste und Dynamiken aus beiden Welten kombinieren und Momente erschaffen, die man sonst so nur von den teuren (Leica)-Kameras kennt. Insbesondere in Situationen mit wenig Licht soll das P9 bessere und hellere Fotos machen.
Mit den zwei Kameras kann auch nachträglich der Fokus auf einem Bild verändert werden. Weil das Dual-System die Distanzen auf einem Motiv kennt, kann es sogar einen künstlichen Bokeh-Effekt einsetzen. Dieser immitiert einen großen Blendenwert von f/0.95. Das Verschwommene im Hintergrund kommt dabei nicht von der Optik, wie man's von hochwertigen Linsen kennt, sondern von der Software. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man hier und da auch einen Fehler findet, wenn man sich die Details genau ansieht. Insgesamt funktioniert die Dual-Kamera viel besser und ausgereifter, als die damalige Duo Kamera im HTC One (M8) .
Leica. Diese Marke steht mit großen Lettern auf der Rückseite neben den zwei Augen. Die Kamera des P9 wurde zusammen mit dem deutschen Spezialisten aus Wetzlar entwickelt. Leica hat nicht nur die asphärische Optik aus der Summarit-Familie mit geringer Verzerrung geliefert, sondern auch an der neuen Applikation mitgearbeitet. Die App wirkt deutlich durchdachter als beim Vorgänger. Sie ist aufgeräumt und übersichtlich, gleichwohl aber leistungsstark. Fortgeschrittenen steht der Profimodus mit einem RAW-Export zur Verfügung.
In den letzten Tagen haben wir einige Bilder gemacht. Sie gefallen uns. Die Farben wirken echt und auch beim schwachen Licht holt die Kamera viel heraus. Manchmal fehlt die Schärfe und Feinheit. Auf dem kleinen Bildschirm sehen die Resultate exzellent aus, aber auf 100 Prozent Vergrößerung sieht man dann Genaueres. Die Kamera ist nicht perfekt und schon gar nicht die beste auf den Markt, wie sie beworben wird. In Sachen Detail und Qualität kann sie Geräten wie dem Lumia 950, Galaxy S7 oder iPhone 6s nicht das Wasser reichen. Aufgrund der zwei Linsen fehlt dem System eine optische Bildstabilisierung. Außerdem können Videoaufnahmen nur im Format Full HD gemacht werden, UHD sowie 4K fehlen.
Zusammenfassung
Das Huawei P9 ist ein gutes Gesamtpaket. Es überzeugt mit seiner hochwertigen Verarbeitung, dem tollen Display, dem großen und schnell aufladbaren Akku sowie dem flotten Fingerabdrucksensor. Im Vergleich zu dem Vorgänger hat sich das Gesamtbild aber nicht wirklich verändert. Lediglich bei der Kamera hat sich einiges getan. In wie weit man die Fokus-Spielereien aber auf Dauer in der Praxis nutzt, steht auf einem anderen Blatt.
Im Jahr 2014 wurde das Ascend P7 in Paris präsentiert. Damals wurde ein Preis von 419 Euro für das Telefon aufgerufen. Der Nachfolger, das P8, war dann schon um einiges teurer: 499 Euro. In der dritten Generation ist Huawei bei 569 Euro gelandet – das ist ein (schleichender) Anstieg um 35,8 Prozent.
Den Preis finden wir für die gebotene Hardware zu viel. Das P9 ist zwar modern, aber im Vergleich zu anderen Premium-Smartphones fehlt hier das eine oder andere – zum Beispiel Stereo-Lautsprecher, ein wasserdichtes Gehäuse oder drahtloses Aufladen. Für 569 Euro bekommt man teilweise schon ein Galaxy S7 oder andere vergleichbare Telefone. Wer abwarten kann und will, sollte zuschlagen, wenn sich das P9 bei 400 bis 450 Euro eingependelt hat. Denn auch dann wird noch Leica auf der Rückseite stehen.