Zugegeben: Ganz neu ist die Ticwatch Pro (2020) nicht mehr. Nicht nur, weil sie in ihrer jetzigen Form schon etwas auf dem Markt ist, sondern auch, weil es sich dabei um ein eher verhaltenes Upgrade der 2018er-Version handelt. Nach Problemen mit zuletzt getesteten Wear-OS-Smartwatches von Fossil (Vergleichstest) , Suunot (Testbericht) und der Moto 360 (Testbericht), bei denen sich neben anderen Unstimmigkeiten vorwiegend die Akkulaufzeit als Dealbreaker herauskristallisierte, wollten wir die Ticwatch Pro (2020) trotzdem noch mal angehen.
Denn die will zumindest das Problem der kurzen Laufzeit lösen: Einerseits mit einem vergleichsweise großen Akku, andererseits durch ein stromsparendes LCD, das bei entsprechender Einstellung für Laufzeiten von bis zu 30 Tagen sorgen soll. Ob das im Test funktioniert?
Design
Eines kann man der Ticwatch Pro (2020 und wegen der Baugleichheit auch der 2018er-Version) nicht vorwerfen: dass sie für ein Männerhandgelenk zu filigran ist. Im Gegenteil. Denn die nur als 45-Millimeter-Ausführung erhältliche Smartwatch ist zwangsläufig groß, vor allem aber dick. Fast 13 Millimeter Bautiefe sind kein Pappenstil, eine Huawei Watch GT 2 (Testbericht) ist deutlich flacher. Und sie wirkt damit auch viel mehr wie eine herkömmliche Uhr, während die Ticwatch eher nach Elektronik-Gadget aussieht. Unterstützt wird das durch die Darstellung im Essential Mode, bei dem das LCD für die Darstellung herangezogen wird. Das beherrscht nur digitale Anzeigen von Ziffern und kann kein herkömmliches Ziffernblatt anzeigen – was zwangsläufig technischer als die Darstellung eines Ziffernblattes wirkt. r nach Elektronik-Gadget aussieht. Unterstützt wird das durch die Darstellung im Essential Mode, bei dem das LCD für die Darstellung herangezogen wird. Das beherrscht nur digitale Anzeigen von Ziffern und kann kein herkömmliches Ziffernblatt anzeigen – was zwangsläufig technischer als die Darstellung eines Ziffernblattes wirkt.
Hinzu kommt die durch die eckige und kantige Formensprache der Mobvoi-Uhr eher grobschlächtige Form, die insgesamt nicht sonderlich modern wirkt. Sie erinnert eher an die ersten Smartwatch-Versuche. So liegt das Display der Uhr deutlich tiefer als die nicht drehbare Lünette und der Großteil des Gehäuses besteht aus mattschwarzem, Nylon-verstärkter Kohlefaser – das könnte optisch auch Kunststoff sein und passt unserer Meinung nach nicht zum Preis von 260 Euro in der UVP. Aber dafür hat die Uhr andere Vorzüge und punktet außerdem mit guter Verarbeitung. Ungleiche Spaltmaße gibt es nicht und auch wenn die beiden seitlichen Knöpfe leicht unterschiedliche und schwammige Druckpunkte aufweisen, lassen sie sich doch noch ganz gut bedienen.
Das Armband der Uhr besteht aus einer Außenschicht Leder mit Ziernaht, innen ist Silikon das Material der Wahl. Das hat den Vorteil, dass sich Schweiß nicht im Werkstoff ablagert, äußerlich sieht das Armband dennoch hochwertiger aus. Wem das nicht zusagt, der kann es problemlos gegen Standard-Armbänder mit 22 Millimeter Breite von Drittherstellern austauschen.
Alle Bilder zur Mobvoi Ticwatch Pro (2020) aus dem Test
Display
Einer der erwähnten anderen Vorzüge der Mobvoi Ticwatch Pro (2020) ist das Display – oder genauer: der Umstand, dass die Uhr zwei Displays besitzt. Die liegen übereinander und sind Hauptgrund für die hohen Laufzeitwerte von bis zu 30 Tagen, die der Hersteller angibt. Haupt-Display ist der 1,39 Zoll große OLED-Screen, der normalerweise für die Darstellung im smarten Modus zuständig ist. Mit seiner Auflösung von 400 × 400 Pixel ist die Wiedergabe von Inhalten schön scharf, Farben werden intensiv dargestellt und Schwarzwert und Ablesbarkeit sind gewohnt gut. Dank Helligkeitssensor passt die Ticwatch die Leuchtkraft des Screens an die Umgebungshelligkeit an.
