Die Story ist altbekannt: Die USA beschuldigten China der Spionage und nahmen große Firmen aus dem Reich der Mitte gleich mit in Sippenhaft. Resultat: Huawei, die – wenn auch nur kurz - einstige Nummer Eins auf dem Smartphone-Markt, darf keine Google-Dienste mehr nutzen und auch 5G aus der Hand von US-Firmen wie Qualcomm ist tabu.
Da wegen des Embargos die eigene Chip-Produktion weitestgehend zusammengebrochen ist, wurde der Hero zur Zero – trotz anhaltender Bemühungen, das Ende auf dem Smartphone-Sektor abzuwenden. Neben der eigenen App Gallery als Alternative zum Play Store von Google ist das Huawei P50 Pro der neueste Beleg für diese Bemühungen. Huawei macht damit weiter, als sei nichts gewesen – Trotzreaktion oder Stärke? In jedem Fall: Der alte Glanz der P-Serie ist verloren gegangen, zumindest teilweise.
Design
Huawei bewies schon in der Vergangenheit nicht nur bei seinen Spitzenmodellen der P-Serie, dass aus China nicht nur dreiste Kopien von Markenware mit schlechter Verarbeitung, kitschigem Design und billig wirkenden Materialien kommen. Smartphones wie Huawei P20 Pro (Testbericht), P30 Pro (Testbericht) und P40 Pro (Testbericht) setzten nicht nur mit ihren Kameras Maßstäbe, sondern auch bei Design und Verarbeitung. Huawei hat das auch beim neuen P50 pro beibehalten: Das Smartphone wirkt vorn extrem elegant, zeigt rechts und links des Displays wegen der gebogenen Oberfläche so gut wie keinen Rand und ist dank einfacher Punch-Hole-Notch im Vergleich zum Vorgänger noch dezenter.
Die Rückseite besteht ebenfalls aus Glas und geht fast ohne spürbare Übergänge in den Metallrahmen über. Lediglich die ab Werk aufgebrachte Display-Schutzfolie für den Screen ist an den Rändern etwas scharfkantig, der Rest ist einfach nur perfekt. Dadurch liegt das Smartphone angenehm in der Hand und wirkt dabei sehr hochwertig. Passungenauigkeiten gibt es keine, nichts wackelt oder quietscht. Wer auf die Rückseite klopft, hat den Eindruck, auf einen Stein zu schlagen – solider geht es kaum. Design-technisch weicht die Rückseite deutlich vom Vorgänger ab. Das liegt einerseits an der Oberflächenbeschaffenheit, die beim Vorgänger matt gehalten war, jetzt aber stark spiegelt. Das sieht schick aus, aber leider immer nur kurz. Denn schon nach kurzem Ausprobieren des P50 Pro ist das elegante Gerät mit Fingerabdrücken übersät. Da hilft nur die Nutzung der beiliegenden Schutzhülle oder ständiges Putzen.
Alle Bilder zum Huawei P50 Pro im Test
Huawei P50 Pro
Ein weiterer Unterschied ist das Kameradesign. Huawei setzt nicht mehr wie zuvor auf ein rechteckiges Aussehen der Kameraeinheit, sondern integriert Linsen, Sensoren und LED-Blitz in zwei runde Einfassungen. Dieses Designelement findet sich auch auf dem Lieferkarton wieder. Die Kameraeinheiten sind dabei mit einem feinen Metallring eingefasst, dessen Farbe leicht ins Goldene übergeht. Das – zusammen mit dem Leica-Schriftzug und dem Herstellernamen auf der Rückseite – ist tatsächlich auch der einzige Hinweis auf die Farbgebung unseres Testgerätes: „Golden Black“. Aufdringlich ist das sicher nicht, eher schon zurückhaltend-edel. Uns gefällt das richtig gut. Wasser- und Staubschutz gemäß IP68 gibt es ebenfalls.
Display
Auf dem Papier ist das Display des P50 Pro im Vergleich zum Vorgänger minimal gewachsen, im Alltag wird die 0,02 Zoll aber niemand bemerken. Auf 6,6 Zoll tummeln sich jetzt 2700 x 1228 Pixel – das fällt noch etwas höher aus als beim P40 Pro, aber manch ein Konkurrent in dieser Preisklasse bietet hier noch mehr. Wir finden das aber nicht schlimm, mit etwa 450 ppi ist die Anzeige des P50 Pro knackscharf. So wenig wie den Größenzuwachs bemerkt man im Alltag den erweiterten Farbraum des Displays.
