Carly & Bimmercode: Autos kodieren per App und OBD

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Mit dem passenden OBD-Adapter und der richtigen App lassen sich bei einigen Autos versteckte Funktionen freischalten. Wir haben ausprobiert, was möglich ist.

OBD-Adapter und Apps sind ein alter Hut. Quasi jedes Auto hat die genormte Schnittstelle, über die sich Daten und Fehlermeldungen abfragen lassen; seit zig Jahren gibt es dafür auch passende Bluetooth- oder WLAN-Adapter und Smartphone-Apps für iOS und Android.

Die meisten, die das Thema ausprobiert haben, hatten nicht lange Freude daran. Die ausgegebenen Fehlermeldungen sind kryptisch und ohne weitere Software, Datenblätter oder Handbücher kaum brauchbar, an die wirklich spannenden Funktionen des Autos kommt man ohne weiteres nicht dran.

Wirklich spannende Funktionen? Tatsächlich hat mit dem Einzug der IT-Technik ins Auto auch der Nerd-Faktor stark zugenommen. Schon vor über zehn Jahren gab es beispielsweise beim großen BMW-Navi (Professional CIC) einen FTP-Server im Auto, auf den Technikbegeisterte ihre MP3-Musik per Notebook hochladen konnten – mit einem schönen OBD2-auf-RJ45-Kabel, das es für wenige Euro auf eBay gibt.

In vielen modernen Fahrzeugen finden sich Funktionen, die der Hersteller nicht freigeschaltet hat. Gründe dafür liegen beispielsweise in den unterschiedlichen Wünschen der verschiedenen Zielgruppen-Länder – während man in Deutschland einen Neuwagen ohne Start-Stopp-Automatik wohl kaum noch zugelassen bekommt, kann sich der gemeine Nordamerikaner nicht mit einem Fahrzeug anfreunden, das an der Ampel ausgeht. Dafür aber zwei verschiedene Fahrzeuge bauen? Natürlich nicht, bei deutschen Modellen ist die Motor-Aus-Funktion eben standardmäßig und bei jedem Neustart an, bei US-Modellen standardmäßig aus. Umschalten? Geht natürlich, zumindest in der Theorie. In der Praxis braucht man dafür die Diagnose-Software der Werkstätten.

Nun, keine Software, die sich nicht kopieren lässt. Über das Internet ist es möglich, an die Diagnose-Programme von VW, Mercedes, BMW & Co. zu kommen. Legal ist das freilich nicht, oft genug nehmen die „Anbieter“ der Software auch noch einen monetären Obolus – schließlich lässt sich damit auch viel Schindluder treiben, etwa das Nachrüsten und Anlernen geklauter Ausstattungsstücke wie Navis, digitale Kombiinstrumente oder Airbags, das „Anpassen“ des Tachos und so weiter.

Aus Sicht der Autohersteller ist vermutlich auch das Freischalten versteckter Funktionen „Schindluder treiben“. In manchen Fällen ist es nämlich möglich, dass sich Ausstattungsmerkmale aktiveren lassen, die hardwareseitig bereits vorhanden, aber vom Besteller des Autos weder geordert noch bezahlt wurden. Das wird bei neuen Autos zugegebenermaßen seltener: Je neuer die Fahrzeuge, um so mehr Kryptographie ist enthalten. Wo früher ein Spurhalteassistent einfach per Umschalten von inaktiv auf aktiv und auf Wunsch noch durch das Ergänzen des passenden Tasters im Auto aktivierbar war, ist dafür heute das Einspielen einer vom Fahrzeughersteller signierten Lizenzdatei nötig, an die man quasi nicht herankommt.

Nichts desto trotz hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Szene an Auto-Codierern entwickelt – die Tuner 2.0 mit Notebook statt Schraubenschlüssel.

Bis vor kurzem gab es keinen legalen Weg, an den Fahrzeugeinstellungen zu spielen. Inzwischen gibt es verschiedene Apps, die zumindest einen kleinen Teil der vielen Funktionen sehr übersichtlich und in einer gewissen Weise auch idiotensicher zur Verfügung stellen – denn natürlich kann man mit den falschen Einstellungen aus seinem Auto den wohl teuersten Ziegelstein der Welt machen.

