Realität und virtuelle Welten zusammen? Mit Augmented Reality ist das möglich und öffnet neue Spielwelten für Kinder. Wir haben uns angesehen, welches AR-Spielzeug es für Kinder gibt, was man erwarten darf und was es zu beachten gilt.
Wem Spielen ohne Smartphone wichtiger ist, der sollte sich unsere Ratgeber Nerfs im Vergleich , Nerdige Gesellschaftsspiele , Pen & Paper digital: Virtuelle Spieltische für Rollenspieler oder Abgefahrenes RC-Spielzeug bis 50 Euro ansehen.
Was ist AR?
Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) sind zwei unterschiedliche Paar Stiefel. Bei VR geht es um Erlebnisse in einem komplett virtuellem Raum, die durch eine Datenbrille betrachtet werden – beispielsweise ein Computerspiel oder eine Kurzreise an den Strand. Drei populäre Varianten für VR haben wir im Artikel Oculus Quest vs HTC Vive vs PS VR – Beat-Saber-König gesucht verglichen. AR ist ein Begriff, der im Gaming und der Industrie immer mehr Fuß fasst. Über Brillen oder durch den Einsatz der Smartphone-Kamera werden Illusionen in der realen Welt dargestellt.
Bestes Beispiel ist Pokémon Go: Hier fangen Spieler über ein Smartphone kleine Monster, die im Spiel auf der Wiese, im Schwimmbad oder auch im heimischen Wohnzimmer sitzen. Das Spiel spornt zur Bewegung im Freien an und ist kindgerecht.
Wer seinen Kindern Tiere in Lebensgröße zeigen will, sollte mal den Browser Google Chrome besuchen. Tippt man dort Begriffe wie „Tiger“ oder „Hedgehog ein, erscheint direkt ein AR-Modell wo man gerade steht – aktuell klappt das nur mit englischen Begriffen. Die Funktion ist für Android- und iOS-Smartphones verfügbar. Entsprechend hat sich ein kleiner Markt aufgebaut, der sich mit AR-Spielzeug beschäftigt. Von Pistolen, über Laserschwerter bis hin zum Lego-Set mit erweiterter Realität ist ein breites Angebot entstanden.
AR-Gun & Co.
Der günstigste Einstieg in AR-Spielzeug startet bei 7 Euro. Hier bekommt man Spielzeugpistolen, Maschinengewehre oder Bögen mit Smartphone-Aufsatz. Spielprinzip: Das Smartphone auf der Pistole zeigt Monster oder Gegenstände in der realen Welt, die abgeschossen werden. Je nach Blickrichtung ändert sich das Geschehen auf dem Smartphone.
Pearl bietet unter der Eigenmarke Callstell Pistolen und Maschinengewehre im Spielzeug-Look bereits ab 7 Euro an. Alternativ bekommt man AR-Bögen und diverse andere Waffen in unterschiedlichen Designs zwischen 20 und 30 Euro. Wir haben die Callstel AR-Gun ausprobiert. Dazu findet man im App-Store für Android und iOS die kostenlose App ARGun . Diverse andere kostenfreie Apps wie Super AR Killer , Super AR oder AR All in 1 sind ebenfalls in aller Regel kompatibel. Die zugehörige App ARGun bietet Zugriff auf 21 Mini-Games, allerdings sind nur drei der Spiele tatsächlich in einem AR-Modus nutzbar. Die restlichen Games stellt die App ausschließlich virtuell dar. Ein Multiplayer-Modus ist in keinem der Spiele vorhanden. Und: Man kann sich nur im Raum umsehen, aber nicht bewegen.
Zu den kindertauglichen Spielen zählen aus Sicht des Autors maximal zwei Spiele, Kampfflugzeug und Fruchtninja – ein Klon des bekannteren Smartphone-Games Fruit Ninja . In Kampfflugzeug bekämpft der Spieler bunte Raumschiffe, in Fruchtninja schießt man Obst im Raum ab, bevor es zu Boden fällt. Beide Games zeigen im Hintergrund des Geschehens die reale Welt an, also beispielsweise der eigene Garten oder das Wohnzimmer.
