Wenn ein 3D-Ausdruck hohen Temperaturen und mechanischen Anforderungen standhalten muss, reicht das Standard-Filament PLA aufgrund seiner niedrigen Wärmeformbeständigkeit nicht aus. Hier kommt PETG ins Spiel. Es ist im Vergleich zu PLA temperaturbeständiger, resistenter gegen Chemikalien und hält höheren mechanischen Belastungen stand. Weiterer eher unbekannter Vorteil ist seine emissionsarme Verarbeitung. Im Gegensatz zu PLA erzeugt es bis zu fünfmal weniger Ausstoß von Gasen und Feinpartikeln, so ist ein Geruch während der Verarbeitung kaum noch wahrnehmbar. PETG wird allerdings aus Erdöl beziehungsweise Erdgas hergestellt, ist aber immerhin vollständig recycelbar. So finden wir unter den 14 getesteten Filamenten zwei zu 100 Prozent nachhaltig gewonnene PETG-Filamente, gewickelt auf Pappspulen.
Um möglichst viele verschiedene PETGs von unterschiedlichen Herstellern gegenüberstellen zu können, haben wir uns an 3DJake gewandt. Der Onlineshop hat uns unterstützt und uns eine große Menge an Material für die Tests zur Verfügung gestellt. Lediglich das Filament von Vision3D haben wir direkt vom Hersteller bekommen.
Dieser Vergleichstest gehört zur Themenwelt 3D-Drucker. Hier testen wir FDM-Drucker, SLA-Drucker und deren Zubehör.
Zusammensetzung und Eigenschaften
Der Stoff, aus dem alle PETG-Träume sind, heißt Polyethylenterephthalat, kurz PET. PET wurde 1941 als besonders bruchsichere Faser für die Textilbranche entwickelt und ist heute ein weit verbreiteter Kunststoff. Trinkflaschen, Sportkleidung, Prothesen oder Folien sind größtenteils aus PET hergestellt. Großer Vorteil: Als Thermoplast-Kunststoff kann PET wieder eingeschmolzen und vollständig recycelt werden. Hier sind die Einwegflaschen das wohl beste Beispiel für nachhaltige Verwendung fossiler Brennstoffe mit einer Wiederverwendungsquote von 94 bis 100 Prozent.
Einweg-Plastikflaschen sind trotz ihrer geringen Wandstärke extrem belastbar und halten hohem Druck und aggressiven Menschen problemlos stand. Genau diese Materialeigenschaften brauchen wir für Funktionsteile und so wurde PET für den 3D-Druck optimiert, indem es mit Glykol zu PETG weiter modifiziert wird. Dadurch werden Fließverhalten und Transparenz verbessert und PETG bietet nun die ideale Kombination aus Zähigkeit, Flexibilität und Druckbarkeit, um schlag- und zugfeste Funktionsteile herzustellen. Zudem ist es witterungs- und wasserfest und gegen viele Chemikalien resistent. Ein fast ideales Filament.
Druckverhalten
Da PETG eine höhere Wärmeformstabilität und gleichzeitig flexibler und zäher als PLA ist, ist auch die Verarbeitung schwieriger. Es benötigt höhere Temperaturen bei Druckdüse und -bett und neigt zudem zu leichtem Warping. Im Vergleich zu PLA verhält sich heißes, flüssiges PETG eher wie Kaugummi und zieht schnell Fäden, das sogenannte Stringing. PETG benötigt eine Temperatur von 70 bis 80 Celsius auf dem Druckbett und in der Druckdüse 220 bis 260 Grad je nach Hersteller. Objekte mit großer Auflagefläche neigen dazu, sich an den Kanten, insbesondere den Ecken, zu verzeihen. Dies nennt sich im Fachjargon Warping.