Kommerziell gibt es das beispielsweise Carly. Spezielle Adapter und Apps zum Kodieren von BMW & Mini, ein anderes Set für Audi, Seat, Skoda und VW und ein weiteres Angebot mit unterschiedlichen Möglichkeiten für Toyota und Lexus.

Je nach Fahrzeug-Hersteller und Möglichkeiten gibt es auch andere Apps, die Zugriff auf die Auto-Funktionen versprechen. Für BMW haben wir uns noch Bimmercode angesehen.

Achtung! Das Codieren von Autos erfolgt grundsätzlich auf eigene Gefahr. Es sind Schäden am Fahrzeug, der Verlust der Betriebserlaubnis, sicherheitsrelevante technische Probleme sowie Datenschutzprobleme möglich.

Die konkreten Möglichkeiten hängen vom Auto, seinen Ausstattungsmerkmalen und diversen Kleinigkeiten ab. Wer es genau wissen will, muss nach exakt seinem Auto-Typen googeln – vorzugsweise mit dem Keyword coding options .

Tuner, die gleich 20 Prozent mehr Leistung in ihrem Motor aktivieren wollen, kommen mit diesen Tools nicht weiter. Dafür sind Anpassungen beim Design möglich. In einem 1er-BMW konnten wir beispielsweise die Oberfläche des Navigationssystems auf die neuere, interaktive und Touchscreen-geeignete Variante aktualisieren. Das bringt kein neues Auto, aber einen moderneren Look. Außerdem könnte man beispielsweise einen digitalen Tacho aktivieren, Einfluss auf den Sound nehmen und etliche Einstellungen zu Komfortfunktionen beeinflussen. Weitere Beispiele: Welche Lampen leuchten wann, wie lange und wie hell, wie warm wird die Sitzheizung in welcher Stufe, welche Türen öffnen sich beim Druck auf die Fernbedienung, lassen sich die Fensterheber nach dem Abstellen des Motors noch steuern – und so weiter.

Vor allem im Bereich Infotainment gibt es noch ein paar weitere spannende Möglichkeiten. So lässt sich bei vielen BMW beispielsweise die Unterstützung von DivX- und Xvid-Video-Wiedergabe über die USB-Ports einschalten oder die Video-Wiedergabe während der Fahrt aktivieren.

Erster Schritt: Fragen wir den Auto-Hersteller. BMW hat eine sehr eindeutige Meinung zum Thema:

Neben der ursprünglichen Zielsetzung und der üblichen Nutzung der OBD Schnittstelle ist eine zunehmende Tendenz der zweckentfremdeten Nutzung über den Einsatz von sog. Dongles feststellbar. Zusatzangebote von Drittfirmen über OBD Dongles bieten einen ungeschützten Fahrzeugzugang. Diese Zweckentfremdung der OBD Schnittstelle birgt ein Risiko, aus denen fahrsicherheits-relevante Vorfälle resultieren können. Die Betriebssicherheit des Fahrzeugs sowie der Schutz der persönlichen Daten kann beim Einsatz von Dongles nicht mehr gewährleistet werden.

Daher zertifiziert die BMW Group keine Dongles und gibt keine Dongle Anwendungen von Drittanbietern frei. Die BMW Group informiert darüber, dass durch den Einsatz von Dongles, die nicht mit einem BMW Backend verbunden sind, erhebliche Fahrsicherheits- und Datenschutzrisiken entstehen können.

In der Praxis können diverse Einstellungen Einfluss auf die Betriebssicherheit und Zulässigkeit des Fahrzeugs im Rahmen der StVo haben. Dem TÜV mag es egal sein, ob die Seitenscheiben auch nach dem Abstellen des Motors noch funktionieren. Andere Punkte sind da durchaus relevant: Wie die Alarmsirene klingt und wie laut sie ist, ob die Zentralverriegelung auch akustische Signale von sich gibt oder ob Videos während der Fahrt laufen? Ob der Gurtwarner nicht mehr reagiert oder die Start-Stopp-Automatik quasi nicht mehr vorhanden ist? So etwas kann dazu führen, dass das Auto nicht mehr als betriebssicher gilt.

