Das Xiaomi Mi 11 Ultra (Testbericht) überzeugte uns im vergangenen Jahr auf ganzer Linie. Kein Wunder also, dass die Nachfolgegeneration unter besonderer Beobachtung steht, schließlich lasten auf ihr viele Hoffnungen und der Erfolg der 11er-Reihe. Aktuelles Spitzenmodell ist das Xiaomi 12 Pro, ein Ultra-Modell wird zwar von Fans und Fachpresse erwartet, ist aber bislang noch nicht offiziell angekündigt. Das könnte der Grund sein, warum Xiaomi beim Pro-Modell einige interessante Entscheidungen getroffen hat – doch der Reihe nach.
Design
Da das Xiaomi 12 Pro mit seinem über 6,7 Zoll großen Display nicht gerade klein ausfallen kann, sollten die Ausmaße von 164 x 75 Millimeter niemanden überraschen. Dennoch schafft es der Hersteller, dank einer geringen Bautiefe von nur 8,2 Millimeter und weiteren Tricks, das 12 Pro erstaunlich handlich für seine Größe und das Gewicht von immerhin 205 Gramm zu machen. Zu den Tricks gehören etwa die deutlichen Rundungen auf Front und Rückseite, durch die das Smartphone noch dünner wirkt, als es tatsächlich ist. Das verleiht dem Modell fast schon ein luftiges Aussehen. Zudem liegt es gut in der Hand. Scharfe Kanten gibt es dabei nicht, der Übergang von der fast samtigen Glasoberfläche der Rückseite zum Metallrahmen und weiter zum an den Seiten gebogenen Display-Glas ist kaum zu spüren.
Der samtige Überzug der Rückseite fühlt sich nicht nur hochwertig an, er sorgt zudem für etwas besseren Grip in der Hand und sieht zudem hochwertig aus. Generell ist die Verarbeitung hervorragend. Unregelmäßige Spaltmaße gibt es nicht, die Hardware-Tasten verfügen über ausreichend knackige Druckpunkte und einen kurzen Hub. Zum hochwertigen Eindruck trägt auch der gleichmäßig schmale Rahmen rings um das große Display seinen Teil bei. Zusammen mit der mittig platzierten Punch-Hole-Notch für die Frontkamera verleiht das dem Smartphone nicht nur ein modernes, sondern auch ein dem Verkaufspreis angemessen wertiges Aussehen.
Beim Gehäuse gibt es unserer Sicht nur zwei Negativpunkte: Die Kameraeinheit auf der Rückseite, die mit drei Modulen bestückt ist, steht schon einmal recht weit aus dem Gehäuse hervor. Die größte Linse der Hauptkamera schaut zusätzlich noch ein weiteres Stück aus dem Kameramodul vor – das und die Platzierung in der oberen linken Ecke lässt das Xiaomi 12 Pro bei Nutzung auf einem Tisch liegend immer etwas kippeln. Schlimmer finden wir aber das Fehlen einer IP-Zertifizierung. Bei einem Flagship-Modell jenseits der 1000-Euro-Grenze ist das unangebracht.
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Xiaomi 12 Pro im Test
Display
Genau 6,73 Zoll misst der OLED-Screen des Xiaomi 12 Pro und liefert dabei eine Auflösung von bis zu 3200 x 1440 Pixel. „Bis zu“, denn ab Werk ist die Auflösung auf Full-HD+ eingestellt – was im Alltag Strom spart und trotzdem ein richtig gutes Bild liefert. Denn auch dann kommt man immerhin statt sonst 522 Pixel pro Zoll (ppi) auf rund 391 ppi. Den Unterschied sieht man eigentlich nur, wenn man mit der Lupe an die Sache herangeht oder zwei Modelle mit den beiden unterschiedlichen Auflösungen direkt nebeneinanderlegt – und auch dann ist die Differenz neutral betrachtet gering.
