Datenschutz . Schwieriges Thema zur Zeit der NSA-Affäre – vor allem, solange die Affäre nicht verarbeitet, sondern ausgesessen wird. Zwar in anderem Zusammenhang, aber passend zum Thema kommt da Merkels Aussage zum Thema Datenschutz ganz recht. Winfuture schreibt: „Merkel: Deutsche sollen Datenschutz für die Wirtschaft aufgeben“. Reuters formuliert das etwas zurückhaltender: „Merkel fodert positives Umdenken bei Nutzung von Big Data“.
Worum geht es? Unsere Bundeskanzlerin setzt sich für eine stärkere Nutzung von Big Data in Deutschland ein – also von allem, was irgendwie mit der Sammlung und Verarbeitung von großen Datenmengen zu tun hat. „Wer vor allem die Gefahren im Umgang mit großen digitalen Datenmengen betone, werde beim weltweiten Wettbewerb zurückfallen“, zitiert Reuters Angela Merkel. Und: „Es wird alles digitalisiert werden, was digitalisiert werden kann. Wir brauchen ein positives Verhältnis zu Daten“.
Soweit, so gut, liebe Frau Merkel. Aber für ein positives Verhältnis zu Daten brauchen wir, das Volk, auch ein gewisses Vertrauen, dass die Daten nicht missbraucht werden. Dass Geheimdienst-Mitarbeiter auf der Suche nach völkermordenden Terroristen eben nicht auch mal eben gucken, was für Pornos sich der Nachbar reinzieht (oder der nächste Präsidentschaftskandidat, der sich vielleicht doch nicht zur Wahl aufstellen lässt, wenn ansonsten seine intimsten Geheimnisse veröffentlicht werden). Dass „befreundete Staaten“ eben nicht mit Selektorenlisten in die Geschäftsheimnisse von Unternehmen anderer Länder blicken, nur weil sie es können. Dass Patientendaten eben nicht durch Unachtsamkeit auf einer Festplatte im Müllcontainer vorm Krankenhaus gefunden werden. Und dass ich in Ruhe kommunizieren kann, wann und über was und mit wem ich will, ohne, dass alles aufgezeichnet und mitgespeichert wird. Ohne, dass mir das vielleicht mal irgendwann vorgehalten wird.
Liebe Frau Merkel, beinahe hätte Ihre Regierung noch kurz vor der Sommerpause wider allen besseren Wissens und Gewissens ein neues unhaltbares Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung durchgepeitscht . Unsere französischen Nachbarn haben künftig eine Datenspeicherung für einen Zeitraum von fünf Jahren, dazu „erweiterte Lauschangriffe“, die Möglichkeit von Videoüberwachung und den Einsatz von Spionagesoftware. Sie setzen auf Staatstrojaner, um heimlich Computer durchsuchen oder Internet-Telefonate abhören zu können. Gleichzeitig geben die Kanadier ihrem Geheimdienst neue Rechte , künftig nicht mehr nur überwachen, sondern auch aktiv handeln zu dürfen, um die „Sicherheit“ zu gewährleisten. Dort gibt es dann weniger Schranken im Informationsaustausch zwischen Behörden. Und in den USA richten „Geheimgerichte“ darüber, was Geheimdienste tun oder nicht. Ach ja: Alle in diesem Absatz aufgeführten Punkte sind Meldungen von heute!
Ganz im Ernst: Ich bin froh, dass der Datenschutz zumindest bei Teilen unserer Bevölkerung noch tief verankert ist – und zumindest die krassesten Gesetze unserer befreundeten Länder bis dato noch nicht bei uns eingezogen sind. Was derzeit um uns herum passiert, überragt jede Orwellsche Vorstellung um ein Vielfaches und gefährdet die Demokratie. Wer von der Bevölkerung ein positives Verhältnis zu Daten fordert, muss der Bevölkerung auch ermöglichen, ein positives Verhältnis zu entwickeln. Spionage, Kontrolle, Einschränkungen und im verborgenen ausgehandelte Gesetze führen genau zum Gegenteil.