Testfeld
Rollengewicht | Preis/ kg | Preis/ Rolle | Wärme formstabilität | Schlagfestigkeit (Charpy) | Zugfestigkeit Yield | |
---|---|---|---|---|---|---|
eSUN PETG Solid White | 1 kg | 19,99 €/kg | 19,99 € | 64° Celsius (HDT) chinesische Norm | 4.7 kJ/m² | 52.2 MPa |
Formfutura ReForm rPET Black (Nachhaltig) | 1 kg | 19,99 €/kg | 19,99 € | 70° Celsius (VST) | 7.2 kJ/m² | 50 MPa |
R3D PETG Black | 1 kg | 21,99 €/kg | 21,99 € | keine Angaben | 7.9 kJ/m² | 50 MPa |
Fiberlogy Easy PET-G Black | 0,85 kg | 27,05 €/kg | 22,99 € | 68° Celsius (HDT) @0,45MPa 78° Celsius (VST) | 5 kJ/m² | 51 MPa |
Vision3D PETG Schwarz | 1 kg | 27,99 €/kg | 27,99 € | 70° Celsius (HDT) @0,45 MPa 62° Celsius (HDT) @ 1,82 MPa | keine Angaben | 44 MPa Flat 50 MPa |
Spectrum PET-G Matt Deep Black | 1 kg | 28,99 €/kg | 28,99 € | 85° Celsius (VST) | 3.5 kJ/m² | 45 MPa |
3DJake PETG Schwarz | 1 kg | 29,99 €/kg | 29,99 € | 70° Celsius (HDT) @ keine Angabe | 8,1 kJ/m² | 46 MPa |
3DJake rPETG Schwarz (Nachhaltig) | 1 kg | 29,99 €/kg | 29,99 € | 70° Celsius (HDT) @ keine Angabe | 4,9 kJ/m² | 46 MPa |
Polymaker Polylite PETG Schwarz | 1 kg | 29,99 €/kg | 29,99 € | 84° Celsius (VST) | 5.1 kJ/m² | 31.9 MPa |
Extrudr PETG Schwarz | 1,1 kg | 35,45 €/kg | 38,99 € | 78° Celsius (VST) Herstellerangabe: 90° Celsius | 4,7 kJ/m² | 51 MPa |
Recreus PETG Black | 0,75 kg | 35,99 €/kg | 26,99 € | 82° Celsius (VST) | 4,4 kJ/m² | umgerechneter Schätzwert: 55 MPa |
ADDNorth PETG White | 0,75 kg | 37,32 €/kg | 27,99 € | 78° Celsius (HDT) @0,45 MPa | keine Angaben | 45 MPa |
Formfutura HDGlass See Through Black | 0,75 kg | 45,99 €/kg | 34,49 € | 70° Celsius (VST) | 7.2 kJ/m² | 50 MPa |
colorFabb XT-Black | 0,75 kg | 53,32 €/kg | 39,99 € | 70°Celsius (HDT) @ 0,45 Mpa 62° Celsius (HDT) @ 1,82 MPa | 95 J/m ? | 50 MPa |
Bilderstrecke - PETG Vergleichstest
Testablauf
Gleiche Bedingungen für alle Filamente! Alle Modelle wurden auf dem gleichen Druckermodell hergestellt, dem Elegoo Neptune 3 Plus (Testbericht), mit 0,2 mm Layerhöhe, 50 mm/s Speed und Retract 2,5 mm bei 20 mm/s Retract-Speed. Für den Test haben wir die Standardeinstellungen des Elegoo-Cura-Slicer gewählt. Wer PETG an einem Neptune 3 Plus oder anderem 3D-Drucker mit Direct-Drive-Druckkopf und Teflon-Inlay verwendet, dem raten bei den Retract-Werten zu einer Einzugslänge von 4,5 mm und einer Einzugs- oder Rückzugsgeschwindigkeit von 45 mm/s.
