Sony Xperia 1 II Test: Verpasste Chance trotz guter Technik

Pro und Contra
  • Tolles Display
  • Gute Kamera
  • Kompromisslose Leistung
  • Rutschiges Gehäuse
  • Sehr teuer
  • 4.0

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Beim Xperia 1 II wirft Sony alles in die Waagschale: Brillanter Bildschirm, kristallklarer Sound, kompromissloses Spielerlebnis und vielseitige Kamera sollen Käufer locken. Geht die Rechnung auf?

Das im Vorjahr erschienene Xperia 1 (Testbericht) markierte eine Zäsur in Sonys Smartphone-Portfolio. Statt sich an einem zwei Gerätegenerationen zuvor eingeführten Design abzuarbeiten, das aus diversen Gründen einfach nicht funktionieren wollte, wagte das Unternehmen den Schritt zurück. Auch der Nachfolger, den Sony in Anlehnung an die bei den eigenen Kameras gebräuchliche Namensgebung einfach Xperia 1 II nennt, erinnert mit seinem monolithischen Äußeren eher an einen Vertreter aus der Xperia-Z-Serie denn an die bauchigen Xperia XZ2 (Testbericht) und XZ3 (Testbericht) . Kurz: Das Xperia 1 II fügt sich wieder in die typische Sony-Formsprache ein.

Vorder- und Rückseite des Xperia 1 II bestehen aus Gorilla Glas 6, der bei unserem Testexemplar schwarz lackierte Rahmen ist aus Aluminium gefertigt. Darin eingefasst sind ein USB-C-Anschluss und ein mit dem Fingernagel leicht herausziehbares SIM- und Speicherkartenfach. Audiophile Nutzer dürfen sich zudem über einen 3,5-mm-Klinkenanschluss freuen. Rechts befinden sich die Lautstärkewippe, die Power-Taste mit integriertem Fingerabdrucksensor und ein physischer Kamera-Auslöser. Das Sony-Smartphone ist gemäß der IP65- und IP68-Richtlinien wasser- und staubdicht. Die Verarbeitung macht insgesamt einen hervorragenden Eindruck. Mit einem Gewicht von 181 Gramm ist das Xperia 1 II zwar nicht überdurchschnittlich schwer, durch das lange Format aber recht kopflastig. Die Dreifachkamera hinten nimmt ein Drittel der Länge ein und ragt gute zwei Millimeter aus der Glasrückseite heraus.

Nicht nur wegen der Kopflastigkeit ist das handling leicht eingeschränkt. Denn tatsächlich ist es gar nicht so einfach, das Gerät so zu halten, dass es nicht aus der Hand gleitet. Das liegt zum einen an der wie beim Vorgänger sehr länglichen Gehäuseform und dem verhältnismäßig großen Bildschirm. Dieses Format ist eigentlich auf eine komfortable Einhandbedienung ausgelegt und zumindest für die Bedienung im unteren Displaybereich löst Sony dieses Versprechen auch ein.

Wollen weiter oben platzierte Elemente erreicht werden, reicht es aber in der Regel kaum aus, das Gerät zur Seite zu kippen und den Daumen weit auszustrecken – die zweite Hand kommt also unweigerlich doch zur Anwendung. Eine Lösung läge in einer Benutzeroberfläche ähnlich Samsungs One UI, bei der die Schaltflächen in Daumenreichweite arrangiert sind oder für die bessere Erreichbarkeit nach unten gezogen werden können. Zwar bietet Sony die Möglichkeit, den Bildschirminhalt mit einer Geste zu verkleinern, sonderlich intuitiv ist das aber nicht.