Satte 1,07 Milliarden Farben stellt der neue Screen dar – und zwar mit 120 statt 90 Hertz. Die Abtastrate des Touchscreens liegt bei 300 Hertz. Natürlich kommt wieder OLED als Technologie zum Einsatz, entsprechend brillant wirkt der Screen des P50 Pro. Schwarzwert, Farbsättigung und -treue, Blickwinkel – alles ist klasse. Die Helligkeit haben wir im manuellen Modus mit knapp 600 cd/m², im Automatikmodus mit 770 cd/m² gemessen – das sind hervorragende Werte, auch wenn Samsung bei seinen Spitzenmodellen noch mehr schafft. Die Ablesbarkeit ist beim P50 Pro aber auch bei direktem Sonnenlicht gewährleisten. Insgesamt ist Huawei beim Thema Display auch ohne 2K voll da.
Kamera
Bei der Kamera gibt es einige Unterschiede zum Vorgänger P40 Pro (Testbericht). Die Hauptkamera bietet 50 Megapixel und einen optischem Bildstabilisator (OIS), Laser- und Kontrast-Autofokus, Farbspektrumsensor und jetzt eine Blende von f/1.8 statt 1.9. Die Weitwinkelkamera bietet nur noch 13 Megapixel, jetzt mit f/2.2 statt 1.8. Weitere Unterschiede gibt es beim Teleobjektiv, das jetzt satte 64 statt zuvor 12 Megapixel bietet. Dafür verschlechtert sich die Blende auf dem Papier von f/3.4 auf 3.5 und statt 5-fachem Zoom gibt es nur noch 3,5-fache Vergrößerung. Die letzte Änderung betrifft die vierte Kamera: Kam zuvor noch ein Time-of-Flight-Sensor zum Einsatz, baut Huawei ins P50 Pro eine 40-Megapixel-Monochromkamera für bessere Kontraste ein.
Auf die vierte Kamera gehen wir nicht weiter ein – im Alltag bringt sie mit ihren Schwarz-Weiß-Aufnahmen für Normalnutzer keinen spürbaren Nutzen. Bei der Hauptkamera sehen wir ausreichend scharfe Aufnahmen mit kaum Bildrauschen, guter Bilddynamik und noch natürlicheren Farben als beim Vorgänger. Die Bildschärfe geht insgesamt in Ordnung, ist aber teilweise inkonsistent. So sehen einige Gegenstände fast wie ins Bild kopiert und stark vom Hintergrund abgesetzt aus, während die generelle Schärfe nicht Richtung „knackscharf“, sondern tendenziell eher gegen „natürlich“ tendiert. Insgesamt sind manche Konkurrenten schärfer, Bilder wirken dadurch klarer. Klar und knackig kann das P50 Pro aber auch: bei Teleaufnahmen. Hier begeisterte uns sowohl die optische 3,5-fache Vergrößerung als auch – und das überrascht uns – die 10-fache Vergrößerung.
Leider ist auch hier das Ergebnis wechselhaft: Meist waren wir von der Bildschärfe und der Klarheit der Aufnahmen extrem angetan. In solchen Fällen wirken diese Aufnahmen zumindest in der Vollbildbetrachtung am PC besser als die der Hauptkamera. In anderen Situationen liegt hingegen eine Art Grauschleier über den Aufnahmen, der ihnen die Brillanz nimmt. Das war vorwiegend bei schwierigen Lichtsituationen wie Blendung von vorn so. Bei Hauptkamera und Weitwinkel passiert das nicht. Außerdem sprechen wir bei den richtig guten Aufnahmen von Bildern mit viel Licht. Naturgemäß sinkt die Qualität bei Fotos in ungünstiger Beleuchtung schneller als bei der lichtempfindlicheren Hauptkamera. Der Weitwinkel macht ordentliche Aufnahmen, auch wenn an den Rändern die Schärfe teilweise überproportional abnimmt und auch die generelle Schärfe hinter der Hauptkamera zurückbleibt. Bei wenig Licht sollte man auf seine Nutzung verzichten.
Alle Bilder mit der Kamera des Huawei P50 Pro im Test
Huawei P50 Pro
Kommen wir zur ehemaligen Paradedisziplin, den Nachtaufnahmen. Hier leistet Huawei immer noch erstaunliches, aber auch hier wird die fehlende Konstanz bei Aufnahmen deutlich. Denn mal wirken Aufnahmen bei dunkler Nacht im Automatikmodus besser, mal im Nachtmodus. Generell färbt der Nachtmodus Aufnahmen mit künstlichem Licht gelblicher, dafür liefert er schärfere Ergebnisse als der Automatikmodus. Der Automatikmodus hingegen hellt insgesamt etwas weniger auf und schafft so die natürlicheren Bilder. Bei beiden Modi ist die Lichtempfindlichkeit so groß, dass sogar Sterne am Firmament mit in den Speicher gebannt werden, sofern keine überstrahlende andere Lichtquelle im Fokus steht. Dabei dauern Aufnahmen nicht wie bei älteren P-Modellen mehrere Sekunden, sondern meist nur rund eine Sekunde. Hinzu kommen allerdings weitere Sekunden für die Verarbeitung.