Zu Beginn wurde zur Ermittlung der perfekten Drucktemperatur für jedes Filament ein sogenannter Temptower gedruckt. Danach ein Testmodell mit Überhängen, Brücken und feinen Spitzen, zum Schluss ein Benchy. Liegt die ideale Drucktemperatur für geringes Stringing im unteren Temperaturbereich, neigt das sehr klebrige PETG dazu, die feinen Spitzen bei den Leerfahrten mitzureißen, da es noch zäher ist. Bei diesen Filamenten haben wir einem zusätzlichen Modell der Spitzen mit 260 Celsius an der Druckdüsentemperatur gedruckt. Das letzte Modell ist das klassische Benchy mit einer feineren Auflösung von 0,12 mm Layer-Höhe.
Druckqualität
Ziel des Tests war nicht ein perfektes 3D-Modell in jedem Filament umzusetzen, sondern die Unterschiede zwischen einzelnen PETG-Filamenten unter gleichen Bedingungen herauszustellen. Unsere persönlichen Bewertungskriterien sind fehlerfreie, saubere, glatte Druckschichten, präzise feine Spitzen, glatte Oberflächen und natürlich das Stringing-Verhalten. Ein perfektes Druckbild hat für uns regelmäßig gezogene Schichten, die ein glattes Finish ergeben. Es gibt in der Außenhaut keine Lücken von zu wenig extrudierten Material (Gaps) oder kugelartigen Gebilden von zu viel extrudiertem Material (Blobs).
Stringing - Die Menge an extrudierten Material ist pro Linie von dem Slicer genau berechnet. So bedeutet starkes Stringing nicht nur unschöne gesponnene Fäden, sondern das Material fehlt auch in anderen Bereichen. Das Modell weist dort Gaps auf. Dies sieht man deutlich an den zwei konischen Zylindern beim Temptower-Modell. So mussten wir bei bestimmten PETG-Filamenten entweder zwischen wenig Stringing oder fehlerfreien Druckspitzen wählen.
Da jeder seine eigenen Vorstellungen von einem perfekten Druckverhalten hat, wurden die Ergebnisse mit einer hochauflösenden Kamera aus verschiedenen Perspektiven fotografiert und die Fotos auf die zwei Bilderstecken im Artikel aufgeteilt
PETG-Vergleichstest: Testdrucke
Materialanforderungen
Die Wärmeformstabilität der einzelnen Filamente wird entweder im HDT oder VST-Messverfahren ermittelt. In beiden Verfahren werden Spritzgussteile dieses Materials in genau vorgegebenen Größen verwendet. Nur selten geben Hersteller VST- und HDT-Werte gemeinsam an. Zudem kann der HDT-Wert mit verschieden starken Anpressdruck gemessen werden, entweder bei 0,45 oder 1,82 MPa. Kurz gesagt, möchte man das Filament mit den besten Materialeigenschaften über die Herstellerangaben finden, fühlt man sich wie Asterix im Verwaltungsgebäude der Römer auf der Suche nach Passierschein A38.
Das HDT-Verfahren ist ein klassisches Dreipunktbiegeverfahren. Hier wird das Probestück mit seinen Enden fixiert und auf die Mitte Druck ausgeübt. Es muss mit einem bestimmten Druck HDT/A/B oder C bis zu einer Temperatur eine Randdehnung unter 0,2 % aufweisen. Kunststoffe werden meist entweder mit @ 0,45 MPa oder @ 1,82 MPa Druck getestet. Hier geben Hersteller überwiegend nur eine Messmethode an.
Bei dem Vicat-Verfahren wird die Temperatur gemessen, ab der eine Nadel mit der Oberfläche von 1 × 1 mm bis 1 mm tief in das Material eindringt.
Die VST-Werte liegen um circa 10 Grad Celsius höher als die des HDT-Wertes. Leider geben viele Hersteller nur einen Wert an - oder keinen. So können Nutzer hier nur bedingt Rückschlüsse und Vergleiche ziehen.
