Die vorerst letzte Moto 360 kam 2015 auf den Markt, damals handelte es sich um die 2. Generation des erstmals 2014 verkauften Modells. Die Smartwatch mit Google-Betriebssystem gehörte nicht ohne Grund zu den meistverkauften schlauen Uhren ihrer Zeit, denn mit ihrem schicken Design erinnerte sie stärkerer als mancher Konkurrent an eine echte, mechanische Armbanduhr. Aber es gab auch Kritik, etwa am veralteten Prozessor der ersten Version, der nicht nur zu schwach, sondern auch zu energiehungrig war. Auch der “Plattfuß”, ein Teilbereich am unteren Ende des runden Displays, der nichts darstellen konnte, gefiel nicht Allen. All das will die 2020er Generation der Moto 360 jetzt besser machen - obwohl die Probleme des verwendeten Betriebssystems nie ganz behoben wurden. Ob das gutgeht?
Design
Eins vorweg: Den tollen Moto Maker, mit dessen Hilfe Nutzer ihre eigene Version der Smartwatch (sogar mit Gravur!) detailliert zusammenstellen konnten, gibt es nicht mehr. Stattdessen haben Interessenten nur die Wahl zwischen Rosegold, glänzendem Metall und Schwarz für das Gehäuse. Jeder Version liegen zwei farblich passende Armbänder aus Leder und Silikon bei – Beige für die goldene und die metallene Version, schwarz für die schwarze. Mehr Kombinationsmöglichkeiten gibt es nicht, auch wenn Besitzer der Uhr später das 20-Millimeter-Armband gegen Versionen aus dem Zubehör austauschen können. Gleich geblieben ist hingegen das Aussehen der Uhr, zumindest weitestgehend. Schick und elegant waren die ersten beiden Generationen der Moto 360 – ein Grund für deren Beliebtheit. Auch die dritte Generation versucht, wieder in die gleiche Kerbe zu schlagen, stellt sich dabei aber teilweise selbst ein Bein. Denn im Gegensatz zu früher wirkt die nur noch in der kleineren 42,8-Millimeter-Version erhältliche Moto 360 wegen der gestiegenen Bautiefe von stellenweise über 13 Millimeter im Vergleich zu einer Huawei Watch GT 2 (Testbericht) fast schon pummelig. Die Huawei-Uhr ist 46 Millimeter groß und nur knapp 11 Millimeter dünn - das wirkt insgesamt deutlich besser proportioniert.
Ansonsten gibt es an Design und Verarbeitung der Moto 360 nichts auszusetzen. Der Hersteller verwendet für den Haupt-Corpus mattes Metall, die nicht bewegliche Lünette ist glänzend gehalten. Die beiden auf der rechten Seite installierten Knöpfe weisen knackigen Druckpunkt und kurzen Tastenhub auf, der obere der Beiden dient außerdem als Steuerungs-Krone. Sie ist für besseren Gripp geriffelt und wird vom Motorola-Logo verziert. Optisch einer der größten Unterschiede zur 2. Generation: Der “Plattfuß”, also das unten abgeflachte Display mit Helligkeitssensor, gibt es nicht mehr, das Panel ist jetzt vollständig rund und somit im Jahr 2020 angekommen. Das gilt leider nicht für den rund 2 Millimeter dicken Display-Rand, den der Hersteller selbst bei vereinfachter Display-Darstellung im Always-On-Modus nicht völlig verbergen kann. Das machen andere Anbieter wie Huawei heute besser und auch bei der 2. Generation gab es wesentlich weniger Rand.
