Beim Gigaset GS5 Lite ist das aktuell günstigste Gerät im Portfolio des Herstellers aus Bocholt und stellt eine abgespeckte Variante des Gigaset GS5 (Testbericht) dar. Ein Smartphone „Made in Germany“ also – Gigaset schreibt sich diesen Spruch seit Jahren auf die Fahne. Auch das GS5 Lite wird tatsächlich im Werk in Bocholt in Deutschland zusammengebaut. Das trifft sonst auf faktisch keinen anderen Hersteller für Smartphones zu. Die elektronischen Bauteile stammen weiterhin aus Asien.
Der Hersteller verspricht bei diesem Gerät so einiges: Ausdauer, Funktionalität und Kamera-Power „Made in Germany“. Für den Preis von 249 Euro erfüllt der Hersteller diese Versprechen nur bedingt – verbaut wird teilweise über zwei Jahre alte Hardware, obendrauf kommen verschiedene kuriose Entscheidungen, die Gigaset bei der Entwicklung des GS5 Lite und der eingesetzten Software getroffen hat. Wo das Gerät dennoch punkten kann, offenbart unser Testbericht.
Weitere Geräte, die nicht aus China stammen, zeigen wir im Ratgeber Gigaset, Samsung & Sony: Smartphones, die nicht aus China stammen. Robuste Handys präsentieren wir in der Top 10: Die besten Outdoor-Handys. Weitere Geräte in der Preisklasse des GS5 Lite zeigen wir in der Top 10: Die besten Smartphones bis 150 Euro. Alternativen mit OLED und mehr Leistung finden sich in der Top 10: Smartphones bis 300 Euro.
Design
Dem Gigaset GS5 Lite sieht man seine Herkunft ziemlich gut an. Das Smartphone weckt einen schlichten Anschein, experimentiert nicht mit ausgefallenen Mustern auf der Rückseite oder einem Kamerablock, der die halbe Smartphone-Grundfläche einnimmt. Manche Designer von asiatischen Firmen wie Xiaomi, Realme oder Oneplus wären von der Prägnanz, die dieses Smartphone-Design an den Tag legt, womöglich überrumpelt.
Dennoch halten wir das Design für außergewöhnlich. Das ist allerdings nicht nur positiv gemeint. Es liegt an der Formgebung, für die sich der deutsche Hersteller bei diesem Modell entschieden hat. Die Fläche der Frontseite des Smartphones ist kleiner als die Fläche der Rückseite. Von der Seite betrachtet sind die Kanten nicht parallel zueinander, sondern laufen aufeinander zu – das Gerät hat die Form eines Pyramidenstumpfs. Auf der zweidimensionalen Ebene sieht man, von der Seite betrachtet, einen Trapez. Die dickste Stelle des Smartphones ist die Rückseite. Wir haben eine solche Form noch bei keinem Smartphone zuvor gesehen. Es gibt ein paar gute Gründe, warum sich andere Hersteller bei beinahe allen Smartphones für eine Quaderform entscheiden.
Das Gerät liegt nicht angenehm in der Hand. Durch die Dicke von 10,7 mm wirkt es außerordentlich klobig, schwer ist es mit über 200 g ebenfalls. Die ungewöhnliche Formgebung verstärkt diesen Effekt immens. Beim längeren Halten des Geräts in der Hand bohrt sich die Rückseite etwas in die Hand und fühlt sich haptisch insgesamt nicht ansprechend an. Dabei ist das Smartphone mit einer Größe von 157,7 mm x 74,8 mm nicht einmal außerordentlich groß. Hätte sich Gigaset an dieser Stelle für eine gewöhnliche Gehäuseform entschieden, könnte die ganze Sache ganz anders aussehen.
Abgesehen von diesem Fakt macht sich das Gerät in diesem Bereich ähnlich, wie viele andere Geräte: Die Rückseite ist angenehm texturiert, auch der Power-Knopf auf der rechten Seite ist leicht geriffelt. Das Smartphone liegt auf dem Tisch ohne zu wackeln, da die Kameras flach mit der Rückseite abschließen. An der Unterseite befinden sich die Anschlüsse (USB-C und ein Kopfhöreranschluss mit 3,5 mm) sowie der Lautsprecher.