Bezogen auf Belastbarkeit sowie Schlagfertigkeit und Zugfestigkeit gibt es nach Charpy zwei DIN-genormte Verfahren, bei der Zugfestigkeit nach Yield eine. Vergleichen wir die Werte aus der Tabelle, sehen wir deutliche Unterschiede bei der Schlagfestigkeit und weniger Abweichungen bei der Zugfestigkeit. Da bei beiden Methoden Spritzgussteile verwendet werden, die deutlich stabiler als 3D-gedruckte Modelle sind, betrachten wir diese Werte nur marginal. Wir haben sie aber für eine leichtere Kaufentscheidung mit in die Tabelle aufgenommen.
Ranking
Unser Ranking bezieht sich auf Stabilität, Druckbarkeit und Druckqualität in den Tests.
Rang | Filament | Drucktemperatur in Grad Celsius |
---|---|---|
1. | Recreus PETG | 250 |
2. | Fiberlogy EASY PET-G | 220 |
3. | 3DJake PETG | 230 |
4. | Formfutura ReForm rPET | 220 |
5. | Vision 3D PETG | 245 |
6. | Colorfabb XT-Black | 250 |
7. | Esun PETG Solid White | 245 |
8. | Extrudr PETG | 245 |
9. | Addnorth PETG White | 220 |
10. | Polymaker Polylite PETG | 250 |
11. | 3DJake rPETG | 230 |
12. | R3D PETG | 230 |
Die Exoten Formfutura HDglass See Through Black und Spectrum PET-G Matt Deep Black sind wegen der besonderen Materialeigenschaften nicht mit den anderen PETGs vergleichbar und deshalb nicht im Ranking aufgenommen wurden. Das Formfutura HDglass ist ein transluzentes, leicht abgedunkeltes, PETG-Filament. Die Optik ist vergleichbar mit Rauchglas. Das Spectrum PET-G ist mattiert. Der große Vorteil solcher matten Filamente sind die kaum zu erkennenden und unauffälligen Layer-Schichten.
Preise
Die unterschiedlichen Hersteller bieten verschieden schwere Spulen an – der Preis je kg schwankt zwischen 20 und über 50 Euro. Wir haben unser Test-Filament von 3DJake bekommen.
Fazit & Drucktipps
Ein gelungener 3D-Druck hängt stark von der Wahl und Ausrichtung des 3D-Modells ab. Modelle mit vielen feinen Details und filigranen Spitzen eignen sich für PETG Filamente mit einer höheren Druckdüsentemperatur besser, die aber je nach Hersteller auch zu mehr Stringing neigen können.
Generell gilt: Je höher die Druckdüsentemperatur ist, desto flüssiger ist auch der heiße Kunststoff. Je flüssiger das PETG ist, desto mehr neigt es dazu, aus der Düse heraus zu sickern und Fäden zu ziehen. Kurz gesagt: eine niedrige Druckdüsentemperatur bedeutet auch weniger Stringing
Höhere Druckdüsentemperatur bedeutet auch einen stärkeren Grad an Verschmelzung der einzelnen Schichten. Kurz gesagt: Höhere Druckdüsentemperaturen führen zu höherer Stabilität.
Unser Druckbild-Testsieger ist das Recreus PETG Filament mit einem Preis von knapp 36 Euro je kg. Aus unserer Sicht hat das eher hochpreisige PETG das schönste Druckbild und nahezu kein Stringing. Die Filamente von Fiberlogy Easy PET-G mit einem Preis von 23 Euro je kg und das nachhaltige 3DJake-PETG für rund 30 Euro je kg haben ebenfalls sehr schöne Ergebnisse abgeliefert und sind etwas günstiger. Unser Preis-Leistungs-Sieger ist Formfutura ReForm rPET Black aus 100 % nachhaltig hergestelltem Hdglass mit einem Kilopreis von nur knapp 20 Euro.
Wer sich für Rainbow-Filament oder die Unterschiede bei weißem PLA interessiert: Auch das haben wir getestet und verglichen. Weitere Einzeltests und Ratgeber zeigen wir in der Themenwelt 3D-Drucker.