Das chinesische Unternehmen Edifier hat sich hierzulande vor allem über Lautsprecher einen Namen gemacht. In aller Regel stimmen nicht nur die Qualität und der Sound, sondern auch der Preis – so etwa bei den Edifier G200 Gaming-Lautsprechern (Testbericht).
Nun werfen wir aber einen prüfenden Blick auf den Bluetooth-Kopfhörer Stax Spirit S3, der das Wissen und die Technologie von gleich drei Klangexperten in sich birgt. Neben Edifier selbst ist nämlich auch Hersteller Stax an Bord, der unter anderem elektrostatische (und sündhaft teure) Kopfhörer baut und jüngst von Edifier übernommen wurde. Dritter im Bunde ist der Kopfhörer-Spezialist Audeze, der mit lizenzierter Technologie zur Verfeinerung des Klangbilds beiträgt.
Die große Besonderheit des Stax Spirit S3 ist der magnetostatische Treiber, der einem in dieser Preisklasse üblicherweise verwendeten dynamischen Treiber überlegen ist. Vereinfacht gesagt, gibt es beim neuesten Over-Ear-Flaggschiff von Edifier für etwa 300 Euro Sound-Technologie aufs Ohr, die gerne mal 1000 Euro und mehr kosten kann. Klingt nach einem richtig guten Deal. Beim Blick auf andere wichtige Kriterien gleicht sich dieser Vorsprung allerdings schnell wieder aus – zum Beispiel durch fehlendes ANC. Wer dagegen einen Over-Ear mit ANC will, sollte einen Blick in unsere Bestenliste: Die 10 besten Over-Ear-Kopfhörer mit ANC werfen.
Design und Tragekomfort
Optisch zeigt sich der Edifier Stax Spirit S3 in einem sehr puristischen und unauffälligen Gewand: alles schwarz, bis auf ein paar Logo- und Schrift-Details in goldgelb. Sehr viel Plastik, ausgenommen von einigen Elementen, wie die Ohrpolster aus echtem Lammleder. Kurz gesagt: Dem Kopfhörer sieht man seinen hohen Preis nicht an.
Die Verarbeitung ist dafür einwandfrei. Beim Tragekomfort kommt schließlich das erste „Oha!“ aus unserem Mund. Selbst nach stundenlangem Tragen ist kein unangenehmer Druck auf den Ohren oder dem Kopf zu bemerken. Alles fühlt sich einfach nur gut an. Mit rund 330 Gramm Gewicht sitzen die Over-Ears zudem recht sicher und der Bügel rutscht beim Vorlehnen nicht nach vorn weg. Praktisch: Die – recht klotzigen – Ohrmuscheln lassen sich für den Transport eindrehen und in den Bügel einklappen.
Ausstattung und Bedienung
Entsprechend kompakt fällt die mitgelieferte Tragetasche in karierter Stoff-Optik aus. Hier lässt sich auch das Zubehör verstauen, bestehend aus einem USB-C auf USB-A-Ladekabel, einem 6,35-mm-Adapter sowie einem 3,5-mm-Klinkenkabel, das beispielsweise zum Anschluss an einen Xbox- und PlayStation-Controller genutzt werden kann. Ein kleines Highlight sind zwei zusätzliche Ohrpolster mit kühlendem Mesh-Stoffbezug als Alternative zur Leder-Variante, die schwitzanfälliger wirkt.
Die erste Inbetriebnahme und Kopplung klappt einwandfrei. Die App ist schnell installiert und eingerichtet, ihr Funktionsumfang lässt sich aber auf nur vier Kernfeatures reduzieren: Neben dem Ein- und Ausschalten des Game-Modes (für eine geringere Latenz) kann angegeben werden, ob die Leder- oder Ohrpolster aufgesteckt sind, um das Klangprofil entsprechend anzupassen. Dazu gibt es drei Klang-Presets (Classic, HiFi und Stax), zwischen denen gewechselt werden kann, aber keinen Equalizier, um den Sound nach eigenen Wünschen anzupassen. Ein echtes Manko!
Edifier Stax Spirit S3 Bilder
In den Optionen lässt sich schließlich noch die Funktion der Multifunktionstaste an der rechten Ohrmuschel bestimmen. Die Bedienung über die drei Tasten gelingt gut und intuitiv. Auf eine Touch-Steuerung hat Edifier verzichtet.
