Die meisten Smart-Home-Beiträge auf TechStage handeln von Nachrüstlösungen – etwa Vergleichstest von Smarten Heizkörperthermostaten , Grundlagen zu smarter Beleuchtung , Funk-Komplettlösungen wie Homematic IP im Test oder Tests von smarten Sensoren wie die günstigen Aqara . Allen Produkten ist die Datenübertragung per Funk gemein – na klar, Wände aufreißen stört den Familienfrieden, kostet Geld und macht Schmutz. Bauherren sind aber in einer anderen Situation.
Was gilt es bei der Planung und dem Neubau im Bezug auf Smart Home zu beachten? Die Frage ist berechtigt. Nie ist es so einfach und verhältnismäßig günstig, Vorbereitungen für die Zukunft zu treffen und Leitungen zu legen, wie beim Bau – bevor der Putz an den Wänden ist.
Natürlich kann man auch im Neubau auf Funklösungen setzen, doch davon raten wir ab. Funk ist immer anfälliger als Verkabelung. Externe Störungen können die Übertragung beeinflussen, man kämpft mit leeren Batterien von Sensoren und böse Buben könnten mit Jammern die zuverlässige Funktion von Alarmkontakten aushebeln. Doch der Entschluss pro Kabel zieht einen Rattenschwanz weiterer Entscheidungen mit sich.
Grundsatzentscheidung: Bus-System oder konventionelle Verkabelung?
In einem normalen Haus gehen Stromleitungen in die Räume und verzweigen dort, um Steckdosen, Licht & Co. mit Energie zu versorgen. Bei konventioneller Verkabelung zieht man ein Kabel zunächst zum Lichtschalter und dann zur Lampe. Ist der Schalter aus, ist die Lampe stromlos.
Möchte man smart bauen, gibt es an die Elektroverkabelung komplett andere Ansprüche; außerdem braucht man viel Platz in den Verteilerkästen (umgangssprachlich Sicherungskästen). Zunächst gilt es zu entscheiden, ob man ein Bus-System wie KNX einsetzen möchte. In dem Fall liegt an Lichtschaltern, Bewegungsmeldern & Co. kein 230-Volt-Kabel an, sondern eine spezielle Busleitung, die in Baumstruktur ihren Weg durchs Haus findet.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Man kann beim Bau und jederzeit später genau das Gerät an den Bus hängen, das man gerade braucht. Egal, ob ein einzelner Taster, ein Doppeltaster oder gleich eine Vierer- oder Achterkombination, ob Bewegungsmelder, Temperaturfühler oder Statusdisplay: Liegt das Buskabel, kann man alles anschließen und jederzeit verändern. Ein und derselbe Taster schaltet heute die Außenbeleuchtung, morgen die Stehlampe im Wohnzimmer und übermorgen die Lautstärke der Stereo-Anlage. Aus mechanischen Tastern werden Touchscreens, und wer weiß, was die Zukunft bringt. Bei konventioneller Verkabelung muss man sich vorher genau überlegen, was man wo braucht. Änderungen sind aufwändig und teuer.
Die Alternative zur Busleitung im Smart Home ist die sternförmige Verkabelung. Die Deckenleuchte im Wohnzimmer wird dabei nicht direkt mit dem Schalter verbunden, ihre Anschlussleitung verläuft zentral bis zum Verteilerkasten – wie auch die des Schalters. Im Verteiler sitzen in dem Fall Schalt- und Dimmaktoren sowie Sensoren, die auf den gedrückten, konventionellen Schalter reagieren. Je nach Programmierung lösen sie die entsprechenden Aktionen aus.
In der Praxis fährt man meistens eine Mischung: Schalter, Bewegungsmelder & Co. sind aufgrund der möglichen Komplexität idealerweise Bus-Komponenten, Verbraucher (Steckdosen & Licht) sind üblicherweise sternförmig angeschlossen.
Zentrale oder dezentrale Installation
Auf den ersten Blick ist es naheliegend, auch die Aktoren dezentral im Haus zu verteilen – und gegebenenfalls auch dort nachzurüsten, wo man vielleicht mal irgendwann etwas Intelligenz haben möchte. Ein Dimm- oder Schaltaktor für die Wohnzimmerleuchte muss nicht im Schaltschrank sitzen, kleine Module passen unter Putz in Gerätedosen.
