Die Sorge vor Stromausfällen und explodierende Energiekosten haben in den vergangenen Monaten zu einem regelrechten Ansturm auf Solaranlagen und Stromspeicher geführt. Neben großen Photovoltaikanlagen sind hier primär mobile Solargeneratoren (Themenwelt Powerstation) und günstige Balkonkraftwerke (Ratgeber) gefragt. Die Auswahl an Produkten im Bereich der alternativen Energieerzeugung bietet aber noch weitere Lösungen. Eine davon sind kleine Windkraftanlagen, die aus Windenergie Strom erzeugen. Günstige Modelle aus China gibt es ab etwa 160 Euro.
Wir haben uns kompakte Windkraftanlagen genauer angesehen, ein günstiges Exemplar getestet und erklären, warum Photovoltaik die deutlich bessere Lösung ist.
Angebote
Kompakte Windkraftanlagen, bestehend aus Windrad und einem Wechselrichter/Inverter gibt es bei Händlern und Verkaufsplattformen für wenige Hundert Euro. Auffällig ist die große Vielfalt an Herstellern – die alle die gleichen Produkte anbieten. Abgesehen von der Farbe und Form der Windräder unterscheiden sich oft nur die mitgelieferten Inverter und die Leistungsangaben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Grundsätzlich finden sich drei unterschiedliche Bauformen. Neben der klassischen Windradform, wie man sie von kommerziellen Anlagen kennt, gibt es rundliche Windmühlen und vertikal aufgebaute Windräder.
Folgend einige Beispiele, anhand des Angebots von Banggood, die uns unser Testmodell zur Verfügung gestellt haben:
- Klassisches Windrad 12/24 Volt mit bis zu 200 Watt für 156 Euro
- Klassisches Windrad 12/24/48 Volt mit bis zu 800 Watt für 174 Euro
- Windmühle 12/24 Volt mit bis zu 400 Watt für 184 Euro
- Windmühle 12/24 Volt mit bis zu 1000 Watt für 160 Euro - mit Code BG8a3567
- Vertikales Windrad 12/24/48 Volt mit bis zu 200 W für 275 Euro
- Vertikales Windrad 12/24/48 Volt mit bis zu 300 W für 266 Euro
Die für die Umwandlung benötigten Inverter kosten dort je nach Ausstattung und Leistung 16 bis 55 Euro. Bei Amazon, Aliexpress, Banggood, Ebay sind noch zahlreiche weitere Varianten an Windrädern, Windmühlen und Wechselrichtern erhältlich. Letztlich handelt es sich meist um identische Geräte, welche lediglich unter verschiedenen Bezeichnungen verkauft werden.
Praxiserfahrung
Gleich vorweg – das Thema Windkraftanlagen für das Eigenheim hat uns sofort gepackt. Insbesondere nach den positiven Erfahrungen mit dem ersten Balkonkraftwerk im Test und den vielen Einzeltests von Powerstations und Photovoltaik-Panels wollten wir unbedingt Möglichkeiten der Stromerzeugung testen. Nach all unserer Anfangseuphorie bleibt nach den Tests allerdings nur Ernüchterung und die Erkenntnis, dass Mini-Windkraftanlagen für wenige Hundert Euro in nahezu allen Fällen unbrauchbar sind.
Grund hierfür ist die viel zu geringe Effizienz der billigen Windkraftanlagen. Abgesehen, davon, dass die Systeme bereits aufgrund der geringen Größe nur eine sehr eingeschränkte Leistung erzeugen können, potenziert sich dieser Effekt durch den Einsatz billiger und teils minderwertiger Komponenten. In diversen Forenberichten und Videos, bei denen die Geräte auseinandergenommen werden, zeigt sich etwa, dass häufig keine Kupferkabel, sondern mit Kupfer ummantelte Leitungen zum Einsatz kommen. Dies reduziert die Effizienz und führt dazu, dass die Geräte nicht mal einen Bruchteil der angegebenen Leistung erbringen.
Unser Testgerät, eine Windmühle mit 12/24 Volt und einer maximalen Leistung von angeblich bis zu 400 Watt und einem passenden Inverter, gibt es für rund 184 Euro bei Banggood. Das Paket beinhaltet eine sehr grobe, aber immerhin bebilderte Anleitung, die Windrad-Grundeinheit mit Motor und Rotor-Befestigungsplatte, eine Tüte mit Schrauben und zwei Metallplatten, Muttern und Innensechskantschlüssel, sowie fünf Rotorblätter aus Kunststoff und einen kleinen Inverter ohne jegliche Beschriftung.
