Wer wollte nicht schon immer auf dem Pilotensitz eines ferngesteuerten Autos Platz nehmen? RC-Modelle mit Kamera machen das möglich. Eine integrierte Kamera fängt die Perspektive aus dem Fahrzeug ein, zur Wiedergabe des Bilds dienen spezielle Brillen oder Smartphones. Das erlaubt einen Einblick in ganz neue Perspektiven, etwa aus der Sicht eines ferngesteuerten Mini-Flitzers, Rennwagens oder Geländeautos. Allerdings sollte man dazu schwindelfrei sein.
Was bei Drohnen schon länger Standard ist, findet sich bei ferngesteuerten Autos noch selten. Dieses Kaufberater bringt die Themenwelten RC-Spielzeug und FPV zusammen. Wir zeigen zwei Beispiele für RC-Fahrzeuge mit Kamera und welche Alternativen es noch auf dem Markt gibt. Auch für DIY-Fans ist etwas dabei. Einen ersten Überblick zu RC-Modellen geben wir im Ratgeber Auto, Boot, Drohne, Flieger & Roboter: Abgefahrenes RC-Spielzeug bis 50 Euro. Mehr Grundwissen über Fluggeräte mit Kamera zeigen wir im Beitrag Drohnen von 10 bis 2000 Euro: von Spielzeug über FPV-Racer bis zur fliegenden Kamera.
Technische Voraussetzungen
Bei einem RC-Fahrzeug mit FPV („First Person View“) handelt es sich im Prinzip um ein herkömmliches ferngesteuertes Auto, das über eine Kamera verfügt und das Bild an eine Brille, ein Smartphone oder ein anderes mobiles Endgerät überträgt. Das erlaubt es, in die Perspektive des Modellfahrzeugs zu schlüpfen – was spannende neue Perspektiven erschließen kann, gerade bei kleinen ferngesteuerten Autos. Bei Drohnen ist FPV schon länger üblich, bei Landfahrzeugen finden sich aktuell nur wenige Importmodelle aus Asien.
Das RC-Spielzeug braucht neben den üblichen Features, wie einer Fernsteuerung mit 2,4 GHz, einem Akku und Elektromotor, eine Kamera mit Sender, die an die Stromquelle des Fahrzeugs angeschlossen ist. Für Einsteiger am besten geeignet sind Komplettsets bestehend aus Fahrzeug mit Kamera und Brille samt Empfangseinheit. Erfahrene Nutzer können jedoch ihre Brillen auch bei anderen Kameras und Gefährten benutzen – etwa, wer schon eine FPV-Drohne (Ratgeber) nutzt. Für Bastler bietet es sich an, eine Action-Cam mit Videosender ans Fahrzeug zu montieren – das ist aber schon deutlich komplizierter.
Die Übertragung zwischen Kamera und Monitor oder Brille erfolgt üblicherweise mit 5,8 GHz. Theoretisch ist eine Bildübertagung bei 2,4 GHz möglich, das sollte man aber vermeiden, um nicht mit der Fernsteuerung des eignen Gefährts oder anderer Modelle in näherer Umgebung ins Gehege zu kommen. Die Brille oder das Display sowie die Kamera selbst sollten deshalb das Funken über 5,8 GHz beherrschen. Wichtig für den Betrieb in Deutschland: Die maximale zulässige Sendeleistung liegt bei 25 mW.
Als Alternative zu einer Brille kann ein Smartphone dienen. Über eine App stellt das Mobilgerät eine Verbindung zur FPV-Kamera am RC-Fahrzeuge über WLAN her. Die Nachteile dieser Methode: Es kann zu Latenzen und damit einer verzögerten Übertagung kommen. Die Reichweite ist ebenfalls eine Achillesferse bei WLAN. Das schränkt den Einsatz im Gelände gehörig ein
Micro-RC-Auto mit Kamera
Wer sich schon immer mal ganz frei nach Kafka in die Perspektive einer Küchenschabe, eines anderen Insekts oder einer Maus versetzen wollte, hat mit einem winzigen RC-Auto mit FPV-Kamera die Chance dazu. Damit kann man auch prima die eigenen Katzen ärgern. Wir haben das RTR-Modell Diatone Q33 Karting RTR 1/76 von Banggood ausprobiert. Das Komplettset kostet 124 Euro, ohne Brille gibt es das winzige RC-Auto mit Kamera bereits für 65 Euro.
Das Ganze erinnert an einen Spionagethriller in der Art von James Bond. Es wiegt 19 Gramm, ist gerade einmal 5,5 cm lang und 4 cm breit. Die Höhe mit Kamera beträgt 4 cm, mit Antenne sind es 7 cm. Damit gehört es zu den kleinsten ferngesteuerten Modellen, die wir bisher ausprobiert haben. Weitere Winzlinge zeigen wir im Beitrag Mini-RC-Autos für die Hosentasche: Winzige Modelle mit Fernsteuerung ab 9 Euro.
