Kopfhörer mit Active Noise Cancelling minimieren Umweltgeräusche und maximieren den Klang. In unserer Themenwelt kabelose ANC-Kopfhörer testen wir die Kopfhörer. Bislang sind folgende Beiträge erschienen:
Design und Hardware
Bereits seit einigen Jahren baut Microsoft Notebooks, Tablets und Desktop-Computer unter dem Namen Surface. Kürzlich hat das Unternehmen die Produktpalette um einen ANC-Kopfhörer erweitert. Der Microsoft-Kopfhörer ist ein Over-Ear-Headset in geschlossener Bauweise – und bleibt dem Design der anderen Familien-Mitglieder treu.
Der Look erinnert den aus der Architektur bekannten Brutalismus-Stil: grau wie Beton und eine klare Linienführung. Und das steht dem Kopfhörer ausgesprochen gut. Die gewählte Farbe passt nicht nur zu den anderen Surface-Produkten, sondern verleiht dem Kopfhörer auch ein dezentes Aussehen. Aber nicht nur die schnörkellose Optik überzeugt, auch die Haptik ist prima. Der verwendete Kunststoff ist leicht gummiert, was für einen sehr guten Grip sorgt. Der Größen-verstellbare Bügel ist leicht gepolstert, wodurch der Kopfhörer trotz seiner rund 320 g Gewicht bequem zu tragen ist. Auch der Memory-Schaum an den Hörmuscheln sorgt für ein großes Plus an Bequemlichkeit. Die Hörmuscheln sind mit einem in zwei Richtungen schwenkbaren Scharnier am Bügel befestigt, wodurch er mit jeder Kopfform tragbar ist. Allerdings lässt sich der Bügel nicht knicken, so kann man den Surface-Kopfhörer nicht klein zusammenfalten. Durch das Drehen der Hörmuscheln lässt er sich dafür recht flach machen und passt so locker ins Seitenfach einer Laptoptasche.
Auf den ersten Blick gibt es nur wenige Bedienelemente: An der rechten Seite befindet sich der kleine Button zum Ein- und Ausschalten und fürs Bluetooth-Pairing sowie eine Stummschalttaste. Direkt daneben sitzt der USB-C-Anschluss und der 3,5-mm-Audioanschluss. Der Design-Clou ist allerdings die Bedienung von Lautstärke und Abschirmeffekt: Die entsprechenden Drehregler sind unauffällig in der Außenseite der Hörmuscheln integriert. Ein Griff ans rechte Ohr mindert oder erhöht die Lautstärke, an der linken Seite wird die Stärke der Geräuschunterdrückung geregelt.
Diese Bedienung ist großartig: Beim Drehen spürt man einen leichten Widerstand, die Justierung der Funktionen geht so ganz geschmeidig von der Hand. Es erinnert ganz passend an die großen Drehregler von Stereoanlagen. Als weiterer Bonus reagieren die Hörmuschel auf Berührung: Ein doppeltes Klopfen stoppt je nach Seite den abgespielten Sound oder startet den nächsten Song der Playlist. Wobei: Um die Musik anzuhalten, genügt es, den Kopfhörer abzusetzen: Sensoren erkennen, ob der Surface auf dem Kopf sitzt.
Der Microsoft-Kopfhörer kommt mit einer ebenfalls grauen Transporttasche, einem USB-C-Ladekabel und einem lediglich 1,2 m langem Verbindungskabel mit 3,5-Klinkenstecker
Sound und Noise Cancelling
Um es kurz vorweg zu nehmen: Respekt, Microsoft. Für den ersten Kopfhörer unter dem Surface-Dach ist es dem Unternehmen gut gelungen, einen runden Klang zu produzieren. Und wahrscheinlich liegt es vor allem daran, dass der Sound nicht großartig „optimiert“ wird, wie es einige andere Hersteller tun. Musik klingt so klar und unverfälscht, wie es sich Puristen wünschen. Allerdings bedeutet das auch, dass ein schlechter Sound nicht verbessert wird. Nutzer müssen beim Surface noch mehr darauf achten, was sie hören – und worüber die Musik abgespielt oder gestreamt wird.
„To Believe“ von Cinematic Orchestra ist ein wunderbares Test-Album für den Surface, da die Band verschiedene Genres mischt und die Aufnahme vor allem als Wav-Datei exzellent ist. Der Sound des Albums wird sehr gut auf den Kopfhörern dargestellt. Bei „A Caged Bird“ wummert der Bass durch den Song, überlagert aber nicht die klar herausgearbeitete Stimme des Gastsängers Roots Manuva. Der Bass fügt sich deutlich hörbar, aber insgesamt sehr harmonisch ein. Interessant wird es bei dem Song „Zero One“: Hier treffen Ambient-Sounds auf überlagerte Gesangspassagen. Leider schafft es der Surface nicht, die verschiedenen Klänge immer akkurat zu trennen, es wirkt wie das akustische Pendant zum Hamburger Nationalgericht Labskaus: Alle Zutaten in den Topf, umrühren – schmeckt schon irgendwie.