Über dem OLED-Screen liegt ein transparentes LCD, das transreflektiv arbeitet. Bedeutet: Je stärker eine Lichtquelle auf das Display scheint, desto besser wird es ablesbar. Damit haben Nutzer also auch im Hochsommer bei direkter Sonneneinstrahlung keinerlei Probleme, Inhalte zu erkennen. Viel mehr Informationen gibt es dann nicht – mit Datum, Schritten und grober Akkuanzeige der Uhr war es das dann auch. Mehr Werte gibt es nur, wenn die Uhr in der Voreinstellung zum Draufschauen angehoben, das Display berührt oder die obere der beiden seitlichen Tasten gedrückt wird. Dann springt wieder das OLED-Panel an und zeigt je nach voreingestelltem Watchface weitere Informationen an.
Wahlweise darf das OLED-Display auch dauerhaft aktiviert werden und gibt dann wie bei anderen WearOS-Uhren eine abgespeckte Standby-Anzeige wieder. Das kostet aber deutlich mehr Strom und macht den größten Vorteil der Ticwatch Pro, nämlich geringen Stromverbrauch durch das zusätzliche Stromspar-Display, zunichte.
Das gilt anders herum auch, wenn ein Träger der Uhr in den Essential Mode wechselt. Dabei wird dauerhaft das LCD aktiviert und der stromintensive OLED-Screen deaktiviert. Das setzt sogar einen Neustart der Uhr voraus. Gleichzeitig wird die Smartwatch zur einfachen Uhr ohne smarte Funktionen. Selbst nach wie vor gezählte Schritte werden nicht mehr an Google Fit übermittelt, somit wird der große Vorteil einer Smartwatch aufgegeben und ihr eigentlicher Daseinszweck ad absurdum geführt. Denn die reine Uhrzeit anzeigen können herkömmliche Armbanduhren schlichtweg noch besser oder zumindest auch ohne externe Stromzufuhr länger.
Hardware
Es klang bereits an: Die aktuelle 2020er-Version der Ticwatch Pro von Mobvoi ist eine überarbeitete Version der Ticwatch Pro von 2018. Dabei ist “überarbeitet” eigentlich schon ein zu großes Wort, denn die Änderungen halten sich in Grenzen. Sie betreffen weder das äußere Erscheinungsbild noch die grundlegende Technik mit dem inzwischen deutlich in die Jahre gekommenen Qualcomm Snapdragon Wear 2100. Stattdessen wurde lediglich der Arbeitsspeicher von 512 MByte auf 1 GByte verdoppelt und die Uhr erfüllt jetzt Bestandteile des MIL-STD 810G-Zertifizierung und ist gegen Spritzwasser und Staub nach IP-68-geschützt. ATM-5-Schutz fehlt nach wie vor, für Schwimmer ist sie also nicht geeignet.
Ansonsten bringt sie das mit, was alle gehobene WearOS-Uhren heute bieten: 4 GByte internen Speicher, damit die Uhr auch ohne Smartphone zum Musikplayer wird, passen dazu GPS, Schrittzähler und Pulsmesser – zum Joggen mit Musik, aber eben ohne schweres Handy. Auch NFC zum kontaktlosen Zahlen ist dabei, ebenso Mikrofon und Lautsprecher zum Telefonieren. Je nach Version allerdings nur mit verbundenem Smartphone, denn LTE-Funktionalität bietet unser Testgerät der Ticwatch Pro (2020) trotz der Dicke der Uhr nicht. Verbunden wird per Bluetooth 4.2 und WLAN im 2,4-Ghz-Band – so weit, so normal.
Im Alltag zeigt sich die Ticwatch Pro (2020) als zuverlässige Begleiterin, bei der alles wie versprochen funktioniert. Der Schrittmesser erscheint allerdings etwas übermotiviert - bisweilen scheint ihn auch stärkere Armbewegung zum Mitzählen zu bewegen. Der Pulsmesser lieferte im Testzeitraum nachvollziehbare Ergebnisse, die realistischer oder zumindest verzögerungsärmer als etwa bei der Huawei Watch GT 2 (Testbericht) arbeitet. GPS ist stark und genau, braucht aber anfänglich einige Sekunden zur Standortbestimmung. NFC funktionierte ebenfalls zuverlässig.