Der Zusammenbau der weißen Windmühle mit einem Durchmesser von etwa 90 Zentimeter gestaltet sich unproblematisch. Die fünf Flügel werden auf der Rotorgrundplatte aufgelegt, mit einer Metallscheibe gesichert und anschließend mit je zwei Schrauben festgeschraubt. Nun geht es an die Montage des Windrades. Eigentlich hatten wir dafür unser Hausdach vorgesehen. Für die ersten technischen Tests behelfen wir uns aber mit einer Notlösung und befestigen das Windrad an einem kurzen Mast in einem Schirmständer im Garten. Nach dem Anschluss der drei Kabel an den Inverter warten wir auf Wind und zücken das Multimeter.
Nachdem sich das Windrad an einer für bayrische Verhältnisse windigen Stelle am Hang befindet, beginnen sich die Flügel bald, schon bei geringer Luftbewegung, zu drehen. Am Multimeter tut sich allerdings kaum etwas. Also helfen wir per Hand nach und beschleunigen das Windrad auf eine ordentliche Geschwindigkeit – damit sich das Teil derart dreht, braucht es starken bis orkanartigen Wind – am Multimeter kommen trotzdem maximal 4,5 bis 5,6 Volt an. Wir vermuten zunächst eine unsaubere Verkabelung und checken alles erneut. Da sich hier leider trotzdem nichts ändert, demontieren wir die Flügel und beschleunigen die Drehachse mithilfe unseres Akkuschraubers. Selbst auf maximaler Geschwindigkeit kommen nur knapp 7,5 Volt aus dem Inverter. Abgesehen davon, dass für solche Umdrehungszahlen fast Sturm herrschen müsste – das reicht nicht mal zum Laden unseres Akkus.
Also geht es an die Recherche und wir checken, welche Erfahrungen andere Nutzer gemacht haben. Die Ergebnisse sind auch hier ähnlich und sehr ernüchternd. Das mit bis zu 400 Watt beworbene Windrad leistet in der Praxis selbst unter deutlich besseren Bedingungen nicht mal ansatzweise, was der Hersteller verspricht. Ein Nutzer, der seine Windmühle während mehrerer Orkane auf dem Hausdach montiert hatte, konnte nach insgesamt vier Wochen eine Ausbeute von gerade einmal 350 bis 400 Wh erzielen. Zum besseren Verständnis: So viel erzielen wir mit unserem 75-Watt-Panel an einem durchschnittlich sonnigen Tag. Selbst bei einigen bewölkten Tagen würde nach rund einem Monat deutlich mehr auf der Habenseite stehen.
Bei anderen Tests mit ähnlichen Windkraftanlagen im Miniformat sind die Ergebnisse vergleichbar. Selbst mit Tuning-Maßnahmen, wirklich hohen Befestigungsmasten und hochpreisigen Windkraft-Wechselrichtern bleibt die Stromausbeute unterirdisch niedrig. Das Ergebnis ist der Kombination aus geringem Ertrag und hohen Verlusten bei der Umwandlung geschuldet. Hier bieten schon mobile Solarpanels oder Balkonkraftwerke ein Vielfaches an Leistung. Bei einem 100-Watt-Panel spricht man an einem sonnigen Tag von einem Durchschnittsertrag von etwa 500 Wattstunden. Selbst bei Bewölkung kommen bei Balkonkraftwerken mit einer Nennleistung von 800 Watt und mehr, schnell ein paar Wattstunden zusammen.
Sogar wenn die gekaufte Budget-Windkraftanlagen ausreichend Leistung bieten, um damit Akkus zu laden – die Ausbeute steht in keinerlei Verhältnis zur Investition. Schon ein stabiler und ausreichend hoher Mast würde die Kosten von Windrad und Inverter deutlich übersteigen. Der einzige sinnvolle Anwendungsgrund wäre eine besondere geologische Lage mit sehr wenig bis keiner direkten Sonneneinstrahlung bei gleichzeitig viel Wind. Dann, aber nur dann, könnte sich das Windkraftwerk gegenüber der Solaranlage durchsetzen.
Alternativen
Wer seine Stromrechnung drücken, oder Strom für eine Insellösung etwa in der Gartenlaube selbst herstellen will, sollte zu Photovoltaik greifen. Auch hier darf man seine Erwartungen nicht zu hoch ansetzen, um nicht enttäuscht zu werden. Die Kosten im Verhältnis zum Ertrag sind in jedem Fall deutlich niedriger als bei der Windkraft.