Bei den anderen wesentlichen Punkten eines Displays überzeugt das eingebaute Panel auf ganzer Linie. Farben, Kontraste, Helligkeit, Blickwinkel – alles auf sehr hohem Niveau und absolut Topmodell-geeignet. Die Darstellung begeistert dank der variablen Bildwiederholungsrate von 10 bis 120 Hertz im Automatikmodus, zusammen mit der tollen Power des verwendeten Chipsatzes ist die Darstellung immer flüssig und brillant. Insgesamt liegt der Screen damit auf Augenhöhe mit der hochpreisigen Konkurrenz von Samsung oder Apple, nur bei der Helligkeit kann Xiaomi nicht ganz mithalten, ohne aber zu enttäuschen.
Kamera
Bei der Kamera weicht Xiaomi von seiner bisherigen Philosophie ab und entscheidet sich für drei gleich große Sensoren mit je 50 Megapixel für Haupt-, Weitwinkel und optischer Telelinse. In der Theorie sorgt das für eine mehr oder weniger gleichbleibende Qualität aller drei Kameras. Bei Haupt- und Weitwinkelkamera hatten diesen Schritt in Kombination mit hoher Auflösung zuvor schon Hersteller wie Oneplus oder Oppo gewagt und erzielten damit gute Ergebnisse.
Tatsächlich liefern die drei Objektive im Xiaomi 12 Pro ziemlich gute Bilder. Die Hauptkamera mit optischem Bildstabilisator (OIS) ist dabei am schärfsten und liegt in diesem Bereich durchaus auf Spitzenniveau, ohne ganz an die allerbesten Topmodelle wie ein Samsung Galaxy S22 Ultra (Testbericht) heranzukommen. Hinzu kommen gute Bilddynamik und geringes Bildrauschen, letzteres vor allem in der Vollbildbetrachtung. Zoomt man später am PC näher heran, fallen bei manchen Aufnahmen durchaus stärkeres Pixelrauschen auf und die Bildschärfe könnte höher sein. Je nach Geschmack dürfte für manche Nutzer die Farbintensität zu stark sein, im Zusammenspiel mit dem kräftigen OLED-Display und der AI-Funktion der Kamera sehen manche Bilder schon ziemlich bonbonartig aus. Wer das mag, wird die Bilder des 12 Pro lieben, andere Modelle wie iPhone 13 Max oder Oneplus 10 Pro (Testbericht) machen oftmals allerdings natürlichere Bilder. Zudem könnten manche Nutzer das künstliche Bokeh monieren, das Xiaomi seinen Aufnahmen auch abseits des Porträtmodus verpasst – uns gefällt der sämige Look hingegen sehr gut.
Alle Bilder mit der Kamera des Xiaomi 12 Pro im Test
Xiaomi 12 Pro
Die Weitwinkelkamera kann bei der Bildschärfe vorwiegend an den Rändern nicht ganz mit der Hauptkamera mithalten, macht aber insgesamt für einen (Ultra)Weitwinkel gute Aufnahmen – auch bei Nacht. Das gilt auch für das optische Zoomobjektiv, das zu diesem Zweck wie die Hauptkamera mit einer überraschend lichtstarken Blende von f/1.9 auftrumpft. Generell hat Xiaomi bei Nacht aufgeholt. Entsprechende Aufnahmen bieten trotz kurzer Auslösezeit weniger Bildrauschen, mehr Bildschärfe und natürlichere Lichtstimmungen als frühere Modelle. Dafür enttäuscht die geringe zweifache Vergrößerung des Teleobjektivs. Das ist im Vergleich zur Konkurrenz etwas wenig. Andere Linsen dieser Art schaffen meistens eine drei- bis fünf- oder sogar zehnfache Vergrößerung. Dadurch haben Nutzer des Xiaomi-Modells weniger Freiraum bei der Kameranutzung, zumal der digitale, zusätzlich verwendbare Zoom aufgrund schnell nachlassender Bildschärfe im Test nicht voll überzeugte. Das gilt auch für Aufnahmen mit vollen 50 Megapixel. Schade – hier könnten wir uns beim erwarteten Ultra-Modell Verbesserungspotenzial vorstellen.