Zum anderen ist das Xperia 1 II dermaßen rutschig, dass nicht nur für erklärte Tollpatsche der Einsatz einer Hülle zwingend nötig ist. Die Rahmenlackierung und die auch im Vergleich zu anderen Glas-Smartphones sehr glatte Rückseite sorgen beim Nutzer für einen festen, auf Dauer verkrampften und somit unkomfortablen Griff, der den Vorteil der schmalen Form verpuffen lässt. Kommen schwitzige Hände ins Spiel, beispielsweise beim Filmeschauen oder beim Zocken, wird es selbst mit zwei Händen regelrecht anstrengend, das Xperia 1 II zu bändigen. Auch auf dem Spannbettlaken, der Couch oder in der etwas weiter geschnittenen Hosentasche startet das Smartphone Fluchtversuche – trotz der ziemlich weit aus der Rückseite ragenden Kamera. Das Problem lässt sich nicht kleinreden, die glatten Oberflächen erschweren die Bedienung des Xperia 1 II unnötig.

Das Xperia 1 II hat als einziges unter den aktuellen Flaggschiffmodellen ein Display mit 4K-Auflösung. Auf dem 6,5 Zoll großen OLED-Panel tummeln sich 3.840 x 1.644 Pixel, woraus sich eine bemerkenswerte Pixeldichte von 642 PPI ergibt. Tatsächlich ist der Bildschirm knackscharf, ein Unterschied zu den 2K-Displays in anderen Top-Smartphones lässt sich beim gewohnten Abstand aber nicht zuverlässig bestimmen. Das 4K-Panel des Xperia 1 II ist HDR-fähig, Inhalte mit hohem Dynamikumfang lassen sich unter anderem bei Netflix und Youtube begutachten. Die Helligkeit der Anzeige geht grundsätzlich in Ordnung, unter Einfluss von viel Sonnenlicht erscheint sie uns hingegen etwas dunkel.

Für eine „originalgetreue Reproduktion der vom Filmemacher beabsichtigten Vision“ bietet sich in den Geräteeinstellungen neben dem Standardmodus der sogenannte Creator-Modus. Zwar wirft Sony bei der Beschreibung etwas missverständlich den großen, vor allem im Filmgeschäft genutzten BT.2020-Farbraum ins Feld, tatsächlich unterstützt das Display des Xperia 1 II aber nur einen minimal weiter ausgedehnten DCI-P3-Farbraum. Soll heißen: Die „Vision der Filmemacher“ wird nur soweit wie möglich umgesetzt, im Endeffekt bedeutet das meist einen etwas wärmeren Look. Der Creator-Modus ist aktuell zu Netflix-Inhalten kompatibel.

Ähnlich ungenau geht Sony bei der Bildwiederholrate vor. Das Xperia 1 II hat ein Display mit 60 Hertz und hat damit in diesem Punkt gegenüber vielen anderen aktuellen Smartphones, die mit 90 oder gar 120 Hertz daherkommen, das Nachsehen. Allerdings soll die Software-Einstellung „Reduzierung der Bewegungsunschärfe“ weichere Bildläufe erzeugen. Wir sind ehrlich: Ein Unterschied ist kaum zu erkennen, ein natives 90-Hertz-Display bleibt überlegen.

Aus dem Fokus auf Filme leitet sich auch die Wahl des Herstellers für ein ultraweites Seitenverhältnis ab. Das ist zumindest für das Filmeschauen jedoch besser gemeint als es nützt, denn wenngleich Kinoproduktionen vom 21:9-Format profitieren, werden viele Serien und vor allem Youtube-Inhalte im üblichen 16:9-Format produziert. Da hauptsächlich diese Videos auf dem Smartphone konsumiert werden dürften, ist der Vorteil dahin. Bedeutet: Entweder man begnügt sich mit schwarzen Balken rechts und links oder beschneidet die Bildinhalte in der Vergrößerung nach oben und unten.

Trotz der genannten Kritikpunkte ist der Bildschirm des Xperia 1 II erstklassig. Die Farbabstimmung ist gelungen, die Anzeige scharf und blickwinkelstabil.

Wie das Xperia 1 (Testbericht) hat auch das Xperia 1 II eine Triple-Kamera. Jedes der drei 12-Megapixel-Module deckt eine andere Brennweite ab: 24 Millimeter im Weitwinkel-, 16 Millimeter im Ultraweitwinkel- und 70 Millimeter im Tele-Bereich. Ein optisches Zoom über die 70 Millimeter hinaus hat das Xperia 1 II nicht, die Vergrößerung ist nur digital möglich. Die Tele- und Weitwinkelkameras verfügen über einen optischen Bildstabilisator, die Ultraweitwinkelkamera nicht.