Der Fingerabdrucksensor auf der Rückseite ist mit einem stylischen Metallring akzentuiert. Noch eine Besonderheit: Die Rückseite aus Kunststoff entfernt man mithilfe eines Daumennagels. Für das Wechseln des austauschbaren Akkus benötigt man höchstens zehn Sekunden – das ist sehr verbraucherfreundlich und definitiv lobenswert. Diese Fähigkeit ist heute nur noch bei den wenigsten Smartphones vorhanden. Auch das Einsetzen der SIM-Karten und einer SD-Karte erfolgt, sobald der Plastikdeckel demontiert ist.
Display
Beim Display können wir leider keine Loblieder singen. Es handelt sich hierbei um ein einfaches IPS-Panel – kein OLED. Das Display misst 6,3 Zoll in der Diagonale und löst mit 2340 × 1080 Pixeln (Full-HD+) auf. Bei der Auflösung können wir nicht meckern – auf die Displaygröße heruntergerechnet ergibt das eine Pixeldichte von 410 ppi. Damit ist die Anzeige immer ausreichend scharf, ohne dem Auge Pixel zu offenbaren. Das ist in dieser Preisklasse allerdings üblich.
Nicht mehr dem Preis entsprechend ist hingegen, dass hier ein LC-Display mit IPS-Panel zum Einsatz kommt. Dieses kann im Vergleich zu OLED nicht bei Kontrasten und Schwarzwerten mithalten. OLED-Panels sind hier deutlich besser, weil jeder Pixel einzeln abgeschaltet werden kann. So können perfekte Schwarzwerte angezeigt werden, die Farben sind oftmals kräftiger als bei IPS-Panels. Andere Hersteller machen das bei ähnlich bepreisten Smartphones deutlich besser: Bereits beim Xiaomi Redmi Note 10 Pro aus dem Jahr 2021 kam ein deutlich besseres OLED-Display zum Einsatz. Das Redmi Note 11 (Testbericht) kostet trotz OLED sogar weniger als 170 Euro.
Gigaset GS5 Lite - Bilderstrecke
Auch schade ist, dass das Display mit einer Bildwiederholrate von nur 60 Hertz kommt. Zwar sind höhere Taktraten noch keine Selbstverständlichkeit in dieser Preisklasse, aber Geräte mit 90 Hz finden sich immer häufiger. Beim Redmi Note 10 Pro etwa kommt nicht nur ein OLED-Panel zum Einsatz, der Bildschirm flimmert zudem mit 120 Hertz. Eine höhere Bildwiederholrate führt dazu, dass angezeigte Inhalte und Bewegungen weitaus flüssiger erscheinen. Davon können Nutzer des GS5 Lite nicht profitieren.
Mit gemessenen 370 cd/m² Helligkeit ist das Display des Smartphones aus deutscher Produktion zu dunkel, um im Freien bei Sonnenschein wirklich ablesbar zu sein. Etwas negativ aufgefallen ist uns zudem die Waterdrop-Notch, die zum Rand des Geräts sehr ausufernd geformt ist. Die Displayränder sind zwar an den Seiten dünn, oben und unten aber asymmetrisch und besonders unten etwas zu dick. Viele andere Hersteller machen das für denselben Preis besser.
Kamera
Einen halben Pluspunkt geben wir dem Gigaset GS5 Lite für die verbauten Kameras. Die Hauptkamera löst mit 48 Megapixel auf, dazu kommt eine 8 Megapixel starke Ultraweitwinkellinse. Beide Linsen schießen bei Tageslicht Fotos, die für den Preis ganz in Ordnung gehen. Bei viel Umgebungslicht gelingen die Aufnahmen meist. Hier sind die Farben ganz in Ordnung, der Dynamikumfang ist jedoch recht niedrig. Die Ultraweitwinkelkamera verzerrt die Farben und die Kanten allerdings nur leicht. Videos können trotz der hohen Auflösung der Hauptkamera leider nur höchstens mit Full-HD und 30 Bildern pro Sekunde aufgenommen werden – schade.
