Das faltbare Display sollte eigentlich das „next big thing“ sein, schließlich erlaubt es bei Smartphones neue Formfaktoren. So können Geräte zusammengeklappt kleiner als ein herkömmliches Smartphone sein und aufgeklappt genauso groß – Beispiel dafür ist etwa das Samsung Galaxy Z Flip 4 (Testbericht). An dieser Idee probierte sich auch Motorola schon und brachte das Motorola RAZR (Testbericht) auf den Markt. Das Gerät ritt geschickt auf der Nostalgiewelle, konnte aber nicht in allen Punkten überzeugen. Der Nachfolger, das Motorola RAZR 2022, will das besser machen und Samsungs Flip-Foldable in Bedrängnis bringen. Ob das klappt, verrät unser Test.
Design
Beim neuen RAZR macht Motorola einiges anders. So setzt der Hersteller nun auf ein deutlich breiteres Display und verzichtet auf das breite „Kinn“ unterhalb des faltbaren Screens. Das sorgt für ein Display-Format, das deutlich näher an ein herkömmliches Smartphone in Barrenform kommt, macht aber auch das Gehäuse breiter und somit unhandlicher. Im Alltag sinnvoller ist zudem das große Außendisplay. Im Vergleich zum Samsung-Konkurrenten haben Nutzer hier deutlich mehr davon und müssen das Foldable weniger häufig aufklappen.
An der Verarbeitung gibt es nichts zu mäkeln. Der Metallrahmen des RAZR 2022 wirkt hochwertig und ist passgenau, die Rückseite trotz Kunststoff nicht billig – solange man nicht draufklopft. Dann klingt sie etwas zu hohl für ein Smartphone, das mehrt als 1000 Euro kostet. Davon abgesehen zeigt sie ein leichtes Glitzern, das ausreichend dezent, aber interessanter als eine rein schwarze Rückseite ist. Fingerabdrücke sind auf ihr kaum zu sehen.
Beim Aufklappen gibt es einen leichten Wermutstropfen: Das klingt deutlich weniger solide als bei Samsung. In den jeweiligen Endpositionen – also vollständig zusammen- und aufgeklappt – wackelt hier nichts, während des eigentlichen Klappvorgangs weisen die beiden Smartphone-Hälften allerdings leichtes Spiel auf, was man beim Öffnen und Schließen tatsächlich hören kann. Hinzu kommt beim Aufklappen und „Einrasten“ in die Endposition ein leises Klappern des optischen Bildstabilisators der Kamera – das wirkt einfach nicht so hochwertig, wie ein Smartphone bei einer UVP von knapp 1200 Euro sein sollte.
Haltbar erscheint der Klappmechanismus dennoch. An anderer Stelle hat Motorola Samsung hingegen wieder etwas voraus. Denn während der koreanische Hersteller auch in der vierten Auflage seiner Falt-Smartphones die Knickstelle des Displays immer noch nicht kaschiert bekommt, schafft Motorola das deutlich besser. Zwar ist auch hier noch eine leichte Unebenheit zu sehen, allerdings deutlich schwächer als beim Z Flip 4. Ist der Screen dann aktiviert, muss man schon gezielt nach der Falte suchen, sie geht im Alltag komplett unter.
Samsung hingegen zeigt klar weniger Rahmen rings um das Display. Motorola formt den zwar im Vergleich zum Vorgänger schön einheitlich dimensioniert, insgesamt ist er aber doch eine Spur zu dick für ein modernes Smartphone. Im Gegenzug verleiht das dem RAZR 2022 optisch eine gewisse Robustheit – mehr, als es das Modell vermutlich verdient hat. Zwar verhindert die ab Werk aufgebrachte Schutzfolie ziemlich erfolgreich Fingerabdrücke, hinfallen lassen wollen wir solch ein schickes Smartphone aber nicht und Schutz vor Staub und Wasser verwehrt Motorola seinem Modell ebenfalls – im Gegensatz zu Samsung beim Z Flip 4. Schade.
