Design und Haptik
Die äußere Erscheinung läßt uns erstmal staunen. Für nur 40 Euro sieht die Konsole auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus. Okay, für das Design müsste man wohl ohnehin die Entwickler der Playstation Portable loben, und die Gemeinsamkeiten enden schnell: Die Ernüchterung folgt, sobald wir das Testgerät in die Hand nehmen. Die Haptik entspricht dem Preis. Einfachste Taster, billiger Kunststoff und ein viel zu geringes Gewicht sprechen nicht für Qualität. Wenn man die Konsole schüttelt, klappern die Taster. Dieser Eindruck setzt sich fort. Auf der Rückseite sitzt eine kleine Kamera. Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass die Linse hinter dem Gehäuse deutlich verschoben ist. Das Display ist nicht durch eine Scheibe geschützt und deshalb anfällig für Schäden. Die ersten Kratzer hat ein Brillenputztuch hinterlassen.
Die Retro-Konsole kommt in einem unbedruckten Karton und in Luftpolsterfolie eingepackt bei uns an. Außer dem Spiele-Computer gibt es nichts in der Verpackung. Kopfhörer, Speicherkarte oder Ladekabel gehören nicht zum Lieferumfang.
Auf der Vorderseite sitzen der Monitor, zwei Status-LEDs und die Bedientaster, darunter Steuerkreuz und Joystick, Feuer- und Schultertasten, Start und Select sowie Tasten zur Regelung der Lautstärke. Auf der Unterseite sitzt ein MicroSD-Kartenslot. auf der Oberseite gibt es einen On-Off-Schiebeschalter, einen TV-Ausgang, einen Kopfhörerausgang und eine Mini-USB-Buchse zum Laden des Akkus.
Spiele
Auf dem Hauptbildschirm stehen gerade einmal 12 Spiele zur Auswahl. Unten links im Menü gibt es das Game-Center. Dort finden sich nochmal eine ganze Reihe Games verschiedener Herstellern und für unterschiedliche Konsolen. Die meisten Spiele sind ursprünglich für das Nintendo NES und den Gameboy Advanced entwickelt worden. Trotz der großen Auswahl kommen wir nicht auf die beworbenen, mehreren tausend Spiele.
Retro-Gaming-Handheld Screens
Also suchen wir weiter und werden im Datei-Browser fündig. Versteckt auf dem internen Speicher der Konsole finden sich hier noch unmengen weiterer Games. Deren Namen sind allerdings teilweise in asiatischen Schriftzeichen abgespeichert. Welches Spiel sich hinter welcher Datei verbirgt, ist reine Glückssache. Auch das Wiederfinden eines Spiels fällt dadurch extrem schwer. Aber ok, auch die Spieletitel in englisch reichen, um sich stundenlang zu beschäftigen.
Von 30 getesteten Spielen liefen 29 problemlos. In einem Fall funktionierte die Steuerung nicht. Ansonsten lief die Emulation problemlos.
Funktionen
Die Konsole kann mehr als nur Spielen. Die Rückseitige Kamera nimmt Fotos und Videos auf – die Qualität erinnert allerdings stark an Handybilder von vor 15 Jahren. Dieses Extra ist vollkommen unbrauchbar. Auch als Foto-Viewer eignet sich der Handheld-Computer nur theoretisch. Die Darstellung ist dank des niedrig auflösenden Displays extrem mies.
Auch Audiorekorder, Taschenrechner, Stoppuhr, MP3-Playe und Videoplayer sind vorhanden, aber jedes billige Smartphone kann das besser und komfortabler. Der Videoplayer mag vielleicht noch eine Daseinsberechtigung haben, um Kinder während einer langen Autofahrt zu unterhalten, aber er unterstützt nur wenige Dateiformate. MOV- oder MP4-Dateien, die wir ausprobiert haben, gehen schon mal nicht.
Genial ist der TV-Ausgang, damit kann man die Spiele auch auf den Fernseher bringen. Leider gibt es keine Möglichkeit, ein zweites Gamepad zu verbinden. Und um das passende Kabel muss man sich als Käufer selbst kümmern.
