Der erste BlackBerry mit OS 10 sieht denn nun auf den ersten Blick aus wie ein iPhone 5. Touchscreen statt Tastatur, angenehm flach und abgerundete Ecken. Nur ein Touchscreen? Ja, beim BlackBerry Z10. Freunde der mechanischen Tasten, und davon gibt es gerade in Deutschland sehr viele, dürfen sich auf das bald folgende Schwestermodell Q10 freuen. Es ist ebenfalls mit der neuen Software ausgestattet, bei der Bauform hat sich der Hersteller aber am traditionellen BlackBerry Bold orientiert. Was beide eint, ist die rote Status-LED, die als Markenzeichen von BlackBerry auf neue Nachrichten hinweist.
Hardware kann sich sehen lassen
Das Z10 ist so leicht wie ein iPhone 5 , aber größer. Sein 4,2-Zoll-Touchscreen löst 1280 × 768 Pixel auf. Das entspricht einer Pixeldichte von 355 ppi. Zum Vergleich, das Retina-Display des iPhone 5 löst 326 ppi auf – und muss sich in der Schärfe der Darstellung so vom neuen Blackberry schlagen lassen. Auf der Oberseite gibt es mittig einen Einschalter, links davon sitzt die Klinkenbuchse zum Anschließen von Headsets oder Standard-Kopfhörern. Auf der rechten Seite befinden drei Knöpfe im Gehäuse: für laut, Sprachsteuerung und leise. Links trägt der Z10 zwei Anschlüsse für Micro-USB und Micro-HDMI. Auf der Unterseite findet sich ein Schlitz, hinter dem sich der Lautsprecher verbirgt.
Außerdem ist der Spalt die Öffnungshilfe für das Gehäuse. Hier führt man den Fingernagel ein, um den griffigen, gummierten Akku-Deckel aus Kunststoff abzunehmen. In ihm ist die NFC-Antenne integriert. Darunter befinden sich ein auswechselbarer 1800mAh-Akku, der Slot für die Micro-SIM-Karte sowie einen weiterer für eine bis zu 32 GByte große SDHC-Speicherkarte. Intern hat das Z10 16 GByte Speicher und 2 GByte RAM. Der Dual-Core-Prozessor arbeitet mit einer Taktfrequenz für 1,5 GHz – das sorgt in der Praxis für erfreulich flüssige und flotte Reaktionen.
Durch einen rechteckigen Ausschnitt auf der Rückseite lugt eine 8-Megapixel-Kamera mit Foto-LED und Full-HD-Videofunktion. Die Frontkamera auf der Vorderseite schießt Standbilder mit 2 Megapixeln; Videoaufnahmen landen in 720p auf der Speicherkarte. Bluetooth 4.0 ist an Bord, und das Mobilfunkmodul unterstützt LTE mit den in Deutschland üblichen Bändern – funktioniert also nicht nur im Netz der Telekom. Hallo, Apple.
Software: flott und durchdacht
Bei der Bedienung setzt der BlackBerry-Hersteller RIM auf Wischgesten vom Rand des Bildschirms. Von unten verkleinert man die aktive Anwendung zu einer Kachel, von oben erreicht man das Menü. Vom Hauptbildschirm aus geht es mit einer Geste von links zum zentralen BlackBerry Hub, von rechts zieht man die Anwendungsicons herein – das erinnert ein Bisschen an die Bedienung von Windows 8 auf dem Tablet. Hier wie dort ist die Bedienung zwar nicht auf den ersten Blick intuitiv zu erfassen, aber die Lernkurve ist steil, kurz und wird von einem leerreichen Tutorial unterstützt, das bei der Neueinrichtung gezeigt wird. Nach einer Eingewöhnungsphase beherrschen wir die Bedienung im Schlaf.
Im Gegensatz zu früheren BlackBerry-Smartphones arbeitet das neue Z10 autark. Es braucht keinen BlackBerry Internet Service (BIS) mehr. Bei der Installation liest das Gerät die SIM, richtet die APN-Einstellungen des Providers ein und verbindet sich. Fertig.
An dieser Stelle muss sich der Nutzer so wie bei Apple, Android oder Windows Phone mit seiner BlackBerry-ID anmelden oder eine neue einrichten. Bei der Konfiguration des Email-Kontos fragt die Software lediglich nach E-Mail-Adresse und dem zugehörigen Kennwort eingeben – den Rest erledigt die Software. Im Test haben wir beispielsweise eine Gmail-Adresse angegeben. Automatisch richtet das neue BlackBerry-OS dafür gleich drei Konten ein: IMAP für die Mails, CardDAV für die Kontakte und CalDAV für den Kalender. So muss das sein. Wer möchte, kann natürlich auch selbst Hand anlegen und die Dienste einzeln konfigurieren.
Neben den Email- und DAV-Accounts gibt es ab Werk Unterstützung für Twitter, Facebook, LinkedIn und Evernote. Im hauseigenen Appstore namens BlackBerry World stehen weitere Dienste wie Google Talk zur Nachrüstung bereit. Services dieser Art betten sich in das System ein und existieren nicht einfach nur als Apps nebeneinander. So stellt der BlackBerry etwa alle Kalender in einer gemeinsamen Ansicht dar und Nachrichten aus Facebook oder LinkedIn erscheinen gleichwertig mit den E-Mails in einer gemeinsamen Inbox. Ähnlich gut vernetzt sind auch andere Apps: Aus dem Notizbuch Remember heraus ist der Zugriff auf Evernote möglich. Verbindet man den BlackBerry mit Dropbox, so tauchen die dort gespeicherten Dateien im Filemanager auf. RIM spricht bei diesem Zusammenwirken aller Komponenten vom BlackBerry Flow.
