Seit den US-Sanktionen gegen Huawei läuft es nicht gut für die einstige Nummer eins der Smartphones. Weder Google-Dienste noch 5G-Modems sind derzeit erlaubt im Portfolio der Chinesen. Das Unternehmen steckt dennoch den Kopf nicht in den Sand und präsentiert mit dem Nova 9 ein flaches und schickes Smartphone mit gebogenem OLED-Display und Quad-Cam. Wir haben das neue Huawei-Handy getestet und zeigen, wie gut es ist und wo es dem Honor 50 (Testbericht) ähnelt.
Design
Durch das schlanke Gehäuse und niedrige Gewicht von 175 Gramm liegt das Huawei Nova 9 gut in der Hand. Das Design ist rundum gelungen. Das Display ist stark gebogen und reicht über den Rand des Smartphones hinaus. Markant ist die Kamera auf der Rückseite mit zwei kreisförmigen Erhebungen. Im oberen Kreis befindet sich die Hauptkamera, unten sind die übrigen drei Linsen plus LED-Blitz untergebracht.
Sehr auffällig: Das Huawei Nova 9 und Honor 50 gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Das ist insofern verwunderlich, weil Honor offiziell kein Teil mehr von Huawei ist. Beide Geräte haben identische Abmessungen von 160 x 73 x 7,8 Millimeter.
Die Rückseite besteht nur aus Kunststoff, dennoch macht das Huawei Nova 9 einen hochwertigen Eindruck. Die Verarbeitung wirkt hochwertig ohne störende Spaltmaße oder wacklige Knöpfe. So schick das Smartphone auch ist, es wirkt sehr filigran. Wir empfehlen deshalb, die mitgelieferte Schutzhülle aus Silikon zu nutzen. Diese sorgt für einen besseren Halt und schützt das Handy vor kleineren Stürzen. Gegen Wasser ist das Gehäuse nur unzureichend geschützt, eine IP-Zertifizierung liegt nicht vor.
Huawei bietet das Nova 9 neben dem klassischen Schwarz unseres Testgeräts auch in der Farbe „Starry Blue“ an. Dabei handelt es sich um einen himmelblauen Farbton mit einem Verlauf zu Violett. Anders als beim schwarzen Modell verfügt dieses über eine matte Oberfläche und ein „Nova“-Logo, das an zwei sich gegenüberstehende Personen erinnert.
Display
Das OLED-Display im 20:9-Format ist stark gebogen und bietet eine Diagonale von 6,57 Zoll bei einer Auflösung von 2340 x 1080 Pixel (Full HD+). Diese sorgt für ein gestochen scharfes Bild bei einer Pixeldichte von knapp 398 ppi. Es entspricht bei den technischen Spezifikationen dem Bildschirm des Honor 50 (Testbericht) mit einer Aktualisierungsrate von 120 Hertz sowie einer Abtastrate von 300 Hertz. Mittig im unteren Bereich ist zudem ein Fingerabdrucksensor integriert. Dieser reagiert flott und zuverlässig.
Die Krümmung hinterlässt den Eindruck eines randlosen Bildschirmes, was dem Betrachter besonders viel Displayfläche zur Verfügung stellt. Bei Videos oder Spielen ist das etwas ungewohnt, da die äußersten Ränder des Bildes nur auf der gebogenen Fläche zu sehen sind, was für einen optisch verzerrten Eindruck sorgt. Dank OLED-Technologie bietet das Display ausgeprägte Kontraste mit hervorragenden Schwarzwerten. Zudem liefert die Anzeige kräftige und natürliche Farben. Alles in allem muss man sagen: Das Display ist ausgezeichnet – wie schon beim Honor 50.
Das OLED-Display verfügt über eine mehr als ordentliche Helligkeit. Im manuellen Modus erreichen wir maximal 480 cd/m². Bei direkter Sonneneinstrahlung und automatischer Helligkeit schafft der Bildschirm etwa 660 cd/m². Das ist etwas weniger hell als beim Honor 50, was auf die Software zurückzuführen sein könnte. Im Endergebnis bietet das Huawei Nova 9 eine sehr ordentliche Ablesbarkeit im Freien selbst bei Sonnenschein. Dann stört nur das nahezu allen Smartphones anhaftende Spiegeln.