Beim Fingerabdrucksensor leidet Motorola wie schon Samsung unter dem Zwang des Designs. Beim RAZR 2022 ist er im seitlich angebrachten Power-Button und damit deutlich zu hoch für bequeme Erreichbarkeit positioniert. Der optimale Platz wird nämlich vom Faltscharnier blockiert – wie beim Z Flip 4 von Samsung.
Display
Wie erwähnt setzt Motorola beim RAZR 2022 erneut auf zwei Displays – ein kleineres außen, ein großes innen. Beide verwenden OLED-Technik und profitieren daher von tollen Kontrasten und hervorragendem Schwarzwert. Das kleinere Außendisplay, das im zusammengeklappten Zustand dafür sorgt, dass die wesentlichen Informationen den Nutzer auch ohne ständiges Aufklappen des Handys erreichen, misst dabei 2,7 Zoll und bietet eine Auflösung von 800 × 573 Pixel. Das reicht für scharfe Darstellung und grobes Überfliegen von eingehenden Nachrichten. Zum Beantworten werden die meisten Nutzer wohl trotzdem auf den großen Bildschirm zurückgreifen.
Der bietet eine Diagonale von 6,7 Zoll bei einer Auflösung von 2400 × 1800 Pixel und damit eine überragende Bildschärfe von fast 450 Pixel pro Zoll (ppi). Außerdem erlaubt der Screen eine hohe Wiedergabefrequenz von 144 Bildern pro Sekunde, was Scrolling und generell die Wiedergabe von bewegten Inhalten noch flüssiger machen soll. Im Automatikmodus werden allerdings maximal 120 Hz verwendet – das macht in unseren Augen – wortwörtlich – aber keinen Unterschied.
Beide Displays überzeugen uns mit guter Darstellungsqualität, der große Screen kommt mit rund 500 cd/m² im manuellen und etwa 800 cd/m² im Automatikmodus zudem auf ordentliche Helligkeit. Beim Außendisplay ist das nicht ganz so gut, hier kann die niedrigere Leuchtkraft im Sommer eventuell zu Problemen bei der Ablesbarkeit führen. Insgesamt liefert Motorola hier aber sehr gute Arbeit ab.
Alle Bilder zum Motorola RAZR 2022 im Test
Kamera
Kameras stehen in Foldables erfahrungsgemäß nicht im Zentrum der Entwicklungsarbeit. Das führt immer wieder zu Problemen, denn Interessenten vergleichen nicht ganz zu Unrecht Preise und Kameraqualität der Falt-Smartphones mit herkömmlichen Modellen – und dabei schneiden die Falt-Modelle fast immer schlechter ab. Leider ist hier auch das Motorola RAZR 2022 keine Ausnahme. Der Hersteller baut eine Combo aus Hauptkamera mit 50 Megapixel, f/1.8-Blende und optischem Bildstabilisator (OIS) sowie einer Weitwinkellinse mit f/2.2 und 13 Megapixel ein. Das ist nicht nur auf dem Papier weniger als beim Topmodell Motorola Edge 30 Ultra (Testbericht) mit seiner 200-Megapixel-Hauptkamera, sondern kann auch bei der Qualität nicht ganz mithalten.
Bei Tageslicht fällt das weniger auf. Hier stimmen Bildschärfe und Bilddynamik, auch wenn sie nicht an das Edge 30 Ultra herankommen. Bei wenig Licht fällt die Bildqualität hingegen wesentlich stärker als beim Barren-Smartphone ab. Dann treten Bildrauschen und mangelnde Schärfe in den Vordergrund. Beim Weitwinkel geht das sogar so weit, dass man ihn nachts – gemessen am Preis des Smartphones – am besten gleich ganz vergessen sollte. Das kann Motorola besser.
