Nintendo erkannte vor wenigen Jahren als erster Hersteller einen einsetzenden Retro-Gaming-Hype und veröffentlichte 2017 den Nintendo SNES Classic (Testbericht). Der Erfolg der Konsole rief auch die anderen Konsolen-Hersteller auf den Markt und so gibt es mittlerweile offizielle Retro-Konsolen von Sega Megadrive (Testbericht), Sony Playstation (Testbericht) oder auch von Atari (Testbericht) und C64 (Testbericht). Die kleinen Konsolen mit den altbekannten Spieltiteln machen nicht nur Spaß, sie sehen auch großartig aus.
So schön einige der Konsolen auch umgesetzt sind, sie können in Sachen Kult-Faktor nicht mit klassischen Arcade-Automaten mithalten. Diese übten in den 80ern und 90ern in Kaffees, Bars oder Spielhöllen eine schier unbändige Anziehungskraft auf Generationen an Jugendlichen aus. Das Klackern der Knöpfe und des Vier-Wege-Joysticks ist unvergessen.
Gameboy, Heim-Konsole und Smartphone läuteten allerdings den Untergang der auffälligen und weit sichtbaren Computerspiel-Automaten ein. Statt im Münzeinwurf landet das Taschengeld mittlerweile im Appstore.
Doch für Arcade-Fans gibt es eine gute Nachricht: Die Automaten gibt es in diversen Formen zu kaufen. Neben dem Mini-Retro-Automaten von Neogeo (Testbericht) gibt es die Geräte auch in den originalen Abmessungen, als Vier-Spieler-Variante im Couchtisch oder als kleine Konsole zum Anschluss am TV. Die meisten dieser Geräte sind für einen Gag und als Deko-Objekt allerdings zu teuer und daher weitgehend uninteressant. Umso spannender ist die Tatsache, dass der Selbstbau solch eines Arcade-Automaten weder kompliziert noch teuer ist. TechStage zeigt, welche Komponenten für das DIY-Projekt benötigt werden und wie der Zusammenbau auch für ungeübte Handwerker möglich ist.
Komponenten
Ein optisch ansprechender Arcade-Automat besteht aus einem Stand- oder Tischgehäuse samt Monitor, Lautsprechern, Druckknöpfen und Joysticks. Im Inneren sitzt versteckt ein kleiner versteckter Rechner mit einem geeigneten Emulator. Für zusätzliche Authentizität sorgt dann noch ein optionaler Münzprüfer, zusätzliche Beleuchtung oder ein auffälliges Design. Fertig ist der Arcade-Automat.
Ob das Gehäuse nun das klassische Tabletop- oder Standautomaten-Design verwendet, ist dabei ganz der Fantasie des Erbauers überlassen. Denkbar sind auch Arcade-Boxen zum an die Wand hängen oder im Tisch integrierte Varianten. Wer fürchtet, dass der Bau eines solchen Gehäuses die eigenen handwerklichen Fähigkeiten übersteigt, der kann die sogenannten Arcade-Cabinets beispielsweise bei Ebay als fertiges Set kaufen. Die passend zugeschnittenen und vorgebohrten Pressspanplatten gibt es im Set ab circa 60 Euro für die Zwei-Spieler-Table-Top-Variante und ab etwa 120 Euro für die Stand-Version. Wer ein Set zusammen mit zugeschnittenem Aufkleber-Set kauft, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen. Wir empfehlen hier selbst kreativ zu werden. Wer eine gut ausgestattete Werkstatt zu Hause hat und selbst zur Säge greift, kommt zwar günstiger davon, muss aber mit etwas mehr Aufwand rechnen.
Als Gaming-Hardware kommt etwa der Raspberry Pi samt Zusatzboard, Buttons und Joysticks infrage. Den Raspberry hatten wir in der Vergangenheit beispielsweise in eine Selbstbau-Retro-Konsole in einem alten Playstation-One-Gehäuse integriert (Ratgeber Retro-Konsole selber bauen). Wer wissen will, wie man den Kleinst-Rechner als Emulator umrüstet, der sollte unseren Ratgeber Retrokonsole selbst bauen: Recalbox oder Retropie? lesen.
Deutlich bequemer ist aber die Nutzung speziellen Emulators. Die kleinen Rechner gibt es samt vorinstallierter Emulationssoftware und hunderten bis tausenden Spielen ab etwa 60 Euro aus Europa. Wer will, kann auch eine Version mit WLAN und geeignetem Appstore ab 90 Euro einbauen. Wer direkt in China kauft, bekommt solche Emulations-Rechner ab 50 Euro. Sets mitsamt Druckknöpfen und Joysticks gibt es ab 100 Euro. Die Taster und Steuer-Sticks, die sich auch an den Raspberry anschließen lassen, gibt es in Doppelpack ab etwa 45 Euro auch mit kurzer Lieferzeit bei Amazon.