Enttäuschend ist das Ergebnis wenig Licht. Es gibt zwar einen dedizierten Nachtmodus, und es wird damit auch merklich mehr Licht aufgefangen. Das Problem ist, dass die von Nachtaufnahmen bei billigen Kameras bekannte Farbverzerrung und das Bildrauschen bleibt – selbst, wenn mehr Licht in die Linse kommt. Das Ergebnis sind Aufnahmen, die zwar heller sind als beim normalen Modus, aber trotzdem verrauscht sind und farblich nicht ganz passen. Geschätzte 80 Prozent der Aufnahmen bei wenig Licht sind kaum brauchbar. Die Frontkamera löst mit 8 Megapixel auf. Auch hier gilt wieder: Bei guten Lichtverhältnissen sind die Fotos okay, bei weniger Licht wird es schnell dramatisch.
Gigaset GS5 Lite - Originalaufnahmen
Ausstattung
Als Antrieb im Gigaset GS5 Lite kommt der MediaTek-Prozessor Helio G85 zum Einsatz. Chips von MediaTek in Kombination mit der Produktbezeichnung „Helio“ sind gerngesehene Chips bei günstigen Mittelklasse-Smartphones. Hier kommt jedoch ein Prozessor von Anfang 2020 zum Einsatz. Der Chip wird noch im 12-nm-Verfahren hergestellt und ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das spiegelt sich in der Leistung wider, die beim GS5 Lite gerade noch akzeptabel ist.
Apps öffnen sich meist relativ flott und für viele Alltagsaufgaben reicht der im Gerät verbaute Prozessor aus. Bei der Nutzung zeigen sich jedoch durchgehend seine Schwächen: Nutzer müssen sich an leichte Ruckler und Denkpausen gewöhnen. Aufwendigere Aufgaben wie 3D-Spiele machen mit der verbauten Hardware wenig Spaß. Begleitet wird der Prozessor von 4 Gigabyte Arbeitsspeicher. Im Alltag macht sich das hauptsächlich dadurch bemerkbar, dass Apps im Hintergrund schnell geschlossen werden und zum erneuten Öffnen einige Zeit benötigen.
In Benchmarks zeigt sich das Gerät eher als Teil der oberen Unterklasse, denn der unteren Mittelklasse: Bei PCmark erreichte unser Testgerät rund 8000 Punkte. Bei „Wild Life“ (3Dmark) waren es 750 Punkte, dieser Test ist speziell auf die GPU-Leistung ausgelegt. Das ist insgesamt mäßig. Erneut gilt: Die Konkurrenz verbaut in Smartphones zum Preis von 250 bis 300 Euro schnellere Chips wie den Mediatek Helio G99, Dimensity 800 oder 900 sowie Qualcomm Snapdragon 695.
An internem Speicher bietet Gigaset maximal 64 Gigabyte an. Das ist recht wenig – bei anderen Herstellern haben sich 128 Gigabyte mittlerweile als Standard etabliert. Zwar wird Bluetooth 5.0 und NFC unterstützt, 5G gehört aber nicht zur Ausstattung. In heimischen Netzwerken müssen sich Kunden mit Wifi 5 zufriedengeben. Die eingebauten Lautsprecher sind okay, aber nichts Herausragendes. Die Telefonqualität beim Telefonieren war hingegen durchweg stabil und zufriedenstellend – auf beiden Seiten. Der Fingerabdrucksensor auf der Rückseite entsperrt das Smartphone aber etwas langsam.
Software und Updates
Installiert ist ab Werk Android 12, aber nicht im Stockzustand, sondern mit einer nicht immer konsistenten Bedienoberfläche. Beim Betrachten der Menüs sieht sie aus wie ein Mix aus Stock Android 12 und eigener Varianten, die an MIUI von Xiaomi erinnern. Beispiel: Der Sperrbildschirm, die Lautstärkeanzeige und der PIN-Eingabe-Bereich sind ganz klar von Android 12 übernommen. Das Menü für Benachrichtigungen nutzt das Design, das auch bei Pixel-Geräten vor einem Jahr zu sehen war. Die Schnelleinstellungen aber passen gar nicht dazu und sehen vielmehr aus wie die von MIUI. Auch die Einstellungen und App-Icons erinnern an MIUI, besonders die Seite „Über das Telefon“.
Dieses wilde Durcheinander aus eigenwilligem Design und Stock-Android lässt vermuten, dass Gigaset nicht allzu viel Aufwand in die Entwicklung der eigenen Benutzeroberflächen gesteckt hat. Außerdem finden sich im ganzen Betriebssystem immer wieder kleine Mankos. Für die Zurück-Geste muss der Finger außergewöhnlich weit in die Bildschirmmitte bewegt werden. Die Leiste für Benachrichtigungen ist asymmetrisch: Der Abstand von der linken Bildschirmecke zur Uhrzeit ist weitaus geringer als der Abstand von der rechten Bildschirmecke zum Batterie-Symbol. Menschen, die darauf nicht so viel Wert legen, stört das vermutlich nicht.