Praxis
Nach dem Betätigen des On-Off-Schalters tut sich erst einmal gar nichts. Erst ein langer Druck auf den Start-Knopf erweckt die Konsole zum Leben. Beim Booten erscheinen allerlei grafisch beeindruckende Bilder aus diversen Spielen auf dem Bildschirm. Diese haben allerdings nichts mit den Inhalten auf der Konsole zu tun, die Retro-Games haben die gewohnte Klötzchen-Grafik. Egal, ob man ein Spiel im Hauptmenü, im Game Center oder im Dateibrowser auswählt, öffnet sich zunächst der Emulations-Bildschirm. Ein Klick auf Restart startet dann das Spiel. Das ist zwar gewöhnungsbedürftig und nicht gerade intuitiv, aber nicht besonders kompliziert.
Die Spiele selbst wecken sofort Kindheitserinnerungen – der laute, krächzende Sound aus dem Mono-Lautsprecher ebenfalls. Die Konsole startet stets mit maximaler Lautstärke, was unangenehm ist. Ein Druck auf den Leiser-Knopf, und die Konsole wird fast unhörbar leise. Bis die Lautstärke ein erträgliches Maß erreicht, muss man ungefähr fünfzehn Mal drücken. Hält man eine der Knöpfe gedrückt, passiert gar nichts. Unpraktisch, aber dem Preis entsprechend.
Die Spiele selbst laufen ruckelfrei. Im Gegensatz zu früher laufen die Games nun im Emulator, der Zusatzfunktionen ermöglicht; so ist etwa das Speichern möglich. Dazu beendet man den Emulator mit einem langen Druck auf die Select-Taste und landet wieder im Emulations-Menü. Dort können wir Spielstände speichern und laden.
Die Steuerung ist im ersten Moment ungewohnt; die Routine stellt sich aber schnell wieder ein. Die alten Spiele machen einfach Spaß und das ganz ohne VR, 4K-Auflösung und Dolby-Surround-Sound. Ein Nachteil gegenüber den Originalkonsolen sind die miesen Knöpfe. Diese reagieren nicht so sauber, wie wir das gewohnt sind. Das Resultat sind Crashes bei Autorennen oder Feind-Kollisionen bei Super Mario. Insgesamt ist das aber Jammern auf hohem Niveau, denn spielen können wir trotzdem ordentlich.
Der Akku hält circa 2 Stunden. Wem das zu kurz ist, der kann die Konsole auch während des Spielens an eine Powerbank hängen.
Emulatoren und ROMs
Letztlich handelt es sich bei den meisten Retro-Konsolen aus China um Standard-Hardware, auf denen Emulatoren für frühere Konsolen – wie eben Game Boy, SNES, NES oder Game Gear – laufen. Dazu wird häufig ein großer Stapel unsortierter Spiele-ROMs in den Speicher gepackt, fertig. Darunter viele unbekannte Titel, aber auch echte Klassiker wie Tetris, Super Mario, Mario Karts, Street Fighter und Micro Machines.
In Anbetracht des günstigen Preises der Konsole müssen wir zumindest anzweifeln, dass für Super Mario & Co. Lizenzgebühren bezahlt wurden. Eine Anfrage an den Anbieter solcher Konsolen blieb bislang unbeantwortet.
Wie es scheint können auch selbst heruntergeladene Spele auf der Speicherkarte genutzt werden. ROMs für vom Gameboy Advanced und NES scheinen auf jeden Fall zu funktionieren.
Verfügbarkeit
Exakt unser Modell haben wir außer bei Ebay nur noch auf Amazon gefunden. Ähnliche Konsolen sind in verschiedenen Designs und zumindest 100 bis 650 Games auch bei deutschen Händlern erhältlich. Die Grundfunktion und Verarbeitung sollten sehr ähnlich sein.
Fazit
Wir sind positiv überrascht, wie gut die kleine Konsole funktioniert und wie viele bekannte Spiele vorinstalliert sind. Jeder, der das Testgerät ausprobiert hat, war begeistert – vor allem, wenn der niedrige Preis genannt wird.
Klar muss man Abstriche machen: die Verarbeitungsqualität ist unter aller Kanone, das Design kopiert, das Plastik fühlt sich billig an, die Zusatzfunktionen sind unbrauchbar und die Knöpfe haben Druckpunkte, die wir jedem Smartphone-Hersteller um die Ohren schlagen würden.
Trotzdem haben wir die mobile Daddelbox lieb gewonnen. Für Kinder ist das billige Gerät auf jeden Fall besser geeignet als Papas teures Smartphone. Auch für Liebhaber von Retro-Games ist die Konsole interessant.
Was bleibt, ist die Frage nach der Legalität der vorinstallierten Spiele.