Ebenfalls nicht schlecht ist die Frontkamera. Sie knipst Bilder mit 32 Megapixel, mangels Autofokus, der bei den Kameras auf der Rückseite einwandfrei funktioniert, werden Aufnahmen allerdings bisweilen nicht richtig scharf, sofern der Abstand nicht stimmt. Außerdem wirken Hauttöne bei weniger Licht zu kühl. Etwas überraschend ist auch der Umstand, dass keine 4K-Videos mit der Frontkamera möglich sind. Das ist bei den Hauptkameras anders. Videos sehen dann mit 60 fps auch bei Schwenks insgesamt gut aus und sind ordentlich stabilisiert, allerdings ist der Wechsel der Objektive während einer Videoaufnahme nicht möglich. Stattdessen gibt es dann nur digitalen Zoom, der bis zu einem gewissen Punkt auch in Ordnung geht. 8K/24 ist möglich, führt aber nur bei Aufnahmen mit möglichst wenig eigener Bewegung zu noch schärferen Ergebnissen, zusätzlich sind nach wie vor entsprechende Abspieler schwer zu finden, weshalb wir weiterhin zu 4K/60-Videos raten. Der Ton bei Videoaufnahmen geht in Ordnung, insgesamt liegt Samsung bei Android-Smartphones in unseren Augen bei Videos weiterhin vorn, aber der Unterschied ist geringer geworden. Die Kamera des Xiaomi 12 Pro ist dem aufgerufenen Preis angemessen.
Ausstattung
Es klang beim Display bereits an: Das Xiaomi 12 Pro hat jede Menge Power, was im Zusammenspiel mit der 120-Hz-Wiedergabe in allen Lebenslagen zu überragend flüssiger Darstellung von Bildinhalten führt. Ein Grund dafür ist sicherlich Qualcomms Vorzeigechip, der Snapdragon 8 Gen 1. Der taktet mit bis zu 3 GHz und macht bei allen aktuellen Anwendungsszenarien stets einen überlegenen Eindruck. Das gilt einfach immer und überall: Games, Videowiedergabe, Navigation durch die Menüs – Ruckler gibt es nicht. Auch App-Starts gelingen mit dem schnellen UFS-3.1-Speicher und der schieren Rechenpower des Chipsatzes flott und direkt. Allerdings wird das durch – je nach Nutzungsgrad – spürbare Erwärmung erkauft. Gerade bei Spielen wird das Modell auf der Rückseite eindeutig warm. In Benchmarks wird früher oder später die Leistung reduziert, zumindest bei mehreren Durchgängen. Dennoch liefert das Xiaomi 12 Pro in PCmark Work 3.0 gute 13.000 Punkte ab, in 3Dmark Wild Life sind es gute 10.100 Punkte. Im Alltag bemerkt man von potenziell reduzierter Leistung des Chips nichts.
Alle Speichervarianten bieten 256 GByte, das ist ordentlich. Wer sich für die teurere Speicherversion entscheidet, ändert damit nur die RAM-Bestückung von 8 auf 12 GByte. Warum das satte 100 Euro in der UVP kostet, können wir allerdings nicht ganz nachvollziehen. Ebenfalls schade: Es gibt keine Speichererweiterungsmöglichkeit – das finden wir in Anbetracht der 256 GByte zwar nicht schlimm, trotzdem wäre die zusätzliche Flexibilität schön gewesen.
Während das eher Nice to have ist, verstehen wir Xiaomis Entscheidungen an anderer Stelle deutlich weniger. Gemeint ist die Verwendung von USB-C 2.0 – das ist, gerade bei der Speichergröße – einfach viel zu langsam und passt nicht zu einem Spitzenmodell. Alle anderen Hersteller setzten hier längst mindestens auf USB 3.1. Auch eine eSIM hat das Pro-Modell nicht. Ansonsten gibt es nichts zu meckern. Von 5G über NFC bis hin zu Wifi-6 ist alles an Bord, sogar Stereo-Lautsprecher von Harman/Kardon gibt es. Die sind durchaus brauchbar, kommen unserer Meinung nach aber trotzdem nicht an die im Mi 11 Ultra (Testbericht) heran. Dafür ist der Fingerabdrucksensor im Display jetzt etwas schneller und noch zuverlässiger. Alle weiteren Informationen zur Technik lassen sich dem Datenblatt entnehmen.