In der Praxis kommt das aber nur selten vor. Hauptgrund ist die Wirtschaftlichkeit, wenn man die Kosten für jeden einzeln geschalteten Kanal ausrechnet: Inzwischen gibt es KNX-Schaltaktoren mit bis zu 24 unabhängigen Kanälen für Licht, Steckdosen & Co. ab etwa 330 Euro, macht weniger als 14 Euro pro Kanal. Ein Unterputz-Schaltaktor für die Montage hinter der Steckdose oder direkt an der Lampe kostet über 50 Euro – und damit erheblich mehr.
Weitere Gründe gegen die dezentrale Installation: Die Wartung ist aufwändiger, wenn es mal zu Problemen kommt und ein Modul getauscht werden muss. Außerdem sitzen in den Schaltaktoren üblicherweise Relais, deren Klicken man mehr oder weniger stark hört. Im Keller oder neben der Heizung stört das weniger als über dem Wohnzimmertisch.
Vorbereiten und Nachrüsten
Fast alle Bauherren eint das knappe Budget. Küche, Badarmaturen und Bodenbeläge kämpfen gegen die Haustechnik um jeden Euro. Da liegt der Gedanke nahe, beim Bau nur die Vorbereitungen zu treffen, Kabel und Leerrohre zu legen, und die teuren Komponenten samt Programmierung erst später anzuschaffen.
In der Praxis ist das leider wenig sinnvoll. Hauptgrund sind die bereits angesprochenen, völlig unterschiedlichen Anforderungen von smarter und konventioneller Elektroverkabelung. Natürlich hilft es, Buskabel an potenzielle Stellen zu legen, an denen man sie mal brauchen könnte. Und kein Leerrohr in Wand und Decke ist zu viel. Eine sinnvolle Vorbereitung sind auch die sogenannten Gerätedosen, die man in Wände einbringt, um Schalter und Steckdosen einzubauen – und die genügend Platz haben, um später mal Aktoren oder Sensoren unterzubringen.
Doch wahre Freude kommt dabei nicht auf. Bereitet man die Smart-Home-Installation wirklich auf hohem Niveau vor, ist der finanzielle Aufwand für das Provisorium hoch. Und legt man Wert aufs Budget, wird es bei der Nachrüstung schwierig und teuer.
Freilich kann man aber bei der Wahl der Ausstattung die Kosten in beliebige Höhen treiben. Beim Bau bietet es sich an, zunächst erst einmal möglichst günstige KNX-Taster anzubringen. Mechanische Vierfach-Taster gibt's ab etwa 50 Euro. Design-Taster aus der Edelboutique mit großem Touchscreen können schon mal 400 Euro oder mehr kosten. Da KNX herstellerunabhängig ist, lässt sich der günstige Taster aber auch jederzeit später gegen ein edles Stück austauschen, sobald das Sparschwein wieder voll ist; der Mischbetrieb ist problemlos möglich.
Sollte das Budget keine übergeordnete Rolle spielen, sollte man vor dem großflächigen Einbau von Touchscreens im Haus trotzdem noch mal nachdenken: Nicht jeder Besucher jeden Alters kommt mit berührungsempfindlichen Bildschirmen auf Lichtschaltern klar – daher bietet sich in Räumen wie Gästezimmern oder Gästebädern auch ohne Blick aufs Budget häufig eine einfache und nicht erklärungsbedürftige Lösung an.
Kosten sparen: Selber machen
Einen großen Teil des Geldes verschlingen Planung und Programmierung der Smart-Home-Technik. Wer Zeit hat, Grundwissen mitbringt und bereit ist, sich tief in die Thematik einzulesen, kann problemlos fünfstellige Summen einsparen. Dabei muss aber unbedingt der Elektriker mitspielen, und es muss klare Spielregeln geben: Klar ist, dass der Fachmann nicht für Probleme haftet, die der Amateur verursacht hat. Wer das Rundum-Sorglos-Paket haben will, muss sich einen fähigen Elektriker mit umfassender Smart-Home-Erfahrung suchen, den entsprechenden Kurs bezahlen – und hat im Problemfall einen Ansprechpartner.
Wer selbst plant und programmiert, sollte sich dennoch mit dem Elektriker gut stellen. Die Erfahrung und der eine oder andere Praxis-Tipp sind Gold wert. Auch bei den rudimentären Arbeiten wie dem Schlitzen von Wänden, dem Verlegen von Leerrohren und dem Einziehen von Kabeln kann man, in Absprache mit und nach Anleitung von den Profis, ordentlich Geld sparen.
Dabei lernt man das System auch kennen. Weder KNX noch Loxone beispielsweise sind von Haus aus kompatibel zu Sprachassistenten wie Alexa, aber es gibt etliche Wege, wie man die Funktionen nachrüsten kann.