Eine wesentliche Änderung gegenüber dem Xperia 1 ist der größere Bildsensor der 24-Millimeter-Hauptkamera. Er wurde für das Xperia 1 II um 50 Prozent, von 1/2,6 Zoll auf 1/1,7 Zoll vergrößert, bildet somit bei unveränderter Auflösung größere Pixel ab und ist im Ergebnis lichtempfindlicher. Dafür hat Sony eine Funktion geopfert: Da dieser neue Bildsensor über kein eigenes Speichermodul mehr verfügt, lassen sich keine Super-Zeitlupenvideos mehr aufnehmen. Eine Bildreihenfolge mit 20 Aufnahmen pro Sekunde (!) bannt die Kamera dennoch in voller Auflösung für einen 10-Sekunden-Burst problemlos auf den (internen) Speicher.

Eine weitere Neuerung ist das Fokusmodul, das sich zwischen Haupt- und Tele-Kamera befindet. Statt auf einen einfachen Laser vertraut Sony nun auf einen „3D indirect Time-of-Flight-Fokus“ (3D iToF), der den Abstand zwischen Kamera und Motiv schneller und akurater berechnen kann. Statt wie zuvor auf die Bildmitte konzentriert, fokussiert das Xperia 1 II nun mit 43.200 Messpunkten über die gesamte Bildfläche. Das zahlt sich besonders bei der Aufnahme von bewegten Objekten und von Personen aus, die dank des hier eingesetzten Eye-Tracking-Algorithmus aus Sonys Alpha-Kamerasparte einwandfrei verfolgt werden.

Das ist längst nicht alles, Sony hat noch weitere Features aus den eigenen Kamerasystemen entlehnt. Die Apps Photo Pro und Cinema Pro hat das Unternehmen bei der Oberfläche so gestaltet, dass sich Nutzer von Sony-Kameras heimisch fühlen dürften. Zudem sind hier allerhand manuelle Einstellungen möglich, die in der auf Schnappschüsse ausgelegten Standard-Kamera-App fehlen. So lassen sich für Foto-Aufnahmen Belichtungszeiten, ISO-Wert, Fokusbereich und -modus sowie der Messmodus einstellen, zudem ist die Einstellung des RAW-Formats (DNG-Datei) möglich. Ein Echtzeit-Histogramm und eine virtuelle Wasserwaage sind hilfreiche Werkzeuge für geplante Bildkompositionen. In der Cinema-Pro -App dürfen Einstellungen am Verschluss, der Framerate, dem Fokus und am Look vorgenommen werden. Mit einer praktischen Projektübersicht am unteren Bildschirmrand haben professionellere Cinematographen zudem ihre vorherigen Einstellungen zum Abgleich immer griffbereit.

In Sachen Bildqualität musste Sony in der Vergangenheit immer vor der Konkurrenz zurückstecken – obwohl die Japaner Samsung oder Apple mit den eigenen Bildsensoren beliefern. Das Xperia 1 II ist die erfreuliche Ausnahme. Uns gefallen die Aufnahmen ausgesprochen gut, der im Vergleich zu vielen anderen Top-Smartphones natürliche Look erinnert mehr an gebräuchliche Digitalkameras – vornehmlich dem der Alpha-Kameras von Sony. Zugegeben, die Schärfe könnte etwas besser sein, vor allem Fotos aus der Ultraweitwinkelkamera sind in dieser Hinsicht nicht immer homogen. Weder bei der Bilddynamik noch dem Weißabgleich oder dem Rauschverhalten bei Tageslicht leistet sich das Xperia 1 II dagegen große Schwächen. Und: Bei der Bearbeitung eines RAW-Fotos lassen sich – zumindest bei Tageslichtaufnahmen – noch so einige Feinheiten herausholen, im Gegensatz zu manch anderen Smartphones.