Seine Stärken spielt der Kopfhörer dagegen bei ruhigen Passagen mit wenig Instrumentierung aus. Höhen und Mitten sorgen für eine fast klinische Klarheit. Das Album „Klebstoff“ von Mine scheint dagegen wie gemacht für den Kopfhörer. Soundeffekte, die irgendwo im Hintergrund liegen, sind gut zu orten. Der Bass fetzt, ohne dabei den Herzschlag durcheinander zu bringen. Sehr schön ist der 360-Grad-Effekt im Song „Spiegelbild“. Dabei wandert die Stimme von Mine gefühlt einmal um den Kopf herum. Im Test wirkte der Sound beizeiten manchmal so perfekt abgestimmt, dass es sich so anhörte, dass bunte akustische Treiben findet nicht im Kopfhörer, sondern tatsächlich im Raum statt.
Bereits ohne Geräuschunterdrückung ist der Surface also ein guter Kopfhörer. Zwar kommt nicht jeder Song perfekt zur Geltung, unterm Strich macht er seine Sache aber ausgesprochen gut. Doch das allein dürfte nicht der Kaufgrund bei einem ANC-Kopfhörer sein. Und hier hat Microsoft ebenfalls eine gute – wenn auch nicht perfekte – Premiere hingelegt. Der Geräuschunterdrückung lässt sich durch das Drehrad an der rechten Hörmuschel geschmeidig justieren. Die Möglichkeiten reichen von der Zuschaltung der Außengeräusche bis zur kompletten Abschirmung. Wobei komplett hier sicher eher relativ ist. Insgesamt sollte man beim Surface nicht von einer Unterdrückung, sondern eher von einer Minderung sprechen. In der Praxis wirkt der Effekt ohne parallellaufende Musik manchmal einfach so, als würde man sich die Finger in die Ohren stecken.
Auch wenn Audiophile wahrscheinlich einen großen Bogen um einen ANC-Kopfhörer machen: Gerade auf Reisen oder in lauten Umgebungen haben sie eine absolute Daseinsberechtigung. Und der Surface schlägt sich auch in dieser Disziplin überraschend gut. An Straßen sind vorbeifahrende Autos kaum noch zu hören, die Kollegen im Büro dagegen schon. Oder, um es nett auszudrücken: Der Surface gibt Monotonie keine Chance, dafür individuellen Klängen genug Raum. Auch wenn der ANC-Effekt sicher nicht der Beste am Markt ist: Gerade in Verbindung mit der sehr intuitiven Bedienung überzeugt die Geräuschunterdrückung des Kopfhörers auf ganzer Linie.
Akku
Laut Microsoft hält der nicht wechselbare Akku mit eingeschalteter Geräuschunterdrückung bis zu 15 Stunden durch, abhängig davon, mit welcher Lautstärke Musik gehört und in welcher Stufe das Noise Cancelling genutzt wird. Es scheint so, dass der Akku nicht zu den besten im Markt gehört, denn die Laufzeit ist nicht zufriedenstellend.
Ganz nett: Bei jedem Anschalten des Kopfhörers sagt eine nette Stimme: „Hi, Du hast noch ... Stunden Akkulaufzeit“. Bei der genannten Zahl handelt sich dann immerhin um einen realistischen Wert. Dank der Schnellladefunktion hat der Kopfhörer nach nur fünf Minuten an der Steckdose wieder genügend Saft für eine weitere Stunde Musikwiedergabe. Vollständig aufgeladen ist der Kopfhörer nach etwa zwei bis drei Stunden.
App
Microsoft hat mit „Cortana“ eine App für iOS und Android produziert. Insgesamt ist die App aber viel mehr als nur eine Steuersoftware für den Kopfhörer. Über die Cortana-App wird auch der gleichnamige Sprachassistent von Microsoft bedient. Allerdings: Bislang ist die Smartphone-App nicht in Deutschland erhältlich. Wer den Surface-Kopfhörer per Software optimieren oder die Firmware updaten will, muss hierfür einen Windows-PC nutzen – oder die App mittels eines US-Accounts bei iTunes oder Google laden. Das trübt das Gesamtergebnis, denn die App bietet tatsächlich ein paar Vorteile. Zum Beispiel lässt sich darüber festlegen, mit welchen Musikservice sich der Microsoft-Assistent Cortana verbinden soll. Aber vor allem werden hierüber die ganz persönlichen Sound-Präferenzen eingestellt und aktiviert. Auch wenn nicht jeder Musikliebhaber einen Equalizer mag, sorgt diese Funktion dafür, den Kopfhörer akustisch zu individualisieren. Es ist unverständlich, dass die App zum Testzeitpunkt noch nicht in deutschen App-Stores verfügbar war.
Preis
Die UVP des Kopfhörer liegt bei 380 Euro, der Straßenpreis liegt nur unwesentlich darunter. Damit zeigt Microsoft, in welcher Liga das Unternehmen mit dem neuen Surface-Produkt mitspielen will. Der Auftakt ist durchaus gelungen, in Summe kann der Kopfhörer überzeugen. Dennoch ist der Preis zu hoch, ein paar Euro weniger würden dem Surface allerdings besser zu Gesicht stehen.
Fazit
Mit den Surface Headphones hat Microsoft einen guten ersten Aufschlag hingelegt. Der Sound ist ordentlich, die Geräuschunterdrückung prima und die innovative Bedienung vorbildlich. Das Design ist sicher Geschmackssache, dafür sind Verarbeitung, Materialien und Sitzkomfort erstklassig. Negativ fallen der schwache Akku, die fehlende Smartphone-App im deutschen App-Store und der hohe Preis auf.
Unterm Strich ist der Kopfhörer ein rundes Gesamtpaket. Ein Hingucker und optisches Statement ist er auf jeden Fall.