Der richtige Standard
Dutzende Komplettsysteme verschiedener Hersteller buhlen um die Gunst der Kunden. Da gibt es proprietäre Systeme wie Loxone oder MyGekko, Industriestandards wie den KNX-Bus oder kleinere Bussysteme wie LCN. Ein eindeutiges „gut” oder „schlecht“ gibt es nicht, jedes der Systeme hat seine Vor- und Nachteile.
Entscheidend sollte aber nicht unbedingt sein, wie sexy das aktuelle Web-Interface oder die App des Systems aussehen und welche Lösung einen dreistelligen Betrag mehr oder weniger kostet. Was man nicht vergessen darf: Man baut das Haus für die Ewigkeit, oder zumindest für das eigene Leben. Zuverlässigkeit ist ein großes Thema – was macht man auf Geschäftsreise, wenn die Frau anruft, weil weder Licht noch Heizung funktionieren?
Fast noch wichtiger ist die Zukunftsfähigkeit. Was ist, wenn neue Funkstandards kommen? Wenn neue Sprachassistenten die Marktführerschaft an sich reißen? Wenn in zehn Jahren ein Aktor, Lichtschalter oder Sensor kaputtgeht – kann man ihn einfach austauschen? Gibt es den Hersteller der Anlage noch? Oder gibt es dann den Super-GAU: Alles herausreißen, Wände aufstemmen und neu verkabeln?
Die Diskussion über die richtige Vorgehensweise ist ähnlich religiös wie frühere Diskussionen zu Windows vs. Linux vs. Mac.
KNX
Der wohl älteste Standard geht zurück auf den Europäischen Installationsbus (EIB), der in den frühen 1990er Jahren auf den Markt kam. Der Nachfolger KNX hat häufig den Ruf, teuer, altbacken und umständlich zu sein, aber unterm Strich ist es eigentlich der einzig wirkliche Standard für Heimautomation. Über 200 teils namhafte, teils unbekannte Unternehmen bauen kompatible Produkte, die alle über die gleiche Software – ETS – programmiert werden und zueinander kompatibel sind.
Fallen Komponenten aus, ersetzt man sie durch andere, die auch von anderen Herstellern kommen können. Das ist der große Vorteil gegenüber allen anderen Systemen, die nur von einem Unternehmen stammen. Wenn die Taster des einen Herstellers schöner sind und besser zur Couch passen, die Bewegungsmelder des anderen aber besser zur Wandfarbe passen und die Aktoren im Schaltschrank vom dritten schlicht günstiger sind – ja, dann kann man das bei KNX alles miteinander verbinden.
KNX hat nach wie vor den Ruf, teuer und im Vergleich von „fancy“ Lösungen mit modernen Apps wie Loxone ganz schön angestaubt zu sein. Selber machen war bei KNX lange Zeit nicht vorgesehen. Das fängt damit an, dass eine Lizenz der Programmiersoftware mit über 1000 Euro zu Buche schlägt. Es gibt zwar eine günstige Light-Version, doch bereits ein anständiges Smart Home überschreitet die gesetzten Limits. Seit einiger Zeit gibt es aber auch eine „Privatkundenversion“ der ETS, die ETS Inside – damit ist das Programmieren beziehungsweise Parametrieren der Komponenten sogar vom Sofa aus per Tablet möglich. Wir bringen demnächst einen ausführlichen Praxisbericht zu ETS Inside.
Der folgende Preisvergleich zeigt beispielhaft ein paar typische KNX-Komponenten wie Taster, Bewegungsmelder, Schalt- und Dimmaktoren.
SPS
Fast alle anderen Systeme im Markt sind eigentlich Speicherprogrammierbare Steuerungen, kurz SPS. Die meisten haben einen zentralen Server und verlangen eine sternförmige Verkabelung zu Tastern und Verbrauchern, allerdings gibt es Ausnahmen: Loxone beispielsweise bietet seit einiger Zeit einen eigenen Bus namens Loxone Tree und passende Komponenten wie Taster und Bewegungsmelder an.
Die meisten dieser Systeme wirken erheblich moderner als KNX, bringen ab Werk tolle Apps mit und sind mit kostenloser Software programmierbar – das reizt natürlich. Außerdem sind sie meist günstiger als KNX-Installationen und können mehr.