Zwar schlägt sich die Kamera des Xperia 1 II auch bei schwindendem Licht ganz gut. Bei Nachtaufnahmen muss sie sich dann aber doch gegen die von Google, Huawei und Samsung geschlagen geben. Einen ausgewiesenen Nachtmodus hat das Sony-Smartphone nicht, die automatische Szenenerkennung schaltet automatisch in einen entsprechenden Aufnahmemodus. Wie bei anderen Herstellern werden damit über wenige Sekunden mehrere Bilder geschossen, die dann zu einem verrechnet werden. Das ist auch ohne Stativ möglich, das Smartphone sollte dennoch ruhig gehalten werden. Leider werden die daraus entstehenden aufgehellten Nachtaufnahmen nur von der 24-Millimeter-Hauptkamera angefertigt, mit den Tele- und Ultraweitwinkelkameras bleiben die Fotos sehr dunkel. Außerdem gerät der bei Tageslicht und in Innenräumen sehr effiziente 3D-iToF-Fokus bei Dunkelheit ohne größere Lichtquellen an seine Grenzen und kann die Szene nicht scharf stellen.

Dieses Problem ließe sich über den manuell verstellbaren Fokus in der Photo-Pro -App beheben. Da allerdings die Suchervorschau nur bis zu einer bestimmten Belichtungszeit (etwa 1/3 Sekunde) in Echtzeit dargestellt wird, wird eine dunkle Szene schlicht nicht hell genug angezeigt, um den Fokuspunkt zu bestimmen. Immerhin lassen sich in Photo Pro mit allen drei Kameras Langzeitbelichtungen mit bis zu 30 Sekunden anfertigen. Manchmal sind aber selbst diese Fotos zu dunkel: Im Vergleich zum sehr hellen RAW werden JPEG-Bilder bei der Komprimierung wieder abgedunkelt, um das sonst sehr deutlich sichtbare Bildrauschen zu kaschieren. Die Automatik ist in bestimmten Szenen also doch die bessere Wahl. Die lässt sich übrigens auch in Photo Pro einstellen – ein Unterschied zur Automatik der Standard-Kamera-App ist auf den Fotos damit nicht zu sehen.

Videos werden über die Cinema-Pro-App des Xperia 1 II höchstens in 4K HDR mit 60 Bildern pro Sekunde aufgenommen, das Seitenverhältnis ist hier auf 21:9 eingestellt. Über die Standard-App ist auch die 16:9-Aufnahme möglich. Bei den Weitwinkel- und Tele-Kameras setzt Sony auf eine sehr effiziente hybride – meint: optische und digitale – Stabilisierung, die Ultraweitwinkelkamera wird nur elektronisch stabilisiert. Ein intelligenter Windfilter rechnet Windrauschen wirkungsvoll heraus, wenn auch nur beim internen Mikrofon.

Insgesamt liefert Sonys Kamera brauchbare Ergebnisse, verkompliziert das einfache Knipsen aber unnötig. Das macht die Konkurrenz wie Huawei P40 (Testbericht) , Samsung Galaxy S20 Ultra (Testbericht) oder Xiaomi Mi 10 Pro (Testbericht) besser.

Das Herzstück des Xperia 1 II bildet Qualcomms aktueller Top-Chipsatz Snapdragon 865. Der Achtkerner setzt sich aus einem auf 2,84 GHz und drei auf 2,42 GHz getakteten Cortex-A77-Prozessoren sowie vier Cortex-A55-Kernen mit 1,8 GHz zusammen. Er wird beim Sony-Smartphone von 8 GByte RAM flankiert. Verglichen mit anderen Topgeräten über der 1.000-Euro-Marke fällt der Arbeitsspeicher auf dem Papier kleiner aus, Samsungs Galaxy S20 Ultra (Testbericht) beispielsweise hat 12 GByte RAM. In der Praxis ist das Xperia 1 II dennoch rasend schnell, dafür sprechen auch die Ergebnisse des Geekbench-5-Tests: 748 Punkte streicht es im Single-Core-, 3.263 Punkte im Multi-Core-Test ein. Damit ist es auf Augenhöhe zu anderen Snapdragon-865-Smartphones wie dem OnePlus 8 Pro (Testbericht) .