Ansonsten gibt es überwiegend Ähnlichkeiten. So setzt Motorola auf eine Kunststoffrückseite mit integriertem Pulsmesser, die überraschenderweise von vier winzigen Torx-Schrauben gehalten zu werden scheint. Sollte das stimmen, wäre ein Akkuwechsel oder eine sonstige Reparatur vergleichsweise einfach zu regeln. Gewöhnlich sind solche Rückseiten aber verklebt, entsprechend dürften die vier Schrauben nur Deko sein. Tatsächlich ist Kleber auch für die Wasserdichtigkeit bis 3ATM zuständig, was – im Gegensatz zu Aussagen des Herstellers, der von einer Wassertiefen-Einstufung von 30 Meter und vollem Schutz in Dusche, Pool und Meer spricht – eher einem gehobenen Spritzwasserschutz entspricht. Auf der Rückseite sind zudem zwei Pogopins installiert, über die die Uhr aufgeladen wird. Im Gegensatz zu aktuellen Fossil-Smartwatches wie der Carlyle (Testbericht) ist die Ladeschale besser ausgeformt und das Einlegen eindeutiger und daher einfacher.
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Display
1,2 Zoll bei einer Auflösung von 390 × 390 Pixel – das ist scharf. Aber auch weniger als beim Vorgänger, zumindest bei der Display-Diagonale. Denn die lag bei der kleinen (Damen)Version zuvor bei 1,37, bei der großen (Herren)Version sogar bei 1,56 Zoll. Die Darstellungsqualität ist bei der neuen Moto 360 ähnlich hoch wie bei der Konkurrenz, erneut kommt ein Helligkeitssensor für die Anpassung der Leuchtkraft zum Einsatz. Bei besonders heller Umgebung wird die Helligkeit für einen begrenzten Zeitraum sogar noch weiter erhöht, sodass es in Kombination mit der typischerweise guten Blickwinkelstabilität von OLED-Displays keine Probleme mit der Ablesbarkeit auch im Freien gibt.
Ausstattung
Setzte sich die erste Moto 360 mit ihrem schwachbrüstigen OMAP-Prozessor von Texas Instruments noch recht deutlicher Kritik aus, brachte der Snapdragon 400 der zweiten Generation nicht nur einen Leistungs-, sondern auch einen Ausdauerschub. Noch besser soll es der Snapdragon Wear 3100 von Qualcomm machen, der seinerzeit speziell für Wearables entwickelt wurde. Er ist mittlerweile aber auch schon wieder rund vier Jahre alt und längst gibt es einen Nachfolger. Der 3100er schöpft Kraft aus vier Kernen, die bei der aktuellen Version der Moto 360 von 1 GByte RAM unterstützt werden – eine verbreitete Konfiguration, wie sie viele aktuelle Smartwatches mit Android Wear (Artikel) derzeit verwenden. Sie verhilft der Uhr zu weitgehend ruckelfreier und direkter Umsetzung von Befehlen, sobald sie vollständig hochgefahren ist. Das konnte man von den Vorgängern nicht behaupten.
Hinzu kommen 8 GByte interner Speicher, der je nach verwendeter Musik-App auch Hörgenuss ohne angeschlossenes Smartphone ermöglicht. Zusammen mit dem Pulsmesser wird die Moto 360 dann zum optimalen Fitness-Begleiter, wenn auch wegen der Akkulaufzeit (dazu später mehr) nur recht kurz. Aus dem gleichen Grund ist Schlaftracking keine Option. Mangels Lautsprecher muss für Telefonate oder zum Musikhören ein Bluetooth-Headset direkt mit der Uhr verbunden werden und das große und schwere Smartphone kann beim Training zuhause bleiben. Mangels LTE-Modul sind die Funktionen ohne Smartphone allerdings wie bei jeder WearOS-Uhr stark eingeschränkt. Dank eingebautem GPS zeichnet die Smartwatch immerhin die gelaufene Strecke beim Joggen zuverlässig auf, der Pulsmesser hilft beim Einschätzen der eigenen Leistungsfähigkeit. Ab Werk ist Google Fit für weitere Auswertungen nutzbar. LTE-Konnektivität fehlt zwar, NFC zum kontaktlosen Bezahlen ist aber dabei.