Huawei Nova 9
Huawei Nova 9 im Test bei TechStage
Kamera
Beim Huawei Nova 9 kommen vier Linsen zum Einsatz. Die Hauptlinse nutzt 50 Megapixel mit f/1.9-Blende – anders als das Honor 50 (Testbericht) mit 108 Megapixel. Diese fasst jeweils 4 Pixel zu einem zusammen, sodass die Bilder etwa 12,5 Megapixeln entsprechen. Damit gelingen bei Tageslicht mehr als ordentliche Aufnahmen mit ausgeprägten Details und naturgetreuer Farbgebung. Was die Bilddetails angeht, kann die Kamera nicht ganz mit dem Honor 50 mithalten. Der Zoom erfolgt digital und liefert bescheidene Ergebnisse. Mehr als zweifache Vergrößerung führt nur zu Pixelbrei und Bildrauschen.
Die Ultraweitwinkellinse setzt eine f/2.2-Blende ein und schafft 8 Megapixel. Verglichen mit der Hauptkamera lassen die Bilddetails zu stark nach. Zudem weicht die Farbgebung stark von den Aufnahmen der Hauptkamera ab. Allerdings fällt hier die Ultraweitwinkellinse nicht ganz so drastisch zurück wie beim Honor 50. Einen Tiefensensor und eine Makrolinse mit jeweils 2 Megapixel komplettieren die Ausstattung der Objektive. Speziell die Makrolinse hätte man sich sparen können. Die Aufnahmen überzeugen aufgrund der niedrigen Megapixel-Zahl nicht sonderlich. Die Wahl des Bildformats erlaubt kein 16:9. Standardmäßig sind nur 4:3, quadratische Aufnahmen sowie Fotos im Breitbildformat 20:9 möglich.
Die Selfie-Kamera bietet 32 Megapixel und macht scharfe und naturgetreue Aufnahmen. Der Porträtmodus nutzt entweder einen Bokeh-Effekt oder einen Weichzeichner. Bei Videoaufnahmen weiß das Nova 9 mit 4K-Aufnahmen bei 30 fps oder Full HD bei 60 fps zu überzeugen. Auch ohne optischen Bildstabilisator halten sich Wackler bei den Videos in Grenzen. Der elektronische Bildstabilisator macht einen guten Job. Genau wie das Honor 50 erlaubt das Huawei Nova 9 im „Vlogger“-Modus kombinierte Bewegtbilder mehrerer Linsen. Das kann etwa eine gleichzeitige Aufnahme der Front- und Hauptkamera oder der Ultraweitwinkellinse sein.
Originalaufnahmen des Huawei Nova 9
Mit dem Huawei Nova 9 geschossene Fotos.
Ausstattung
Bei der Ausstattung zeigt sich ein kleiner Unterschied im Vergleich zum Honor 50 (Testbericht). Als Prozessor kommt mit dem Snapdragon 778G 4G eine leicht „abgespeckte“ Variante zum Einsatz, ein 5G-Modem fehlt. Das hängt mit dem US-Bann gegen Huawei zusammen, der amerikanischen Unternehmen bei 5G die direkte Zusammenarbeit mit den Chinesen untersagt.
Ansonsten kommen bei der Octa-Core-CPU jeweils vier Cortex-A78 und Cortex-A55 zum Einsatz. Verglichen mit dem Honor 50 lässt das Nova 9 dennoch ein wenig Federn bei der Performance. Bei PCmark Work 3.0 konnten wir durchschnittlich 9700 Punkte messen. Das liegt über 2000 Punkte hinter dem „ungleichen Zwilling“ der einstigen Konzernschwester. Die Leistung ist dennoch gut und etwa vergleichbar mit dem Realme 8 (Testbericht). Das Betriebssystem sowie Apps laufen flüssig und ohne Ruckler. Einen großen Beitrag dürften die 8 GByte RAM leisten – beim Honor 50 sind es bei der günstigen Ausführung nur 6 GByte.
Der interne Speicher fällt mit 128 GByte für die Preisklasse nicht übermäßig groß aus. Zumal eine Erweiterung über eine Micro-SD-Karte nicht möglich ist. Der USB-C-Anschluss unterstützt nur den langsameren Datenübertragungsstandard USB 2.0. Immerhin bietet das Nova 9 Wifi-6 und Bluetooth 5.2 sowie NFC. Eine Klinke für Kopfhörer gibt es nicht. Der Monolautsprecher geht für Spiele oder kurze Videoclips in Ordnung, bietet aber keinen herausragenden Klang für Musik.