Das Xperia 1 II ist mit einem 256 GByte großen UFS-3.0-Speichermodul ausgestattet. Wem das nicht ausreicht, der hat die Möglichkeit der Speichererweiterung: Das Gerät nimmt eine microSD-Karte mit bis zu 1 TByte auf. Hierzulande wird das Gerät lediglich in der Single-SIM-Variante verkauft. Für Funkverbindungen stehen Module für Bluetooth 5.1, WLAN 6 und LTE sowie 5G bereit. In unserem Test schwankte das LTE-Signal selbst ohne Positionswechsel stark und verglichen mit einem zurate gezogenen Samsung Galaxy S10 (Testbericht) ist auch die Empfangsleistung merklich schlechter. Folglich waren Telefonanrufe (im Vodafone-Netz) in mehreren deutschen Städten sowie auf dem Land von Qualitätsschwankungen, schlimmstenfalls von Unterbrechungen geprägt. Das kennen wir so von kaum einem anderen aktuellen Smartphone.

Sony spendiert dem Xperia 1 II zum ersten Mal seit dem 2017 erschienenen Xperia XZ1 (Testbericht) wieder einen im Power-Knopf integrierten Fingerabdrucksensor. Die nachfolgenden Modelle hatten den Sensor hinten, beim Xperia 1 saß er von der Power-Taste losgelöst etwas darüber. In Sachen Komfort steht diese Lösung der von Sensoren im Display in nichts nach. Da die schwach ausgeprägte Versenkung des Druckknopfs kaum zu fühlen ist, ergibt sich bei der Blindbedienung aber auch kein Vorteil. Der Lockscreen lässt sich beim Xperia 1 II durch doppeltes Antippen aufrufen, beim Auflegen des Daumens auf dem Fingerabdrucksensor wird das Gerät unmittelbar entsperrt. Sony verzichtet auf eine nur halbsichere Gesichtsentsperrung über die Frontkamera, die oft sogar von Fotos ausgetrickst wird. Andere Sensoren dafür gibt es nicht.

Das Xperia 1 II wird mit Android 10 ausgeliefert, ein Update auf Android 11 dürfte nach dessen Release erfahrungsgemäß zügig folgen. Die Benutzeroberfläche entspricht weitestgehend der des Pixel-Launchers von Google. Sie lässt sich wahlweise mit Onscreen-Buttons oder über die Gestensteuerung bedienen. Sony macht regen Gebrauch vom üppigen Speicherplatz seines Topmodells und installiert dutzende Anwendungen vor, die nicht vollständig gelöscht werden können. Dazu zählen Google-Apps wie Duo, Podcasts, Youtube Music und Googles Office-Paket ebenso wie Facebook, Netflix, Imaging Edge Mobile für die Verbindung mit den hauseigenen Alpha-Kameras, Tidal und der Launcher zum Spiel „Call of Duty Mobile“.

Daneben integrieren die Japaner einige schon von früheren Xperia-Modellen bekannte Sonderfunktionen. Eine davon ist das Side-Sense-Menü, das Verknüpfungen für häufig genutzte Apps oder für die letzten drei Splitscreen-Konstellationen anbietet. Letzteres Feature ist durchaus sinnvoll, bietet sich der lange Bildschirm doch gut für die parallele Nutzung zweier Anwendungen an. Wegen des mühseligen Zugriffs dürfte Side Sense dennoch kaum genutzt werden: Damit sich das kleine Menü auftut, muss der äußere Rand des Bildschirms doppelt angetippt werden. Erfolgt die Berührung zu weit außen passiert nichts, zu weit innen wird nicht selten unbeabsichtigt eine App gestartet. Um dem Frust etwas vorzubeugen kann der entsprechende Bereich durch eine dauerhaft eingeblendete Linie sichtbar gemacht oder sogar ein wenig weiter vom Rand ins Bild hinein verlagert werden – an der insgesamt schlechten Trefferquote ändert das aber nur wenig.