Als Bildschirm eignet sich jeder Monitor mit HDMI-Eingang. Wer einen alten Monitor zu Hause hat, muss also kein neues Display kaufen. Wer noch einen Bildschirm braucht, bekommt auf Ebay geeignete Angebote unter 40 Euro. Für authentischen 8-Bit-Sound sorgen kleine Lautsprecher, welche bequem per Klinke-Kabel angeschlossen werden. Hier tun es auch alte PC-Lautsprecher oder die internen Lautsprecher eines Monitors.
Mehr ist für den eigenen Arcade-Automaten nicht nötig.
Bilderstrecke - DIY-Arcade-Automat
DIY-Arcade-Automat
Aufbaubericht
Bei diesem DIY-Projekt ging es uns in erster Linie um die Funktionalität und das Design unseres Arcade-Automaten. Zusätzlich sollte das Projekt möglichst günstig umgesetzt werden und möglichst wenig Zeit kosten.
Folgende Komponenten kommen deshalb bei unserem Automaten zum Einsatz:
- Pandora-Box-Kit inklusive Buttons und Joysticks
- Fertiges Table-Top-Cabinet
- Gebrauchter 24-Zoll-TFT mit HDMI
Zusätzlich wurden alte Aktivlautsprecher, eine Mehrfachsteckdose (Ratgeber) und ein paar LED-Streifen verwendet.
Trotz unserer ordentlich ausgestatteten Heimwerkstatt haben wir für unser Projekt zu einem fertigen Gehäuse gegriffen. Grund hierfür war die Kombination aus Zeit- und Kostenersparnis. Zwar hätte uns das Sperrholz etwas weniger gekostet als das fertig zugeschnittene Set, allerdings hätten wir noch zusätzliche Lochschneider und frische Sägeblätter benötigt. Die Kosten für Holz und Werkzeug waren mit dem Preis des fertigen Gehäuses nahezu identisch, weshalb wir uns für die bequeme Kaufvariante entschieden haben. Unsere auf Ebay gekauften Holzplatten aus 10 mm dicken Pressspan kamen ordentlich verpackt und sauber zugeschnitten nach wenigen Tagen bei uns an. Die für den Zusammenbau nötigen Winkel und Schrauben gehören, wie auch eine ausführliche Anleitung, zum Lieferumfang. Da sämtliche Löcher für den Zusammenbau vorgebohrt sind, benötigt man für die Montage nur einen Kreuzschlitzschraubendreher und Holzleim. Wer sein Gehäuse selbst bastelt, benötigt neben Holz und Schrauben eine Stich- oder Bandsäge, Lochschneider und Bohrmaschine. Ob nun Pressspanholz, Siebdruckplatten oder Vollholz zum Einsatz kommt, hängt vom eigenen Geschmack und Budget ab. Die Materialstärke sollte für ausreichend Stabilität bei mindestens 10 mm liegen.
Da unser Arcade-Automat natürlich nicht im Pressspan-Look bleiben soll, grundieren wir die Holzplatten und lackieren sie anschließend mit Lack aus der Spraydose. Wer einen Schneidplotter (Ratgeber) oder ein Airbrush-System (Ratgeber) besitzt, kann hier der Kreativität freien Lauf lassen.
Anschließend geht es an den Einbau der Technik. In unserem Fall ist das eine Pandora Box DX samt Joysticks und Druckknöpfen. Der handliche Emulator verfügt über einen HDMI-Anschluss, einen Klinken-Ausgang für den Sound und ein externes Netzteil. Netzteil, Box und Mehrfachsteckdose fixieren wir mit Schrauben im Inneren des Gehäuses.
Vor der Verkabelung von Steuerung und Emulator werden zuerst die Druckknöpfe in die Aussparungen des Gehäuses eingesetzt und mit einer Überwurfmutter gesichert. Die Holzleiste für die Bedienelemente wird hierfür noch einmal vom Gehäuse abgeschraubt. Dann werden die Joysticks von der Unterseite mit je vier Schrauben gesichert. Das Verbinden der Komponenten mit dem Kabelstrang ist denkbar einfach und kann dank bebilderter Anleitung und Farbcodierung auch von Technik-Laien durchgeführt werden. Löten oder Krimpen ist mit unseren Komponenten nicht nötig.