Bei der Software gibt es nicht viel Neues zu berichten. Xiaomi verpasst dem 12 Pro ab Werk Android 12, darüber liegt die hauseigene Oberfläche MiUI 13. Die ist inzwischen recht übersichtlich gestaltet und bietet einige nützliche Zusatzfunktionen. Highlight ist wohl das Update-Versprechen, zu dem sich Xiaomi inzwischen bekannt hat: Immerhin 3 Jahre Versions-Updates wird es für das Xiaomi 12 Pro geben, hinzu kommen 4 Jahre Sicherheits-Updates. Samsung und Google sind hier zwar weiterhin mit 4 sowie 5 Jahren führend im Android-Bereich, aber auch Xiaomi bewegt sich nun in die richtige Richtung. Unser Testgerät mit 12 GByte RAM hatte Ende Mai immerhin den Sicherheits-Patch von April.
Akku
4600 mAh sind für ein Smartphone heute nicht mehr viel Akku, Xiaomi scheint diesen Kompromiss aus Laufzeit und Design wohl zugunsten der recht flachen Bauform zu wählen. Während das Gerät dadurch schön handlich wird, leidet natürlich die Ausdauer des Xiaomi 12 Pro. Die ist nicht wirklich schlecht, allerdings zeigte sich das Smartphone im Test eher von seiner vergleichsweise wenig ausdauernden Seite. Weil der Battery Test von PCmark leider jedes Mal direkt abbrach, können wir die Laufzeit nur grob schätzen. Die meisten Nutzer dürften damit gut über den Tag kommen – mehr aber auch nicht. Wir sind da eher Fans von „lieber 2 Millimeter dicker und dafür ausdauernder“.
Dafür lädt das 12 Pro extrem schnell nach. Mit satten 120 Watt pumpt das Gerät Strom in den Akku und ist damit mit dem beiliegenden Netzteil in unter 20 Minuten komplett voll – Wahnsinn! Wer nur mal eben ein paar Minuten zwischendurch laden kann, bekommt gleich mehrere Dutzend Prozentpunkte zusätzlichen Strom, so schnell lädt derzeit kein anderes Modell am Markt. Das macht den durchschnittlichen Akku immerhin wieder etwas wett. Kabellos lädt das Handy ebenfalls, wenn auch „nur“ mit 50 Watt. Sogar Reverse Wireless Charging beherrscht das Pro-Modell und lädt so auf Wunsch andere Geräte kabellos nach.
Preis
Die UVP für das Xiaomi 12 Pro liegt in der Version mit 8/256 GByte bei 1049 Euro, die Variante mit 12/256 GByte kostet 100 Euro mehr. Zum Testzeitpunkt lag der Preis bei rund 860 bis 880 Euro für beide Versionen. Als Farben stehen Grau, Blau und Violett zur Auswahl.
Fazit
Das Xiaomi 12 Pro ist ein Smartphone mit Mut zur Lücke – nur dass wir in diesem Fall diesen Mut eher unangebracht finden. Keine eSIM, keine IP-Zertifizierung, nur USB 2.0 und keine Speichererweiterung sind Entscheidungen, die nicht unseren Beifall finden. Wie wichtig jeder dieser Punkte jedem einzelnen Interessenten ist, ist natürlich individuell unterschiedlich. Zum hohen Preis von über 1000 Euro in der UVP passt das jedoch nicht.
Ein gutes Smartphone ist – sofern man mit den genannten Einschränkungen leben kann – das Xiaomi 12 Pro dennoch. Es bietet ein tolles Display, ist schick und elegant, verfügt über ein ziemlich gute Kamera und ist zudem rasend schnell. Das gilt auch für den Akku und dessen Ladezeit – schneller ist derzeit kein anderes Smartphone auf dem Markt wieder voll. Dafür ist die generelle Laufzeit des Pro-Modells eher durchschnittlich. Insgesamt ist das 12 Pro ein gutes Smartphone – mit voraussichtlich genügend Spielraum für ein kommendes, noch besseres Ultra-Modell.
Gute Smartphones gibt es auch schon für weniger Geld, wie unsere Bestenlisten bis 400 Euro und bis 500 Euro beweisen. Direkte Konkurrenz zum Xiaomi 12 Pro ist etwa das Oneplus 10 Pro (Testbericht).