Ein weiteres Software-Feature ist das „Inaktivitätsdisplay“, also eine Always-on-Anzeige von Uhrzeit, Datum, Akkustand und Symbolen für Benachrichtigungen. Das nützliche Feature lässt sich dauerhaft einschalten oder so konfigurieren, dass es beim Hochheben des Geräts aktiviert oder aber intelligent gesteuert wird. Bei letzterer Einstellung schaltet sich das Always-on-Display beim Hochheben, dem Herausziehen aus der Tasche oder kurz bei eingehenden Nachrichten ein – manuell lässt es sich mit einem Wink über den Näherungssensor neben der Hörmuschel aufrufen. Leider lassen sich die App-Symbole nur schwer ablesen und auch das winzige Benachrichtigungslicht weist nur unzureichend auf eingetroffene Nachrichten hin.

Die audiophilen Nutzer dürfen sich über ein weiteres Umdenken von Sony freuen: Das Xperia 1 II hat wieder einen klassischen 3,5-mm-Klinkenanschluss. Das allein ist schon viel wert, allerdings hätten wir uns auch darüber gefreut, hätte Sony das über einen zusätzlichen Klinkenpol und Software im Smartphone realisierte Digital Noise Cancelling (DNC) wieder aus der Versenkung geholt. Aber klar: Der Trend geht vor allem zu True-Wireless-Headsets mit eigener Active-Noise-Cancelling-Technik, die Entwicklung neuer kabelgebundener und nur mit Sony-Smartphones kompatiblen DNC-Kopfhörer hätte sich schlicht nicht gerechnet. Eine Kaufberatung für ANC-Kopfhörer haben wir bereits veröffentlicht.

Daneben hat das Xperia 1 II zahlreiche andere Audiofeatures zu bieten. Dazu gehören beispielsweise das nun auch für Streaming-Dienste nutzbare, vor allem aber bei stark komprimierten lokal gespeicherten Musikdateien hilfreiche Sound-Upscaling DSEE Ultimate. Auch Dolby Atmos sowie Hi-Res-Audio für Kabel- und Bluetooth-Headsets ist mit dabei. In Verbindung mit Tidal und einem entsprechenden Premium-Account – der von Käufern des Smartphones drei Monate kostenlos ausprobiert werden kann – sowie Deezer oder nugs.net lassen sich Musikinhalte auskosten, die für 360 Reality Audio erstellt wurden. Durch diese objektbasierte Audiotechnologie werden einzelne Instrumente beispielsweise bei Live-Konzerten über den angeschlossenen Kopfhörer besser hörbar, das Hörerlebnis ist räumlicher. Da es sich um von Sony entwickelte Klangtechnik handelt, ist 360 Reality Audio auch nur zu den Kopfhörern des Unternehmens kompatibel – dann aber immerhin zu mehreren verschiedenen, kabellosen oder kabelgebundenen Modellen.

Die Stereo-Lautsprecher des Xperia 1 II trumpfen - auch in hoher Lautstärke – hauptsächlich in den Höhen und Mitten auf, der Bass ist wie fast immer bei Smartphones sehr dünn. Den soll ohnehin Sonys kontrovers diskutiertes Dynamic Vibration System simulieren, durch das das Smartphone bei der Wiedergabe von Tiefen in der Hand des Nutzers entsprechend vibriert. Wir sind noch immer nicht überzeugt von diesem Feature und froh, dass es auch abgestellt werden kann.