Insgesamt ist die Kamera eher auf gehobenem Mittelklasse-Niveau, was Interessenten, die besonderen Wert auf die Kamera legen, nicht reichen dürfte. Die Selfie-Kamera knipst mit ihren 32 Megapixel ordentliche Aufnahmen, die allerdings bei Bildschärfe und Weißabgleich nicht an die Hauptkamera herankommen. Darum sollte man für Selfies ebenfalls die Hauptkamera bevorzugen, was dank des Außendisplays kein Problem darstellt – einer der Vorteile eines Foldables.
Videos sehen bei gutem Licht ebenfalls ordentlich aus, statt zu 8K mit 30 fps (Frames pro Sekunde) würden wir allerdings zu 4K mit 60 fps raten. Dank der höheren Bildwiederholungsrate sind hierbei auch Schwenks flüssig und die Auflösung sorgt für kaum weniger scharfe Aufnahmen.
Ausstattung
Motorola verpasst dem RAZR 2022 einen ordentlichen Punch in Form des bärenstarken Snapdragon 8 Gen 1. Der Chipsatz von Qualcomm ist der absolute Leistungschampion unter den Android-Smartphones und dürfte erst vom Nachfolger (Gen 2) abgelöst werden. Neben viel Leistung bietet Qualcomm für seine Chips zudem auch noch ordentlichen Support an, was es Hersteller von Smartphones ermöglicht, ihre Geräte lange mit Versions- und Sicherheits-Updates zu versorgen – theoretisch, dazu später mehr.
Bei der Leistung gibt es entsprechend keine Probleme beim RAZR 2022. Das belegen Benchmarks wie PCmark Work 3.0 mit 16.300 Punkten, aber auch 3Dmark Wild Life Extreme mit 2800 Punkten. Entsprechend gibt es im Alltag keinerlei Probleme mit hakelndem Bildaufbau, langsamem Starten von Apps oder ähnlichem. Zusammen mit den 144 Hz des Displays oder den 120 Hz der Automatik wirkt das RAZR 2022 in allen Lebenslagen überlegen und lässig – so geht Highend. Selbst anfordernde Games bringen das RAZR 2022 nicht an seine Grenzen, auch wenn das Smartphone dabei – wie bei anderen Foldables auch – spürbar warm wird.
Ein Grund für die adäquate Leistung dürfte auch der mit 8 GByte ordentlich dimensionierte Arbeitsspeicher sein. Als internen Speicher stellt Motorola seinen Nutzern stramme 256 GByte zur Verfügung, dessen UFS-3.1-Geschwindigkeit zur Leistung des Chipsatzes passt.
Positiv hervorzuheben ist zudem die Verwendung von USB-C 3.1 – Samsung bietet beim Flip 4 (Testbericht) nur USB 2.0. Noch ein Wort zum Fingerabdrucksensor sowie zu den Stereo-Lautsprechern: Der Sensor leidet unter der Positionierung, die – wie eingangs erwähnt – durch das Faltgelenk des Foldables ungünstig zu weit nach oben verdrängt wird. Durch die mangelnde Ergonomie liegt der Daumen oft eher „ungenau“ auf dem Sensor, was zu Fehlerkennung und Verzögerung führt. Dafür punktet das Foldable von Motorola mit starken Stereolautsprechern, die laut und kräftig klingen. Mehr Informationen zur Technik zeigt die Tabelle.
Qualcomm ermöglicht Motorola grundsätzlich, das RAZR 2022 lange mit Updates zu versorgen. Trotzdem versprich der Hersteller des Smartphones nur zwei Jahre Versions-Updates und drei Jahre Sicherheits-Patches – das ist in Anbetracht der Update-Versprechen von Samsung oder Google und des hohen Preises des RAZR 2022 zu wenig. Immerhin stammte der Sicherheits-Patch bei unserem Testgerät von Januar 2023 und ist damit aktuell. Android 13 gibt es noch nicht, zum Testzeitpunkt hatte das Motorola-Smartphone Android 12. Im Vergleich zum Samsung-Konkurrenten hervorzuheben ist die Funktion „Ready for“, die ähnlich wie Samsungs Dex aus dem Smartphone einen PC-Ersatz machen soll – beim Galaxy Z Flip 4 bietet Samsung diese Funktion allerdings nicht an.