Der Haken: Was passiert, wenn es den Hersteller mal nicht mehr gibt? Wenn man einen proprietären Bus im Haus verlegt hat, und keine Ersatzteile mehr verfügbar sind? Im Falle einer sternförmigen Verkabelung ist das Risiko überschaubar. Im schlimmsten Fall muss man zwar sämtliche Aktoren und Sensoren tauschen, aber zumindest nicht die Wände aufstemmen. Am Beispiel von Loxone ist zu sehen, dass der Hersteller inzwischen einige seiner früheren Produkte nicht mehr anbietet und ein 1:1-Ersatz im Verteilerkasten in manchen Fällen nicht mehr möglich ist. Auch bei KNX kann es sein, dass ein Hersteller ein bestimmtes Gerät aus dem Programm nimmt – die Folgen sind häufig aber nicht so groß, da es beispielsweise dutzende verschiedene Dimmaktoren von etlichen Herstellern gibt. Ist das verbaute Modell nicht mehr verfügbar, kann ein anderes die Aufgabe übernehmen.
Der folgende Preisvergleich zeigt beispielhaft einige Loxone-Komponenten.
Zuverlässigkeit
Wichtig ist die Frage nach der Zuverlässigkeit des gesamten Systems. Der Autor dieses Artikels lebt seit über fünf Jahren in einem Smart Home mit KNX-Aktoren und Sensoren, zusätzlich kam Loxone für die komplexe Logik zum Einsatz („Fahre Jalousien im Wohnzimmer herunter, wenn es dunkel wird und die Terassentür nicht geöffnet ist“).
Während es in dieser Zeit noch keine Probleme mit den KNX-Komponenten gab, hat sich das Loxone-System mehrere Ausfälle gegönnt. Vor allem defekte Speicherkarten sorgten dafür, dass der Miniserver im Schaltschrank nicht mehr zuverlässig arbeitete. Da die meisten Funktionen im Haus über KNX laufen (Bewegungsmelder schaltet Licht), waren die Grundfunktionen nicht betroffen – nur die Logiken wie die bereits angesprochenen Beschattungsautomatiken fielen aus. Liefe alles über Loxone, würde im Haus nichts mehr gehen.
Andere Loxone-Nutzer hingegen können solche Probleme nicht berichten und sind mit ihrer Installation zufrieden. Letztlich kommt es aber auch ein wenig auf die Wartung an: Nimmt man jedes Software-Update mit? Prüft man regelmäßig händisch den Zustand der microSD-Karte und tauscht sie aus, bevor es zu Problemen kommt? Und kann und will man seine Haustechnik regelmäßig warten oder einen Fachmann dafür bezahlen, das zu tun?
Inzwischen sind die Loxone-Komponenten nicht mehr im Einsatz. Neben diversen Problemen und Problemchen im Alltag hat letztlich ein Hardware-Defekt am Loxone Miniserver nach Ablauf der Garantie für den Garaus gesorgt. Ersatz ist nun nicht der neue Miniserver geworden, sondern eine „Bastellösung“ mit der Open-Source-Software ioBroker , die die Schnittstelle zwischen KNX-Komponenten mit anderen Smart-Home-Komponenten wie den günstigen Zigbee-Fensterkontakten von Aqara , Hue-Außenleuchten und Staubsaugerroboter, Alexa und Homekit herstellt. Auch dazu werden wir in der nächsten Zeit noch mehr Beiträge bringen. Der große Vorteil dieser Lösung: Die Hürden und Grenzen zwischen verschiedenen Technologien werden abgebaut, die Flexibilität ist enorm – aber man muss auch bereit sein, sich tief in die Materie einzulesen. Wer es einfacher haben will, bekommt auch fertige Logik- und Visualisierungslösungen für KNX und andere Systeme.
Fazit
Das war viel Text, das waren viele Gedanken – und eine klare Empfehlung gibt es nicht. Aber ein paar Erfahrungen aus der Praxis:
- Selber machen spart Geld. Vor allem beim Planen und Programmieren kann man ohne viel handwerkliches Geschick große Summen einsparen. Dafür steht man für Fehler auch selbst gerade und muss Probleme selber lösen.
- Vorbereiten lohnt sich kaum. Entweder, man baut von vornherein smart, wenn es das Budget ermöglicht – oder man investiert später in sinnvolle Nachrüstlösungen. Alles dazwischen ist immer ein Kompromiss, der erst einmal Geld kostet.
- Zukunftsfähigkeit ist wichtig. Bei der Kaufentscheidung sollte man sich immer überlegen, ob es das System und Ersatzteile in drei, fünf, zehn oder zwanzig Jahren noch gibt.
- Zuverlässigkeit ist noch wichtiger. Das coolste Smart Home treibt einen in den Wahnsinn, wenn rudimentäre Funktionen wie das Licht auf dem Gäste-WC nicht garantiert funktionieren.
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