Die Taster und Sticks aus unserem Set sind zwar nicht besonders hochwertig, für unseren Zweck und eine gelegentliche Runde Zocken sind sie dennoch völlig ausreichend. Wer Wert auf eine lange Haltbarkeit und hochwertige Haptik setzt, der sollte sich trotzdem nicht für die günstigste Variante entscheiden. Aus der Erfahrung her können wir hier etwa die Hersteller Sanwa und Seimitsu empfehlen. Wer möchte, kann auch zu beleuchteten Knöpfen in Chrom-Optik greifen.
Als Bildschirm kommt ein gebraucht gekaufter 24-Zoll-Monitor für 34 Euro zum Einsatz. Dieser wird per HDMI-Kabel die Pandora Box angeschlossen. Weil der Emulator lediglich 720p ausgibt, ist unser Monitor mit FHD-Auflösung mehr als ausreichend. Da der gebrauchte Monitor über keine Vesa-Bohrungen verfügt, können wir ihn allerdings nicht wie vorgesehen hängend einbauen. Stattdessen stellen wir ihn samt Standfuß direkt in den Automaten. Damit der Bildschirm dauerhaft in Position bleibt, fixieren wir ihn zusätzlich mit vier Metallwinkeln am Gehäuse. Wie groß der Monitor gewählt wird, hängt vom eigenen Geschmack und dem Platzangebot ab. Mehr als 24 Zoll (ca. 61 Zentimeter) hätte nicht in unseren Automaten gepasst. Für zwei Spieler empfinden wir die Größe ideal.
Für die Soundwiedergabe platzieren wir im Inneren des Automaten alte PC-Speaker. Zusätzlich nehmen wir uns noch die obere Gehäuse-Abdeckung vor und individualisieren sie mit einem von hinten beleuchtetem Schriftzug. Dazu tauschen wir die originale Holzplatte gegen eine 3 mm dünne Bastelholz-Platte und schneiden daraus den Schriftzug Arcade Gaming aus. Wir verwenden dazu einen günstigen Laser-Engraver (Testbericht). Ein ähnliches Ergebnis lässt sich aber auch mit Dekupier- oder Stichsäge erreichen. Anschließend kleben wir von hinten eine halbtransparente Plexiglas-Platte auf den Schriftzug und beleuchten den Schriftzug mit einfachen LED-Streifen aus unserer Bastelkiste. Auch hier sind der eigenen Kreativität keine Schranken gesetzt.
Nach dem Verbinden der technischen Komponenten verschrauben wir das Gehäuse und verschönern es mit Stickern und selbstklebenden Zierleisten in Chrom-Optik.
Insgesamt hat uns der Zusammenbau unseres Arcade-Automaten knapp zwei Nachmittage und knapp 150 Euro (60 Euro für die Pandora Box samt Buttons, 60 Euro für das Gehäuse, 30 Euro für den Monitor) gekostet. Für PC-Lautsprecher, Mehrfachsteckdose, LED-Beleuchtung und Farben sind keine Kosten entstanden, da wir uns hier aus dem privaten Fundus bedient haben. Wir sind mit dem Ergebnis unseres individuellen Arcade-Automaten mehr als zufrieden. Neben dem tollen Look gefällt uns auch das herrlich authentische Spielerlebnis und der großartige Retro-Sound beim Zocken.
Die genutzten Komponenten sind alle Plug&Play-fähig und so ist dieses spaßige DIY-Projekt nicht nur für Nerds geeignet.
Preise
Fazit
Wer sich den Kindheitstraum eines eigenen Arcade-Automaten erfüllen will, muss dafür kein Vermögen ausgeben. Mit den richtigen Komponenten ist das Projekt weder teuer noch aufwendig. Am einfachsten ist die Umsetzung mit einer Pandora Box und einem fertigen Gehäuse.
Etwas aufwendiger, aber auch individueller ist es, einen Raspberry als Emulator zu benutzen. Hier kann etwa der Hintergrund individualisiert oder Spiele hinzugefügt werden. Mehr dazu im Ratgeber Retrokonsole selbst bauen: Recalbox oder Retropie?. Auch beim Selbstbau des Gehäuses sind keinerlei Grenzen gesetzt. Abgesehen davon, dass der Automat ein echter Hingucker ist – das Zocken darauf macht nicht nur Erwachsenen Spaß.
Wer keinen Platz für einen großen Automaten hat, sollte sich in unserer Themenwelt Retro-Gaming umsehen. Dort finden sich neben der Bestenliste der Top-Retro-Konsolen auch Ratgeber und Einzeltests.