Der Sicherheitspatch stammt zum Testzeitpunkt noch aus dem November 2022 und ist damit nicht aktuell genug. Geplant ist eigentlich eine quartalsweise Versorgung mit Sicherheitspatches bis Ende 2025. Ob Käufer auch Android 13 bekommen, ist derzeit unklar.
Akku
Im Gigaset GS5 Lite ist ein relativ großer Akku mit einer Kapazität von 4500 Milliamperestunden verbaut. Der Akku ist wechselbar. Das ist ein großer Vorteil, sollte der Akku nach mehreren Jahren zu stark an Kapazität verlieren, kann man ihn einfach austauschen.
Die Akkulaufzeit ist nur Mittelmaß. Laut Battery Test von PCmark erreichten wir bei einer Helligkeit von 200 cd/m² im simulierten Dauerbetrieb eine Laufzeit von knapp 9,25 Stunden. Anders als das Gigaset GS5 (Testbericht) beherrscht die Lite-Version kein kabelloses Laden über Induktion. Die Ladezeit von 0 auf 100 Prozent beträgt beim Gerät rund zwei Stunden, aufgeladen wird mit 18 Watt – andere Geräte können es im selben Preisbereich dank höherer Ladeleistung in der Regel deutlich schneller. Ein Netzteil ist nicht dabei, es liegt nur ein USB-A auf USB-C-Kabel bei.
Preis
Das Gigaset GS5 Lite hat eine UVP von 249 Euro. Im Preisvergleich zeigt sich, dass das Smartphone bereits ab 219 Euro erhältlich ist. Das Gerät ist in Schwarz und Weiß jeweils mit der Speicherkonfiguration 4/64 GByte verfügbar.
Fazit
Es gibt zugegebenermaßen einige wenige Punkte, mit denen das Gigaset GS5 Lite aus der Masse herausstechen kann. Das ist nicht zuletzt der wechselbare Akku oder der Kopfhöreranschluss – beide Features sind bei modernen Smartphones nahezu verschwunden. Der Rest des Geräts ist aber eher mittelmäßig. Das Smartphone bietet sich insbesondere für alle an, die den Produktionsstandort Deutschland stärken wollen.
Die Performance ist wegen nicht mehr aktuellen Chips eher mäßig. Die Form ist ungewohnt und unbequem, das Display zu dunkel, das Preis-Leistungs-Verhältnis insgesamt nicht überragend. Wie negativ man die negativen Aspekte erlebt, hängt gänzlich von den persönlichen Anforderungen ab. Dafür ist es ein echtes Produkt „Made in Germany“.
Das Gigaset GS5 (Testbericht) bietet gegenüber der Lite-Variante kabelloses Laden, eine bessere Frontkamera und 128 GByte internen Speicher für einen Preis ab 260 Euro. Display und CPU sind aber ähnlich mau. Wer Gigaset unbedingt treu bleiben will, sollte sich das Outdoor-Handy Gigaset GX6 (Testbericht) ansehen. Das kostet allerdings schon doppelt so viel.
Wer fürs gleiche Geld mehr Technik wünscht, kommt nicht am China-Handy vorbei. Deutlich mehr bietet das Xiaomi Poco X4 Pro (Testbericht) mit 108-Megapixel-Kamera und 120Hz-OLED-Display. Ähnliches gilt für das Redmi Note 11 Pro+ 5G (Testbericht) zu mit besonders rasanter Ladefunktion.
Weitere starke Alternativen zeigen wir in der Top 10: Smartphones bis 300 Euro – sechs kommen von Xiaomi. Preiswertere Handys mit guter Ausstattung finden sich in der Top 10: Die besten Smartphones bis 200 Euro mit OLED, 120 Hz & viel Speicher. Wer auf Smartphones setzen möchte, die nicht im Reich der Mitte hergestellt werden, sollte einen Blick auf diesen Ratgeber werfen: Samsung, Sony, Gigaset & Co. – Smartphones, die nicht aus China kommen.