Auch auf der technischen Seite kann einiges schiefgehen. Zwar sind die Apps deutlich idiotensicherer als das Fuhrwerken am Fahrzeug mit raubkopierter Diagnose-Software, zumal sie vor jedem Schritt Backups aller Einstellungen anlegen. Aber vor Verbindungsabbrüchen oder leer werdender Smartphone- oder Fahrzeugbatterie sind sie nicht gefeit. Und zumindest im Expertenmodus finden sich in der App Bimmercode diverse Einstellungen, die dazu führen können, dass das Auto nicht mehr läuft – oder den Fahrer mit Fehlermeldungen überschüttet.

Ach ja: Je nach Fahrzeug lässt sich im Nachhinein durchaus feststellen, ob da jemand mit App oder Software herumgefummelt hat oder nicht.

Die erste App, die wir uns angesehen haben, ist Carly für BMW. Das Programm ist nicht ganz billig und sorgt mit seinem Abo-Modell für Kritik: 59 Euro pro Jahr ist kein Schnäppchen; außerdem braucht man noch einen speziellen OBD-Adapter mit WLAN fürs iPhone und mit Bluetooth für Android. Auch die Carly-Adapter schlagen preislich ein spürbares Loch in den Geldbeutel. Für ein Jahr abonnieren, umstellen und dann kündigen ist in der Praxis oft keine Option. Im Rahmen von Software-Updates werden die Änderungen in Vertragswerkstätten etwa beim Service häufig wieder zurückgesetzt, dann muss die App wieder ran.

Auf der Haben-Seite gibt es eine App für alles, was Auto-, respektive im konkreten Fall, BMW-Freunde so brauchen können. Intensive Fahrzeugdiagnose mit Fehlermeldungen in Klartext, Gebrauchtwagen-Check mit Plausibilitätsprüfung für Tachostand & Co., Zugriff auf die Auspuffklappensteuerung und diverse Codierungsoptionen. Überzeugend ist die einfache Bedienung und die hervorragende, in der App integrierte Anleitung, außerdem unterstützt Carly auch ältere Fahrzeuge – wir haben erfolgreich einen 5er-BMW von 2007 ausgelesen und codiert.

Bimmercode ist im Vergleich dazu ein deutlich nerdigeres Produkt. Die 29 Euro teure App (einmalig) hat keine bunte Oberfläche, keinen Gebrauchtwagen-Checker und keine Diagnose-Funktionen, aber eine sehr umfangreiche Coding-Auswahl und über den Experten-Modus Zugriff auf tausende weitere Fahrzeug-Funktionen, die man aber nur umstellen sollte, wenn man weiß, was man tut. Erfreulicherweise sind die passenden Adapter extrem günstig, unseren mit WLAN fürs iPhone haben wir für unter 15 Euro geschossen. Die App funktioniert aber nur mit neueren BMW-Fahrzeugen der F- und G-Baureihen.

Welchen OBD-Dongle man braucht, hängt vom Fahrzeug, der App und dem Smartphone-Betriebssystem ab. Universell und mit vielen Apps und Autos funktionieren die günstigen Adapter von Vgate. Wir haben mit dem WLAN-Adapter für 15 Euro unter iOS gute Erfahrungen gemacht; Android-Nutzer werden oft mit der Bluetooth-Variante (Pro statt WiFi) glücklicher. Carly verlangt nach den eigenen Adaptern, die es mit Bluetooth für Android und WLAN für Apple gibt und in unterschiedlichen Ausführungen je nach Fahrzeughersteller.

Obwohl es durch die Apps deutlich „anfängertauglicher“ wird, ist das Fahrzeug-Coding etwas für diejenigen, die wissen, was sie tun – und zu den Konsequenzen stehen, wenn sie etwas kaputt gemacht haben. Je nach Geschmack und konkretem Fahrzeug können die freischaltbaren Funktionen so toll sein, dass man das Risiko eingehen möchte. Letztlich handelt es sich hier um so etwas wie einen Jailbreak fürs Auto. Wir freuen uns über etwas zusätzliche Individualität im Auto – und darüber, dass wir etwas tieferen Einblick in die Black Box auf vier Rädern gewonnen haben.

Wer sein Auto ohne Risiko technisch aufpeppen will, kann sich unsere Head-Up-Displays zum Nachrüsten ansehen, die ebenfalls über OBD verbunden werden. Oder man baut einen Moniceiver mit Android Auto und Apple Carplay (Vergleichstest) ein.

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