Die weiteren Spiele sind für Kinder nicht zu empfehlen, hier geht es um Zombies, Soldaten und Panzer. Auch das süß animierte Tiefsee-Abenteuer ist aus unserer Sicht ein No-Go für Kids, zu den Aufgaben zählt beispielsweise das Töten von Schildkröten und anderem Meeresgetier. Selbst wenn die Animation ein Fangnetz zeigt, heißt es im Spiel „töten“ oder „kill“.
Unser Tipp: Eltern sollten die Spiele zuerst selbst ausprobieren und dann den Kindern in die Hand drücken. Einige der Games sind ein kurzweiliger Zeitvertreib, andere sind zu brutal für Kinder. Rein optisch ist keines der Spiele wirklich ansprechend – wenig Details und viel matschige Grafik sorgen für schnelle Langeweile.
Star Wars Jedi Challenges
Mit Laserschwertern gegen Sith kämpfen? Mit Star Wars Jedi Challenges (Testbericht) ist das kein Problem. Das Produkt stammt von Lenovo und beinhaltet eine AR-Brille, ein Lichtschwert und einen Peilsender genannten Sensor, der die eigene Position im Raum ermittelt. Zu den Spiele-Modi zählen der Lichtschwert-Kampf gegen Sith und Sturmtruppen, eine Weltraumschlacht gegen das Imperium, Holoschach und der Lichtschwert-Kampf mit realen Gegnern. Für letzteres ist ein zweites Set von Jedi Challenges erforderlich.
Der Spaßfaktor bei Jedi Challenges ist gut, hier verbringt man durchaus 30 bis 60 Minuten mit der Brille auf der Nase. Danach sollte man sowieso eine Pause machen. Diverse Level, physisches Feedback des Lichtschwerts und die Option, sich im Raum zu bewegen machen richtig Freude. Gerade der Multiplayer hat die zusätzliche Herausforderung gegen einen echten Menschen anzutreten – das klappt wunderbar.
Nachteile bei dem Spiel gibt es trotzdem: Einerseits müssen Spieler ihr eigenes Smartphone in die Brille einlegen, um das Spiel über die kostenlose App Jedi Challenges zu nutzen. Das frisst ordentlich Akku und führt dazu, dass das Smartphone rasch heiß wird. Andererseits sind nicht alle Smartphone-Typen mit der AR-Brille kompatibel. Das Spiel stammt aus 2017, entsprechend funktioniert es nur noch auf älteren Smartphone-Modellen; darunter unter anderem auf iPhones von Version 6 bis Xs Max, Samsung Galaxy S7 bis S9 Google Pixel und Pixel XL sowie einigen Huawei-, Motorola und Sony-Smartphones. Zudem entwickelt Lenovo die App nicht mehr weiter. Entsprechend gibt es die oben beschriebenen Spiele, Updates darf man nicht mehr erwarten – schade.
Das Spiel ist mittlerweile deutlich im Preis gefallen und kostete zwischenzeitlich nur noch 30 Euro statt ehemals 300 Euro. Aktuell zahlt man rund 40 Euro dafür. Für Kinder ab circa 12 Jahren und Erwachsene ist das Spiel durchaus empfehlenswert.
Merge Cube
Während Jedi Challenges ein guter Einstieg in „AR zum Anfassen“ ist, toppt der eher unbekannte Merge Cube dieses Spielprinzip noch einmal deutlich. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein Schaumstoffwürfel, der durch Augmented Reality zu einer eigenen Welt wird. Einzelne Planeten, Gebäude, Tiere oder der menschliche Körper wird so zum Forschungsobjekt in den Händen von Kindern. Die zugehörigen Apps bietet Informationen über die jeweiligen Objekte, die gerade dargestellt sind. Insgesamt gibt es sechs interaktive Apps von Merge; darunter ein 3D-Museum, eine Anatomie-, Geographie- und Astronomie-App sowie das Spiel Tiltball , in dem Kinder einen Ball um den Merge Cube navigieren müssen.