Zur Ausstattung gehört eine pistolenförmige Fernsteuerung, die mit 2,4 GHz funkt und für den Betrieb zwei AA-Batterien braucht (nicht im Lieferumfang enthalten) sowie ein Ladegerät mit USB-A-Anschluss. Der winzige Lithium-Ionen-Akku hat eine Kapazität von 140 mAh. Es liegt zudem eine Karosserie bei ohne Kamera zum Austauschen, dann ist es ein herkömmliches Micro-Auto mit einer Höhe von 2,4 cm. Zu unserem Komplettset gehört zudem eine Brille mit Monitor, die mit 5,8 GHz funkt und zwei Antennen sowie ein Kabel mit Klinke und Cinch-Buchsen zum Abspielen des Videobilds an externe Geräte. Der Monitor nutzt einen Lithium-Polymer-Akku mit 1200 mAh.
Das Aufladen des Micro-Flitzers dauert knapp 30 Minuten. Anschließend koppelt man es mit der Fernsteuerung, indem man den Power-Button für längere Zeit gedrückt hält. Danach schaltet man die Fernsteuerung ein. Die Brille ist bereits auf den Funkkanal der Kamera des Autos eingestellt, diese muss man nur noch einschalten. Der Akku der Brille soll über 2 Stunden halten, das Display misst 3 Zoll in der Diagonale und löst mit 480 x 320 Pixel auf. Nutzt man das Mini-Modell mit der Brille, hält der Akku etwa 15 bis 20 Minuten. Ohne Brille hält das Gefährt deutlich länger durch.
Der elektrische Bürstenmotor im Miniaturformat beschleunigt den Flitzer erstaunlich schnell. Der Wendekreis mit einem Lenkwinkel von 30 Grad könnte etwas größer ausfallen. Es verfügt über eine proportionale Steuerung und Beschleunigung – das bedeutet, es lenkt nur leicht, wenn man die Lenkung nur minimal einschlägt. Die Beschleunigung ist gut dosierbar. Dank Kamera sieht man einmal, wie es unter der Couch im Wohnzimmer aussieht. Allerdings verhindert die 7 cm lange Antenne, dass man unter alle Möbelstücke gelangt. Die kleinen Räder kommen zudem nicht mit jedem Hindernis klar, ein Handy-Ladekabel stellt sich bereits als unüberwindbar dar. Dennoch macht eine Spritztour mit FPV-Brille durch die Wohnung großen Spaß. Man sollte nur aufpassen, dass niemand auf das winzige Kameraauto tritt.
FPV-Autos - Bilderstrecke
FPV-Autos bei TechStage
Größere FPV-Fahrzeuge
Der EMAX Interceptor im Maßstab 1:24 ist deutlich größer und robuster. Das FPV-Set mit VR-Brille kostet bei Banggood knapp 116 Euro. Fernsteuerung, USB-Ladekabel und VR-Brille gehören zum Lieferumfang. Der Versand erfolgt aus China. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 20 km/h. Das Fahrzeug ist etwa 17 cm lang und ähnelt einem Rennwagen aus der Formel 1. Die Kamera ist fest installiert und sitzt dort, wo man sonst den Helm des Piloten erwarten würde.
Näher angesehen haben wir uns zudem das RC-Auto mit Kamera JY88 1/24 für 53 Euro bei Banggood. Hier ist keine Brille dabei. Die Kamera liegt separat bei und muss erst aufs Gehäuse geklebt und dann per Kabel mit dem Akku des Racers verbunden werden. Es hat ebenfalls eine Länge von knapp 17 cm und ähnelt optisch einer Mischung aus Formel-1-Auto und Buggy. Es verfügt über eine vollproportionale Lenkung und ein Sechs-Achsen-Gyroskop zum Stabilisieren.
Das Angebot an RC-Autos mit FPV-Kamera ist überschaubar. Neben kleineren Flitzern im Maßstab 1:24 finden sich zudem einige größere ferngesteuerte Offroader (Ratgeber) im Preisbereich zwischen 45 und 130 Euro. Eine Brille gehört in der Regel nicht zur Ausstattung. Ungewöhnlich ist die Befestigung der Kamera beim Silverlit Exost für 47 Euro bei Banggood. Hier kommt ein Teleskoparm zum Einsatz. Beim JDRC 1801 für 82 Euro handelt es sich um einen Buggy im Maßstab 1:18, bei dem man eine Kamera mit Sender auf dem Dach montieren kann. Für die Wiedergabe des Kamerabilds dient hier das Smartphone über eine WLAN-Verbindung.
Ähnliche ist das DEERC RC Car bei Amazon für 75 Euro. Hier kommt das Smartphone aber nicht nur zur Bildwiedergabe zum Einsatz, sondern auch zum Steuern. Ein kompakter Crawler (Ratgeber) fürs Gelände mit FPV-Kamera ist der Carson Movie App Crawlee für 45 Euro. Speziell beim Klettern durch schwieriges Gelände kann die Kamera hier spannende Perspektiven eröffnen. Die Wiedergabe erfolgt über eine App auf dem Handy, dafür besitzt die Fernbedienung eine Halterung. Recht martialisch ist der Amewi Pickup Truck. Statt Rädern nutzt dieser ein Kettenfahrwerk für die Fahrt über unbefestigtes Terrain. Das Gehäuse ist aus Metall, die Elektronik spritzwassergeschützt. Die Fernsteuerung verfügt zudem über eine Halterung für Smartphones.