Die Ergebnisse sprechen für sich: Alle unsere Nachtaufnahmen sind freihändig und in stockdunkler Umgebung entstanden. Dass hier die Bildschärfe letztendlich doch nicht perfekt ist, sollte niemanden überraschen. Sobald ein Objekt hingegen angestrahlt wird, knipst das P50 Pro hervorragende, scharfe Nachtaufnahmen, kann sich aber nicht mehr so stark von der Konkurrenz absetzen wie in früheren Jahren. Dafür hat diese einfach zu stark aufgeholt.
Die Selfiecam knipst in heller Umgebung scharfe, klare Bilder. Dafür muss allerdings der Beauty-Modus ausgeschaltet sein. Videos nimmt das P50 Pro mit 4K/60 auf, 8K gibt es nicht. Schlimm finden wir das nicht, Abspieler für 8K-Inhalte gibt es ohnehin kaum. Außerdem sehen Videos in 4K/60 dank guter Stabilisierung und tollem Gesamteindruck klasse aus.
Ausstattung
Beim Huawei P50 Pro setzt der Hersteller außerhalb Chinas nicht mehr auf eigene Chips, sondern auf Qualcomms Snapdragon 888. Leider kommt hier nicht die 5G-fähige Version zum Einsatz, das P50 Pro beherrscht nur LTE. Hier liegt genau das Problem: In einem Highend-Smartphone darf 5G schlichtweg nicht fehlen, auch wenn das in Deutschland mangels flächendeckendem Ausbaus des Netzes nach wie vor keine große Rolle spielt. Da macht es auch keinen Unterschied, ob Huawei am fehlenden 5G überhaupt Schuld hat – wenigstens den Preis hätte der Anbieter ja reduzieren können. Stattdessen bleibt das Unternehmen beinahe schon trotzig bei seinem Credo: hohe Qualität für viel Geld.
An der Leistungsfähigkeit des Snapdragon 888 gibt es ansonsten nichts auszusetzen. Der Spitzenchipsatz aus 2021 erreicht locker 5800 Punkte beim Benchmark Wildlife von 3Dmark und zeigt mit 10.100 Punkten bei PCmark Work 3.0 ebenfalls gute Leistung. Die typischen Temperaturprobleme des Chips hat Huawei zudem recht gut unter Kontrolle, nach erstem Runtertakten bleibt die Leistung auf gleichbleibend hohem Niveau. Auch äußerlich bleibt das Spitzenmodell cool, spürbar wärmer wird das Gerät nur im speziellen Leistungsmodus, der zu späterem Runtertakten führt. Hier kann es bei etwas Mehrleistung unangenehm warm werden. Das gilt nur für Ausnahmesituationen wie Benchmarks und anfordernde Spiele, im Alltag behält das Gerät stets einen kühlen Kopf und wirkt im Zusammenspiel mit dem 120-Hz-Display in allen Lebenslagen souverän und flüssig bedienbar.
Überdies packt Huawei gewohnt viel Technik in sein Flagship, setzt dabei aber nicht zwingend auf Superlative wie andere Hersteller. So gibt etwa „nur“ 8 GByte RAM, gleichzeitig aber stramme 256 GByte internen Speicher in schneller UFS-3.1-Ausführung. Eine andere Speicherkonfiguration fehlt, wer noch mehr Daten speichern will, muss auf das Hersteller-eigene NM-Card-Format setzen. Damit passen weitere 256 GByte ins Handy. Die meisten Highend-Modelle der Konkurrenz bieten keine Erweiterungsmöglichkeit.
Alternativ erlaubt das Gerät die Nutzung einer zweiten Nano-SIM und verfügt auch über eine integrierte eSIM. Sonst ist alles dabei: USB-C 3.1, Wifi-6, Bluetooth 5.2, NFC und sogar ein IR-Port wie bei Xiaomi. Zudem unterstützt das Gerät die Ortungsdienste GPS (USA), Glonass (Russland), Beidou (China), Galileo (Europa), QZSS (Japan) und NavIC (Indien). Der Fingerabdrucksensor im Display arbeitet schnell und zuverlässig, die Stereo-Lautsprecher sind laut und klirren nicht, kommen aber beim Volumen nicht ganz an Spitzenmodelle von Samsung oder Apple heran.