Technik und Akkuleistung
Der eingangs erwähnte Planar-Magnetic-Treiber ist das Aushängeschild des Stax Spirit S3. Dazu gesellen sich Bluetooth 5.2 und mit Qualcomms Snapdragon Sound (QSS) ein rundes aptX Codec-Paket (aptX, aptX HD und aptX Adaptive). AAC wird hingegen nicht unterstützt, wodurch iOS-Nutzer bezüglich Hi-Res-Audio im Grunde komplett ausgegrenzt werden und sich allein mit dem veralteten SBC-Codec begnügen müssen, der die Stärken des Kopfhörers nicht ausspielt.
Ein weiteres K.-o.-Kriterium dürfte für viele die fehlende ANC-Technik sein, die sich bei Bluetooth-Kopfhörern der Oberklasse schon zum Must-have-Feature etabliert hat. Unterwegs in lauter Umgebung oder im Flieger muss also allein die passive Abschirmung über die Ohrmuscheln ausreichen, die aber nicht wirklich effektiv ist.
Edifier Stax Spirit S3 Screenshots
Ganz anders schaut es bei der Akkuleistung aus: Mit fantastischen 80 Stunden dürfen sich die Stax Spirit S3 ungeniert zu den Marathon-Läufern unter den Bluetooth-Kopfhörern zählen. Möglich macht das eine 1500 mAh starke Batterie und besonders energieeffiziente Technik. Zum Vergleich: Die Sennheiser Momentum 4 Wireless (Testbericht) fallen mit 60 Stunden Spielzeit bereits aus der Masse heraus, liefern zu diesem Wert allerdings auch zusätzliche Features, wie ANC oder einen Aware-Modus, die der Stax Spirit S3 nicht bietet.
Die günstigsten BT-Over-Ears mit ANC, AptX und AAC im Preisvergleich:
Klangqualität
In der Königsdisziplin kann Edifier voll auftrumpfen, sofern alles passt. Paart sich hochauflösende Musik mit dem aptX-Codec, zählen die Stax Spirit S3 klanglich zum Besten, das wir bislang im Bereich kabellose Over-Ears ohne ANC auf den Ohren hatten. Insbesondere bei klassischer Musik und Live-Aufnahmen lassen die planar-magnetischen Treiber ihre Muskeln spielen.
Auf iOS-Geräten kehrt sich das Ganze dann durch den fehlenden AAC-Codec erwartungsgemäß in die andere Richtung um. Besonders ärgerlich ist auch der Umstand, dass nur drei vordefinierte Klangmodi angeboten werden und kein Equalizer zur Verfügung steht, über den sich das Klangbild personalisieren lässt. Auch das ist eigentlich ein Must-have in dieser Preisklasse – und fühlt sich gerade bei diesem Kopfhörer, der so sehr auf guten Sound setzt, wie eine Art Fesselung an.
Die Tonqualität und Verständlichkeit beim Telefonieren geht für beide Seiten in Ordnung, sofern man sich nicht in lauter Umgebung befindet. Bei Filmen und Spielen zeigt sich keine wahrnehmbare Latenz – auch dank des zuschaltbaren Game-Modes.
Preis
Die Preisempfehlung von Edifier für den Stax Spirit S3 liegt bei stolzen 379,95 Euro. Zum Testzeitpunkt scheint sich der Straßenpreis auf etwa 300 Euro eingependelt zu haben.
Fazit
Edifier verfolgt beim Stax Spirit S3 die Idee eines kompakten Bluetooth-Kopfhörers, der die klangtechnische Qualitätsbrücke zwischen (günstigen) dynamischen und (teuren) elektrostatischen Modellen schlägt und dabei verhältnismäßig erschwinglich bleibt. Ein magnetostatischer Kopfhörer zu diesem Preis ist etwas Besonderes – und klingt unter idealen Bedingungen auch so. Allerdings wurde für diesen Kniff bei einigen wichtigen Oberklasse-Features der Rotstift angesetzt.
Am bittersten dürfte für viele der Verzicht auf einen ANC-Modus sein, der sich unterwegs dann doch häufig als sehr nützlich erweist. iOS-Nutzer bleiben wegen des fehlenden AAC ohnehin vom High-Res-Klang ausgeschlossen. Die Apple AirPods Max (Testbericht) sind hier klar die bessere Wahl.
Bei der Gelegenheit lohnt sich ein Blick in unsere Bestenliste: Die 10 besten Over-Ear-Kopfhörer mit ANC – die alle auch gut klingen. Für alle, die die Klangqualität an oberste Stelle setzen und auf die fehlenden Features verzichten können, sind die Edifier Stax Spirit S3 definitiv eine Empfehlung wert.