RC-Auto für FPV umrüsten
Angesichts des eher überschaubaren Angebots an ferngesteuerten Kameraautos bietet es sich an, eine Actionkamera mit Funkempfang selbst zu montieren. Dafür braucht es allerdings etwas technisches Verständnis. Hier bieten sich vorwiegend leichte und kompakte Kameras mit Funksender an. Vor dem Kauf sollte man darauf achten, dass der Sender für die Frequenz 5,8 GHz nicht mehr als 25 mW leistet. Eine Herausforderung stellt zudem die Energieversorgung dar – bei höherwertigen RC-Autos gibt es aber in der Regel zusätzliche Anschlüsse zur Bordelektronik, etwa für eine LED-Beleuchtung. Hier steckt man dann die Linse ein. Dann braucht es noch einen entsprechenden Empfänger und ein Gerät zur Wiedergabe des Bilds.
Vor dem Kauf sollte man prüfen, ob die Kamera über einen eignen Sender für 5,8 GHz verfügt oder nur in einem Wi-Fi-Netzwerk funktioniert. Einige Hersteller bieten Kameras auch als Zubehör an. Kameras zum Nachrüsten müssen nicht teuer sein. Die Makerfire Spotter V2 Micro AIO Camera kostet bei Amazon 42 Euro. Sie sendet über 5,8 GHz, was sie kompatibel zu Brillen macht und bietet einen Sichtwinkel von 170 Grad. Noch günstiger ist die FPV-Kamera von AKK mit Sendeeinheit für 30 Euro.
Als Nächstes braucht es ein Empfangsgerät für die Bilder. Entsprechende Brillen von etwa Fatshark können mit Preisen jenseits von 350 Euro kostspielig sein. Zu den günstigeren Alternativen gehören unter anderem bei Banggood die Eachine EV800 für 50 Euro, die Eachine & Skyzone Cobra S für 114 Euro sowie bei Amazon die BETAFPV VR02 FPV Goggle für 66 Euro und Ciciglow FPV Glasses für 95 Euro.
Eine Alternative ist zudem ein Receiver für 5,8 GHz. Der Sumicline 5.8G Radio Video Receiver kostet bei Amazon knapp 20 Euro. Diesen kann man per Cinch-Kabel mit dem Fernseher verbinden. Der FPV Receiver von ICQUANZX liegt bei 25 Euro und verbindet sich per USB-Kabel mit dem Smartphone. Spannend finden wir auch die Flysight FPV Watch für 45 Euro – dabei handelt es sich um eine Armbanduhr mit Monitor. Wer das Smartphone als FPV-Display nutzen möchte, kann über eine Smartphone-Halterung für die Montage an der Fernsteuerung nachdenken, diese gibt es für 10 Euro bei Banggood.
Günstige Drohnen mit FPV
Deutlich größer ist das Angebot bei flugfähigen FPV-Drohnen. Neben Modellen für Profis wie DJI FPV gibt es hier auch Flugzeuge für Einsteiger bis 100 Euro. Welche technische Ausstattung dabei wichtig ist, erklären wir im Ratgeber Drohnen von 10 bis 2000 Euro: von Spielzeug über FPV-Racer bis zur fliegenden Kamera.
Fazit
Ein RC-Auto mit Kamera macht eine Menge Spaß und bietet ungewohnte Perspektiven in der Wohnung oder im Gelände. Das Angebot an ferngesteuerten Landfahrzeugen mit FPV-System ist derzeit aber überschaubar und wird größenteils neben wenigen Ausnahmen wie Amewi und Carson vorwiegend von Noname-Anbietern bedient.
Für Einsteiger bieten sich Komplettsets bestehend aus Fahrzeug, Fernsteuerung und Brille an. Diese sind für unter 100 Euro aber selten zu bekommen. Eine Alternative ist die Nutzung des Smartphones zur Bildwiedergabe – das klappt ohne speziellen Sender nur innerhalb des WLAN-Netzes, was den Einsatz auf die eigenen vier Wände einschränkt. Bastler mit dem nötigen Grundwissen können zudem ihr RC-Spielzeug mit Kameras nachrüsten.
Mehr über Spielzeug für FPV sowie Nachrüstlösungen zeigen wir im Ratgeber RC-Car, RC-Flugzeug, RC-Boot: Kleine Kameras für Videos aus der Ego-Perspektive. Wer lieber per Handy steuert, empfehlen wir den Ratgeber Drohnen, Roboter, Flieger, Autos: RC-Spielzeug mit App. Eher verrückte ferngesteuerte Gadgets zeigen wir im Ratgeber Kurioses RC-Spielzeug: Dinos, Krokodile & Roboter ab 20 Euro.