Als Betriebssystem läuft eine von Huawei stark angepasste Variante von Android 11 mit der neuen Benutzeroberfläche EMUI 12. Leider kommt hier kein Harmony OS zum Einsatz. Das finden wir schade, denn auf dem Huawei MatePad 11 (Testbericht) machte es einen guten Eindruck. Das wäre eine Chance gewesen, sich auch in Europa stärker von den andern Anbietern abzugrenzen. Immerhin ist der Sicherheitspatch noch halbwegs aktuell und stammt aus dem September.
Google-Dienste sind für Huawei leider weiterhin tabu. Zwar arbeiten die Chinesen daran, das Angebot der Huawei Appgallery kontinuierlich zu erweitern, aber an den Google Play Store kommt das lange nicht heran. Zumal beliebte US-Apps wie Netflix, YouTube oder Facebook fehlen. Es gibt europäische Streaming-Dienste wie Sky Ticket oder Joyn und beliebte Spiele wie Angry Birds oder Asphalt 9. Banking-Apps sind hingegen abseits der Sparda- und Targobank Mangelware.
Huawei ermuntern Nutzer auf Sideloading zurückzugreifen. Die Suchmaschine der Appgallery sucht das Netz auch nach externen Quellen für APK-Dateien ab. Die Installation dieser erfolgt dann aber auf eigenes Risiko und automatische Updates gibt es ebenfalls nicht. US-Dienste wie Netflix funktionieren trotzdem nicht.
Akku
Der Akku bietet eine Kapazität von 4300 mAh. Damit fällt er etwas kleiner aus als bei den meisten Konkurrenten. Die Vermutung liegt nahe, dass das dünne Gehäuse nicht genügend Platz für einen stärkeren Akku bietet.
Beim Battery Test von PCmark hielt das Nova 9 bei einer mittleren Helligkeit von etwa 200 cd/m² rund 10 Stunden durch, bevor der Akkustand unter 20 Prozent gerutscht ist. Das ist sogar etwas länger als beim Modell von Honor und liegt in der unteren Hälfte der aktuellen Smartphones aus unseren Tests. Einen ganzen Tag bei nicht übermäßiger Nutzung sollte das Gerät trotzdem durchhalten.
Falls der Akku doch nicht so lange hält wie gewünscht: Das Netzteil bietet ordentlich Dampf mit 66 Watt. Damit ist das Handy in weniger als einer Stunde vollständig aufgeladen. Induktives, kabelloses Laden über Qi ist nicht möglich.
Preis
Das Honor Nova 9 gibt es derzeit hierzulande nur mit 8/128 GByte in den beiden Farben Schwarz („Black“) sowie Sternenblau („Starry Blue“). Die UVP beträgt 499 Euro – also den gleichen Preis, wie für das Honor 50. Die günstigsten Straßenpreise sind etwas niedriger angesiedelt und liegen bei etwa 450 Euro. Das wäre ein Preisvorteil von knapp 10 Prozent gegenüber dem „Stiefbruder“ von Honor.
Fazit
Das Huawei Nova 9 zeigt, dass die Chinesen es nicht verlernt haben, gute Smartphones zu designen. Verarbeitung und Optik hinterlassen einen guten Eindruck. Wirklich klasse ist das Curved-Display mit OLED-Technologie. Die Haupt- und Selfie-Kamera machen einen ordentlichen Job. Alles in allem ist das Modell ein gutes Smartphone.
Dennoch ist das Nova 9 eher was für eingefleischte Huawei-Fans, die keinen Wert auf Google-Dienste legen. Im Alltag sind die Einschränkungen beim App-Angebot viel zu deutlich zu spüren. Das Fehlen von 5G ist in dieser Preisklasse ebenfalls ein Rückschritt. Angesichts dieser Nachteile ist der Preis klar zu hoch angesetzt.
Wer sich dennoch in das Nova 9 verguckt hat, kann über die Anschaffung des fast identischen Honor 50 (Testbericht) nachdenken. Hier sind Google-Dienste und 5G mit an Bord. Ähnliche Qualitäten für etwas weniger Geld bietet das Motorola Edge 20 (Testbericht). Wesentlich mehr Power und ebenfalls ein tolles Display hat in dieser Preisklasse das Realme GT (Testbericht). Weitere günstige Alternativen zeigen wir in unserer Top 10: Die besten Smartphones 2021 bis 400 Euro.