Gegenüber dem Vorgänger hat Sony den Akku mächtig von 3.300 mAh im Xperia 1 auf 4.000 mAh aufgestockt. Zudem lässt sich das neue Smartphone drahtlos laden. Schnelles Laden setzt Sony über die USB-Power-Delivery-Spezifikation um. Mit dem mitgelieferten Netzteil ist der Akku nach einer Stunde zu 75 Prozent geladen, weitere 40 Minuten dauert die Ladung auf 100 Prozent. Die Laufzeit des Xperia 1 II ist mit der von Konkurrenzgeräten vergleichbar. Viel genutzt und mit dauerhaft aktiviertem Always-on-Display kommen wir locker über einen Tag, bei weniger Nutzung haben wir das Smartphone auf die letzten Prozentpunkte auch zwei Tage durchbekommen. Der Battery Test des PCmark -Benchmark spuckt ein Ergebnis von knapp 10 Stunden aus.Das macht zwar mancher Konkurrent noch besser, geht aber in ordnung.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Seit dem Launch des Xperia Z (Testbericht) hat sich der Kaufpreis für ein Flaggschiff-Smartphone von Sony mehr als verdoppelt. Das neue Xperia 1 II steht für stolze 1.199 Euro in den Regalen, das Xperia Z kostete zur Markteinführung Anfang 2013 gerade einmal 499 Euro. Zugegeben, nicht nur die Japaner haben die Preise dermaßen ansteigen lassen, auch Samsung, Apple oder Huawei greifen Kunden heute deutlich tiefer in die Tasche als noch vor ein paar Jahren. Der technische Fortschritt, so scheint es, ist in der Smartphone-Oberklasse anders als bei vielen anderen Geräten nicht normal, Unternehmen lassen ihn sich fürstlich bezahlen. Im Ergebnis ist das Xperia 1 II ein sehr, sehr teures Smartphone.

Auch nach der offiziellen Markteinführung Ende Juni 2020 ist das Gerät Anfang August noch nicht breit verfügbar, der Preis hat sich entsprechend noch nicht nennenswert bewegt. Das Xperia 1 II gibt es in Deutschland in den Farben Schwarz und Violett zu kaufen. Zwar existiert auch eine Dual-SIM-Variante mit Hybridslot, hierzulande wird allerdings nur die Single-SIM-Ausführung angeboten.

In einer Zeit, in der einstige Gegenspieler wie HTC, LG und Nokia keine große Rolle mehr spielen, Huawei wegen des aufgezwungenen Google-Verzichts trotz toller Smartphones aus der Bahn geworfen wurde und zahllose chinesische Hersteller mit einer Flut an Produkten auf den europäischen Markt drängen, steht Sony plötzlich als interessante Alternative zu Samsung und Apple da. Das Xperia 1 II hat alles was ein Top-Smartphone haben sollte: Einen schnellen Prozessor, viel Speicherplatz, eine gute Kamera, ein brillantes Display, einen drahtlos ladbaren Akku mit ordentlicher Laufzeit – und ein unverkennbares Design. Das Sony-Smartphone lässt mit dem Blick auf die Technik kaum Wünsche offen und verdient sich seinen Platz in den oberen Rängen.

Sony leistet sich aber auch einige Schnitzer. Der gröbste wäre für den Hersteller wohl am leichtesten zu vermeiden gewesen: Das Xperia 1 II lässt sich durch seine Größe und die rutschigen Oberflächen nicht angenehm bedienen. Das Smartphone ist ständig auf der Flucht, sei es aus der Hand seines Nutzers oder der Hosentasche, dem Bett, der Couch. Der Einsatz einer Hülle ist Pflicht. Die schiere Größe macht eine Einhandbedienung des Xperia 1 II trotz des darauf ausgelegten länglichen Formats darüber hinaus schwierig – in dieser Hinsicht hat uns das kleinere Mittelklasse-Modell Xperia 10 II (Testbericht) besser gefallen. Die eingestreuten Software-Lösungen, die eine Nutzung mit nur einer Hand erleichtern sollen, haben uns beim Topmodell nicht überzeugt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Preis. Das Xperia 1 II kostet nach Herstellerempfehlung 1.199 Euro und ist damit gegenüber dem doch recht ähnlichen Vorgänger 200 Euro teurer. Zwar hat Sony einige Verbesserungen vorgenommen, den Preisanstieg halten wir dennoch für übertrieben. Und er ist eine verpasste Chance: Im aktuellen Marktgefüge drücken auch vormals kaum bekannte chinesische Hersteller 1.000-Euro-Smartphones durch, mit einem darunter angesiedelten Preis hätte Sony sicherlich einige Käufer gefunden.

Alternativen zum Sony Xperia 1 II bieten sich reichlich, beispielsweise die bereits von uns getesteten Huawei P40 (Testbericht) , Samsung Galaxy S20 Ultra (Testbericht) oder Xiaomi Mi 10 Pro (Testbericht).

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