Apropos Apps: Das App-Angebot ist der große Vorteil von Google´s Wear-OS und WatchOS von Apple. Je nach Geschmack lässt sich damit der Funktionsumfang der Uhr deutlich erweitern – das gibt es bei proprietären Betriebssystemen wie bei Huawei nicht. Weiterer Vorteil: Nachrichten von Whatsapp und Co. lassen sich per Sprache, Micro-Keyboard oder Schnellantworten direkt beantworten, außerdem werden alle Messages chronologisch und nach einem Klick auf einzelne Nachrichten sogar vollständig angezeigt. Letzteres klappt inzwischen aber auch bei Uhren wie der erwähnten Huawei Watch GT 2 (Testbericht) .
Ein weiterer Vorteil: Wear OS bietet die Möglichkeit, mittels des Sprachbefehls “OK Google” Funktionen von Uhr und Smartphone auch dann zu verwenden, wenn gerade keine Hand frei ist. Damit lassen sich dann etwa Erinnerungen festhalten, Internet-Suchen initiieren oder Anrufe starten – theoretisch. Wie bei anderen Wear-OS-Uhren bestätigte auch die Moto 360 solche Versuche im Testzeitraum allerdings stets mit dem Hinweis, die Uhr sei nicht mit dem Smartphone verbunden – obwohl Nachrichten problemlos ankamen. Langsam stellt sich da schon beinahe die Frage, ob Google entsprechende Funktionen nicht doch inzwischen klammheimlich von der Feature-Liste des mobilen Betriebssystems gestrichen hat...
Akku
Neben diesem typischen Wear-OS-Problem gibt es ein weiters, vielleicht noch gravierenderes: den Stromverbrauch. Denn während eigene Systeme von Huami oder Huawei je nach Einstellung realistische Laufzeiten von 7 bis 10 Tagen ermöglichen, kapitulieren Wear-OS-Uhren bereits nach zwei, meist sogar schon nach einem Tag. Bei intensiver Nutzung, etwa mit zwischenzeitlichem Training und aktiviertem GPS, kommen die schlauen Google-Uhren kaum über den Tag. Auch die aktuelle Moto 360 ist da keine Ausnahme. Ihr 355 mAh starker Akku wies im Test je nach Nutzungsintensität am Abend bestenfalls 10 bis 20 Prozent Restakku auf. Bei vielen täglichen Nachrichten und Trainingsläufen mit aktiviertem GPS ging es abends nicht ohne Energiesparmodus.
Der scheint dann für eine halbe Ewigkeit zu reichen, unterbindet allerdings auch jegliche smarte Funktionen - für eine Smartwatch ist das also letztendlich kontraproduktiv und nur der letzte Ausweg. Wenn der aber mehrfach pro Woche gebraucht wird, ist das keine Ausnahme mehr, sondern Gewohnheit. Vielleicht hätte hier der Griff zum neueren Snapdragon 4100+, der in 12 statt 28 Nanometer produziert wird, Besserung gebracht. Leider war der neuere Chip wohl nicht früh genug für die Moto 360 verfügbar.
Hier haben wir die 15 belibetesten Smartwatches aufgelistet:
Fazit
Uhren mit WearOS können noch so schick sein – mit den bestehenden Problemen bei Verbindung und Laufzeit haben sie es schwer, als Empfehlung herangezogen zu werden. Das ist schade, schließlich bietet das System viele Vorzüge gegenüber proprietären Systemen. Allerdings macht es sich die dritte Generation der Moto 360 zum Teil auch selbst unnötig schwer. So erscheint uns der Verzicht auf die große Männerversion bei gleichzeitig gestiegener Dicke und der daraus resultierenden Pummeligkeit als wenig vorteilhaft.
Hinzu kommt ein dicker Rahmen um das Display, der wenig hochwertig wirkt – und das alles, um den “Plattfuß” der Vorgänger zu umgehen. Das hat uns schon bei anderen WearOS-Uhren, etwa von Fossil (Artikel) , nicht gefallen und wirkt vor allem im direkten Vergleich zum 5 Jahre alten Vorgänger ziemlich unbeholfen. Nimmt man dann noch die vergleichsweise hohe UVP von 299 Euro mit hinzu, bleibt uns bei aller Nostalgie nur, von der Moto 360 - und generell je nach Preis von allen WearOS-Uhren – abzuraten.