Wie bei der Fossil Carlyle (Vergleichstest) ist auch bei der Ticwatch Pro (2020) die Verdopplung des Arbeitsspeichers klar zu spüren. Befehle werden direkter umgesetzt, Scrolling in den Menüs der Uhr läuft flüssig und Apps werden schneller geöffnet. Im Alltag macht die Ticwatch damit eine sehr gute Figur. Erneut zeigte sich allerdings ein Problem, das zuletzt trotz Verwendung unterschiedlicher Smartphones alle WearOS-Uhren hatten: Trotz bestehender Verbindung zum genutzten Smartphone und ständig ankommender Nachrichten auf der Uhr weigerte sich auch die Ticwatch, per Sprachbefehl abgesetzte Nachrichten – etwa WhatsApps oder SMS – zu versenden. Das Aufrufen per OK-Google-Befehl funktionierte genauso wie die korrekte Erkennung des diktierten Textes – nur ein Versenden wurde mit dem Hinweis auf fehlende Verbindung zur Uhr abgelehnt. Simple Nachfragen, die der Google Assistant mit einem kurzen Zitat aus Wikipedia beantworten kann, funktionieren hingegen. Auch Erinnerungen oder das verbale Stellen von Weckzeiten funktionieren tadellos. Eine entsprechende Anfrage an Google konnte zum Testzeitpunkt nicht beantwortet werden.
Akku
Der größte Pluspunkt der Mobvoi Ticwatch Pro (2020) sollte eigentlich die Akkulaufzeit sein. Wer sich von den Herstellerangaben, die von bis zu 30 Tagen mit nur einer Akkuladung sprechen, unreflektiert blenden lässt, wird allerdings enttäuscht sein. Denn das geht nicht nur wie bereits beschrieben mit dem Verlust aller smarten Funktionen einher, sondern dürfte erfahrungsgemäß auch übertrieben sein. Tatsächlich hielt die Uhr im – schlecht auf Deutsch übersetzen - “Notwendigkeitsmodus” schlichtweg zu lange, um ihn im Testverlauf voll ausreizen zu können. Geschätzt und hochgerechnet dürften tatsächlich gute 20 Tage realistisch machbar sein.
Viel wichtiger dürfte den meisten Nutzer allerdings eine höhere Alltagstauglichkeit im Normalbetrieb sein – denn genau hier versagen so gut wie alle anderen WearOS-Uhren. Denn die kommen je nach Nutzung gerade so über den Tag, oft wird es am Abend schon knapp. Mobvoi will das besser machen – und schafft das auch, auch wenn die versprochenen 5 Tage wenig überraschend nicht erreicht werden. Das liegt einerseits am mit 415 mAh vergleichsweise großen Akku und eben am zusätzlichen und stromsparenden LCD. Im Test hielt die Ticwatch Pro (2020) bei gleicher Nutzung, bei der etwa die Moto 360 (Testbericht) einen Tag durchhielt, gute zwei bis drei Tage. Bei moderatem Gebrauch sind sogar vier Tage drin – das schafft keine andere Smartwatch mit WearOS. Geladen wird übrigens über Pogo-PINs, nicht per Induktion.
Preis
Die Mobvoi Ticwatch Pro (2020) kostet im freien Handel immer noch rund 260 Euro. Neben der schwarzen gibt es auch eine silberne Version, außerdem eine mit LTE zum autarken Betrieb ohne Smartphone erhältlich. Diese Version ist überraschend sogar günstiger.
Fazit
Am meisten hat uns an der Ticwatch Pro (2020) das Design gestört. Klar ist das immer auch Geschmacksfrage, allerdings lässt sich das auch an Werten und greifbaren Beobachtungen festmachen. So ist die Tickwatch insgesamt einfach zu dick und klobig, um als schick durchzugehen. Dazu hätte unserer Meinung nach ein robustes Metallarmband besser als das auf elegant gemachte Leder-Silikonband gepasst. Davon abgesehen überzeugt die WearOS-Smartwatch auf ganzer Linie, sofern man sich mit der Beschränkung des LCDs auf digitale Zeitanzeige anfreunden kann. Denn eine klassische Armbanduhr lässt sich so nicht imitieren.
Technisch hat die Uhr einiges zu bieten, sie beherrscht alles, was derzeit Standard ist. Lediglich der Chipsatz ist reichlich betagt, der Nachfolger wird wohl auf den deutlich moderneren Snapdragon Wear 4100 setzen. Größter Pluspunkt ist das zweite Display, das der schlauen Uhr endlich zu akzeptablen Laufzeiten verhilft. Drei Tage, mindestens aber zwei volle Tage schafft aktuell keine andere WearOS-Uhr – das macht das gute Stück zur derzeit besten WearOS-Smartwatch auf dem Markt. Das rechtfertigt auch den stabil hohen Preis.
Beste Alternative zur Tickwatch ist derzeit die Fossil Carlyle (Artikel) oder – wenn es nicht WearOS sein muss – die Huawei Watch GT2 (Testbericht) , die noch deutlich längere Laufzeiten aufs Parkett zaubert. Weitere smarte Uhren zeigen wir in der Bestenliste: Die Top 10 der Smartwatches.