Ansonsten punktet Motorola mit weitgehendem Vanilla-Look seiner Oberfläche, die trotzdem durch einige spannende Funktionen wie die immer wieder hervorzuhebenden Moto-Gesten bereichert wird. Damit lassen sich dann etwa Taschenlampe oder Kamera mit einfachen Handbewegungen starten – praktisch! Im Vergleich zu anderen Modellen seines Portfolios installiert Motorola aber erstaunlich viel Bloatware auf dem Klapp-Handy – müssen etwa Billig-Games wie Astro Odyssey oder Solitaire wirklich ab Werk im Speicher schlummern? Auch Facebook oder Tiktok können sich Interessenten auch selbst herunterladen, das sollte Motorola in unseren Augen besser sein lassen.
Akku
Ein Problem bei Foldables ist bisweilen der Akku. Durch die flache Bauform ist dafür nämlich einfach wenig Platz, entsprechend klein fällt der oft aus. Für ein faltbares Smartphone bietet das RAZR 2022 fast ordentliche 3500 mAh, in Relation zu einem typischen Barren-Smartphone mit bis zu 5000 mAh ist das hingegen wenig. So verwundert es auch nicht, dass das RAZR 2022 wieder ein typisches 1-Tages-Smartphone ist – der Akku reicht bei normaler Nutzung eben für einen Tag, aber nicht für wesentlich mehr.
Das belegt auch der Battery Test von PCmark. Hier erreicht das Handy bei einer Display-Helligkeit von 200 cd/m² von 80 bis 20 Prozent Akkuladung knapp 8 Stunden – das ist nicht berühmt, aber auch kein Totalausfall. Leider lässt sich das Gerät zudem auch nicht schnell laden. 30 Watt liefert das beigelegte Ladegerät und benötigt anschließend rund 90 Minuten für eine volle Ladung. Per Kabel wohlgemerkt, denn kabelloses laden beherrscht das Foldable nicht – schade bei dem Preis.
Preis
Das Motorola RAZR 2022 kostet in der UVP knapp 1200 Euro, zum Testzeitpunkt lag der Preis bei etwa 970 Euro. Es gibt nur eine Farb- und Speicherversion. Eine Alternative ist das Samsung Galaxy Z Flip 4 (Testbericht), das in der 256-GByte-Variante satte 200 Euro günstiger ist.
Fazit
Das Motorola RAZR 2022 ist ein gelungenes Foldable. Es bietet das praktischere Display-Format als Samsung beim Z Flip 4, ist wegen des breiteren Screens aber auch unhandlicher. Dafür hat es mit dem größeren Außendisplay den besseren Alltagsnutzen als der Konkurrent aus Korea. Die Power ist dank Snapdragon 8 Gen 1 zudem heftig und das Gerät bietet sogar USB-C 3.1.
Im Gegenzug leidet es aber unter den typischen „Foldable-Fehlern“ wie einer Kamera, die zwar in Ordnung ist, aber in Relation zum Gerätepreis nicht voll überzeugt und einem Akku, der es nicht gerade zum Dauerläufer macht. Außerdem kommen im Vergleich zum Z Flip 4 von Samsung einige hausgemachte Nachteile hinzu. So ist das Moto-Modell nicht wasserfest, bietet kein kabelloses Laden und die Update-Versorgung fällt deutlich kürzer als bei der Konkurrenz aus. Nimmt man dann noch die hohe Preisdifferenz zum Samsung-Foldable hinzu, dürfte es das RAZR 2022 trotz großer Fortschritte im Vergleich zum Vorgänger und Leistung auf Augenhöhe mit dem direkten Konkurrenten nicht gerade leicht am Markt haben.