Wenn der Spieler sein Smartphone oder Tablet mit der Kamera auf den Würfel hält, zeigt das Smartphone-Display die AR-Welt auf dem Würfel an. Die zugehörigen Apps sind kostenlos für Android und iOS verfügbar. Der Würfel selbst kostet rund 30 Euro. Der Merge Cube kann aus unserer Sicht bei Kindern ab sechs Jahren zum Einsatz kommen.
Lego Hidden Side
Lego hat mittlerweile diverse Sets mit AR-Anbindung im Angebot. Die Sets der Themenwelt Hidden Side (Testbericht) sind eine Variante davon. Das Spielprinzip: Kinder bauen ein Lego-Modell auf, scannen in der kostenlosen App das Geschehen und gehen dann auf digitale Geisterjagd. Lego möchte so virtuelle Spiele mit echten Steinen verbinden. Die Idee ist interessant, geht leider aber nicht ganz auf. Zum einen, weil die App nicht auf allen Android-Smartphones läuft. Gerade die günstigeren Geräte unterstützen die App nicht. Zum anderen laufen Eltern und Lego-Fans Sturm gegen die Idee, dass man die Offline-Legos unbedingt mit digitalen Features koppeln muss.
Denn leider unterliegt die AR-Funktion auch den Einschränkungen der Technik. Baut man das Modell zu sehr um, erkennt es die App nicht mehr. Wir haben beispielsweise mit einem anderen Lego-Set den Stunt-Truck auf ein Batmobil-Gerüst gepackt und die App konnte es erst nach mehreren Anläufen erkennen. Das ist wirklich schade. Hätte Lego etwa spezielle Markersteine oder Aufkleber genutzt, hätte man eigene Bauten mit AR-Features aufrüsten können - dann wäre die eigene Ritterburg in der App zur Spukburg geworden.
Die Sets mit AR-Anbindung verkauft Lego in diversen Varianten. Hier ist wahrscheinlich für jeden Geschmack etwas dabei. Preislich geht es bei rund 14 Euro los.
Was es zu beachten gilt
Cowboy und Indianer, Softguns & Co. – was es bereits seit Generationen für Kinder an Spielzeugwaffen gibt, hat es auch in die AR-Welt geschafft. Das Schießen oder gar Töten von Monstern und Lebewesen ist aber ein heikles Thema, dessen Umgang jeder Erziehungsberechtigte selbst entscheiden muss.
Zudem sollte man beim Einsatz von AR-Spielzeug die Bildschirmzeiten für Kinder beachten. Auch hier wissen Eltern am besten, was für die eigenen Kinder gut ist. Mehr als zwei Stunden am Tag würden wir für Kinder ab 12 Jahren aber nicht empfehlen – darunter entsprechend noch weniger.
Dennoch kann AR Vorteile gegenüber der klassischen Konsole oder dem Lego im Kinderzimmer bieten. Dazu zählt die Möglichkeit im Freien zu spielen, die Fantasie der Kinder anzuregen oder gar die Bewegung. Das vorgestellte Jedi Challenges ist hier eine Option, kostenlose Smartphone-Games wie etwa Pokémon Go fördern zudem noch die Bewegung im Freien und belohnen gelaufene Kilometer mit Geschenken.
Fazit
Spielen mit Smartphone und gleichzeitig in der Realität? Mit AR-Games ist das möglich. Reale und virtuelle Welten verschmelzen und bieten Kindern ein erweitertes Spielfeld. Und ja, der Einstieg in AR geht für Kinder bei 7 Euro los. Hier sollten Eltern aber genau überlegen, ob Fake-Waffen und Shooter das Richtige sind. Die Eltern unserer Redaktion tendieren eher zum Merge Cube oder den Lego-Sets.
Unsere hier vorgestellte Auswahl an AR-Spielen stellt dabei keinen Anspruch an Vollständigkeit und soll in den nächsten Monaten weiter ausgebaut werden. Haben wir ein wichtiges AR-Spiel vergessen? Wir freuen uns im Kommentarfeld über Vorschläge.