Die angegebenen Leistungsdaten erreichen auch Photovoltaikanlagen nur unter Idealbedingungen und die sind in der Realität nicht zu finden. In der Praxis beeinflussen Aufstell- und Ausrichtwinkel, Schatten von anderen Objekten, Wetterbedingungen, Leitungslängen und zahlreiche andere Faktoren die tatsächliche Stromausbeute. Trotzdem, dank der in den vergangenen Jahren gestiegenen Effizienz der Panels und den gleichzeitig wieder langsam sinkenden Preisen, amortisieren sich etwa die Anschaffungskosten eines Balkonkraftwerks innerhalb von zwei bis vier Jahren. Ab dann, sinkt die Stromrechnung mit jeder Minute Sonnenschein. Mehr Informationen rund um die Stromerzeugung in Garten und auf dem Balkon gibt es im Ratgeber Balkonkraftwerke ab 500 Euro: Kaufen, einstecken und sofort sparen. Diverse deutsche Anbieter wie Priwatt haben auch regelmäßig Angebote. Hier geht es beispielsweise ab 499 Euro mit Code TECHSTAGE50 los.
Mobile Solargeneratoren (Themenwelt Powerstation) mit entsprechenden Panels sind zwar deutlich teurer als fest montierte Balkonkraftwerke, aber auch hier stehen Kosten und der mögliche Ertrag in einem ganz anderen Verhältnis als es bei Windkraftanlagen der Fall ist.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist das kürzlich getestete Modell Anker Solix (Testbericht) für 600 Euro. Der große Vorteil dieser Lösung ist die flexible Nutzung. Geladen wird per Solarpanel, Zigarettenanzünder oder Steckdose. Neben 12-Volt-Ausgängen gibt es USB mit PD und 230-Volt-Ausgänge mit klassischer Schuko-Steckdose. So ausgestattet eignen sich die Powerstations sowohl als Insellösung als mobile Stromquelle und zur Notstromversorgung. Wer hier einsparen will, setzt auf flexible, statt klappbare Panels. Das kostet zwar etwas Platz, die Kosten sind aber deutlich geringer. Wer die Stromspeicher als Insellösung einsetzt, kann auch auf herkömmliche, starre Panels mit Rahmen zurückgreifen. Mit etwas Geduld funktioniert auch das Laden im Kfz. An der Steckdose geht es am schnellsten – zumindest bei Geräten mit Schnellladefunktion.
Kosteten die mobilen Stromspeicher letztes Jahr noch ein bis zwei Euro je Wattstunde, haben sich die Kosten bei einigen Modellen mittlerweile halbiert. Gute Beispiele sind die starke Fossibot F2400 (Testbericht) oder das Markengerät Ecoflow Delta 2 (Testbericht), welches mittlerweile weniger als 800 Euro kostet. Letztes Jahr verlangte Ecoflow noch 1300 Euro.
Die Alpha ESS Balckbee 1000 (Testbericht) mit einer Kapazität von 1000 Wattstunden und einer Leistung von 1000 Watt gibt es noch bis Ende April 2023 mit dem Coupon-Code TechBB1000 für 770 Euro. Weitere Geräte mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis zeigen wir im Artikel Mobile Solargeneratoren zu Tiefstpreisen.
Fazit
Abgesehen von der Faszination für die Technologie, gibt es in der Praxis keinen Grund Geld in ein günstiges Windkraftwerk zu stecken. Die Erträge der zwar interessant anzuschauenden Windräder sind viel zu gering und stehen in keinerlei Relation zu Kosten und Aufwand für Equipment und Montage. Auch wenn die Generatoren genügend Leistung und wirklich dauerhaft starken Wind zur Verfügung haben – die paar Wattstunden sind selbst mit einem kleinen Solarpanel schnell erreicht.
Wer sich für das Thema Stromrechnung senken per Solar interessiert, sollte sich unseren Ratgeber zu Balkonkraftwerken und den Einzeltest Anker Solix (Testbericht) ansehen. Mehr zu mobilen Panels zeigen wir im Artikel Photovoltaik mobil und günstig: Solarpanels für Camping, Garten und Powerstation. Zu den stärksten Powerstations und den besten mobilen Solargeneratoren bis 500 Euro, geht es in unserer Themenwelt Powerstation.
Wer von der mobilen Lösung noch nicht überzeugt ist, sollte alternativ einen Blick auf unseren Lesertest Mobile Office mit der Anker Powerhouse 521 werfen.