Kommen wir zum größten Pferdefuß des Huawei P50 Pro, der Software. Dass keine Google Mobile Services (GMS) auf dem Modell funktionieren, wurde bereits erwähnt. Stattdessen setzt Huawei auf seine eigenen Gegenstücke (HMS) mit HarmonyOS und EMUI 12, die auf Android 11 basieren. Auf den ersten Blick merkt man das nicht. Die Nutzeroberfläche sieht aus wie Android, mit typischem Homescreen, den von Android bekannten Steuerungsgesten, einem Newsfeed links des Homescreens und den typischen Apps für Navigation, App-Download und Co. Diese stammeln allerdings nicht von Google: Anstelle des Google Newsfeeds setzt Huawei auf sein „Assistant Today“, statt Google Maps gibt es „Petal Maps“ und anstelle des Plays Store die „App Gallery“. Das funktioniert mittlerweile alles reibungslos, die Tücken stecken im Detail.
Da etwa nicht alle Apps in der App Gallery bereitstehen, bietet Petal Search Alternativen und Download-Links, um entsprechende Apps per Sideload verwenden zu können. Dennoch sind eben dann nicht alle Apps verfügbar, gerade manche Banking-App fehlt meist ganz für das Huawei-Modell. Außerdem ist es wenig vertrauenerweckend, wenn beim Sideload ein Haftungsausschluss bei Drittanbieter-Software aufploppt. Der ist berechtigt, schließlich werden per Sideload installierte Apps nicht automatisch mit Updates versorgt.
Auch Petal Maps ist nicht für jeden geeignet. Wer ein Auto mit Unterstützung für Android Auto hat, kann Petal Maps nicht auf dem Display des Fahrzeugs nutzen. Und ganz generell gesprochen nerven die zahlreichen Bloatware-Apps, die ab Werk im Handyspeicher schlummern und die ewige Werbung für Huawei-Dienste kratzt ebenfalls am Nervenkostüm des Nutzers. Es geht also schon ohne Google-Dienste. Die Frage ist und bleibt für Nutzer allerdings: Warum sollte ich das wollen, wenn es doch mit 99 Prozent der anderen Android-Phones ganz ohne Komplikationen klappt?
Akku
Nur 4360 mAh stehen im Datenblatt des Huawei P50 Pro, das ist vergleichsweise wenig. Dennoch schlägt sich das Smartphone mit knapp 10 Stunden bei 120 Hz im Battery Test von PCmark nicht übel. Das passt zu den Erfahrungen, die wir während des Tests gemacht haben. Wer nicht gerade Benchmarks in Dauerschleife laufen lässt oder unablässig 3D-Games zockt, kommt problemlos über den Tag und meist auch über den Zweiten. Ist der Akku dann leer, geht es mit 66 Watt vergleichsweise schnell: Etwa 45 Minuten dauert eine volle Ladung, dank kabellosem Laden mit 50 Watt klappt das wireless in nicht viel mehr Zeit. Das Ladegerät ist entgegen Apple und Samsung sogar im Lieferumfang enthalten.
Preis
Das Huawei P50 Pro gibt es nur in der Speicherkonfiguration 8/256 GByte. Wahl besteht bei der Farbe: Golden Black wie bei unserm Testgerät und Cocoa Gold gibt es hier. Die UVP liegt bei 1199 Euro.
Fazit
Tolles Display, schickes Design, grandiose Wertigkeit, ausgezeichnete Performance, überwiegend richtig gute Kamera, viel Speicher und ein Akku, der angemessen ist – das alles klingt nach einem Spitzen-Smartphone! Tatsächlich ist das Huawei P50 Pro auch spitze, aber es gibt ein paar Probleme. Da wäre der Elefant im Raum, nämlich die fehlenden Google-Services. Ja, man kann ohne sie leben und die meisten Apps aus dem Play Store bekommt man auch auf anderem Weg. Aber es ist umständlicher und theoretisch sogar weniger sicher. Manche Apps gibt es gar nicht, etwa die der Hausbank. Außerdem schafft der aufploppende Haftungsausschluss für Drittanbieter-Apps gerade bei einer Banking-App nicht gerade Vertrauen.
Hinzu kommen „Kleinigkeiten“ wie fehlendes 5G, keine 2K-Auflösung des Displays und hart gesagt weniger Weiterentwicklung bei der Kamera, als die Konkurrenz bietet. Den Sargnagel schlägt dann der unserer Meinung nach viel zu hohe Preis ein: 1200 Euro trotz der Einschränkungen? Das ist nicht stark, das ist trotzig. Vor dem Verschwinden in der Versenkung auf dem Smartphone-Markt in Deutschland hilft das sicherlich nicht.
Es ist schade, aber der typische Anwender bekommt für so viel Geld und teilweise klar weniger deutlich einfachere Alternativen, die noch dazu nicht schlechter und teilweise sogar besser sind. Dazu gehören Vorjahresmodelle wie Samsung Galaxy S21 Ultra (Testbericht), Oneplus 9 Pro (Testbericht) und das Google Pixel 6 Pro (Testbericht). Wer weniger Geld ausgeben, aber trotzdem richtig gute Smartphones will, sollte einen Blick in unsere Top 10 der besten Smartphones bis 500 Euro werfen.