Ganz wichtig für Vieltipper ist die neue Bildschirmtastatur. RIM hat ja stets Wert auf eine gute Tastatur-Lösung gelegt. Das hat mal gut funktioniert, wie bei Bold und Curve, und mal schlechter, wie beim Storm. Für den Z10 hat sich der Hersteller eine neue Lösung für die Bildschirmtastatur einfallen lassen. Während man tippt, tauchen am jeweils nächsten Buchstaben Vorschläge auf. Die kann man dann mit dem Finger in den Text schnipsen. Mit der Zeit lernt das Gerät, welche Wörter und Sätze der Nutzer häufiger schreibt und steuert so die Wortwahl. Bei gut trainierten Demo-Geräten mussten wir im Test fast nur noch den ersten Buchstaben tippen. Der Clou ist, dass das nicht nur mit einer Sprache funktioniert, sondern in bis zu drei. Das ermöglicht das typische Business-Denglisch, ohne die Sprache zu wechseln.
Tour durch BlackBerry 10 in 36 Screenshots
Business? Ja, aber auch Spielereien sind wichtig
Die Kamera bietet einige gute Lösungen. So gibt es zum Beispiel eine Voreinstellung für das typisch Business-Szenario "Abfotografieren von Whiteboards". Bei der Aufnahme von Menschengruppen erkennt die Kamera Gesichter und kann aus einer schnellen Serie von Aufnahmen das beste Bild komponieren, in dem man zunächst die beste Totale wählt und dann die Gesichter so zusammenstellt, dass gerade keiner doof guckt oder blinzelt. Dieses Feature kennen wir schon von den neuen Nokia Lumias. Dort heißt es "Intelligente Bilder". Mit der Photo-App können wir Bilder bearbeiten, mit Filtern aufhübschen und einrahmen. Wer mehr erzählen will, als in ein Bild passt, findet mit dem Story Maker eine Anwendung, die aus Photos und Videos eine Geschichte zusammenschneidet und auf Wunsch sogar mit Musik unterlegt.
Wenn wir den Z10 an einen PC oder Mac anschließen, installiert er zunächst Treiber, die eine Netzwerkverbindung zwischen BlackBerry und Computer herstellen. Zugriff auf die Speichermedien gibt es dann über USB oder WLAN. Dazu steht eine neue Software namens BlackBerry Link zur Verfügung, die ganz iTunes-like Multimedia-Dateien zwischen Computer und BlackBerry synchronisiert.
Den Bereich Navigation deckt das Z10 mit einer eigenen Anwendung und Karten, POIs und Verkehrsdaten ab. Die Daten kommen von TomTom. Dazu packt RIM noch einen schicken Kompass mit Geokoordinaten, mit dem man auch mal zu Fuß durch's Gelände stolpern kann. Da die Karten im Vektorformat übertragen werden, benötigen sie nur wenig Übertragungsvolumen. Vorab herunterladen und lokal speichern lassen sie sich aber anscheinend nicht.
Beruf und privat: perfekte Symbiose und sauber getrennt
Im Geschäftsleben gehört Microsoft Exchange zu den wichtigsten Vertretern unter den Mail- und Kalenderlösungen. Die gute Nachricht: Während man in der Vergangenheit für die Kommunikation zwischen Exchange und den BlackBerry-Endgeräten noch einen BlackBerry Enterprise Server benötigte, nutzt RIM bei BlackBerry OS 10 nun wie die meisten anderen Smartphone-Hersteller auch das ActiveSync-Protokoll für den Zugriff auf die Daten. Policies des Arbeitgebers wie etwa eine Passwort-Richtlinie oder automatisches Löschen der Daten bei mehrfacher Falscheingabe setzt der BlackBerry um wie jedes andere Smartphone auch.
Für eine konsequente Trennung privater und geschäftlicher Daten stellt RIM den neue BlackBerry Enterprise Service 10 (BES 10) zur Verfügung, für den das Unternehmen Lizenzen erwerben muss. Hat man das Endgerät am BES 10 angemeldet, dann kommt der größte Vorteil von BlackBerry 10 zum Tragen: BlackBerry Balance, die Trennung privater und geschäftlicher Daten. Das Smartphone errichtet dabei in seinem Speicher einen sicheren Bereich, in dem es Business-Anwendungen und -Daten abgelegt werden. Der Admin legt fest, wie dieser Bereich geschützt wird, welche Richtlinien gelten, welche Anwendungen automatisch installiert werden und so weiter. Die Trennung geht unten bis ins Dateisystem: An der Oberfläche gibt es zwei verschiedenen Reiter für private und geschäftliche Anwendungen.
Schützt das Unternehmen seine Daten mit einem Kennwort, dann ist die Eingabe nur dann notwendig, wenn man den geschäftlichen Anwendungen nutzen will. Diesen Bereich kann man aufschließen und wieder absperren. Wer seine privaten Daten ebenfalls mit einem Kennwort schützen will, der kann das gleiche Passwort auch als Gerätekennwort nutzen, das man immer eingeben muss. Wer weniger Wert auf Sicherheit und mehr auf Bequemlichkeit legt, kann den privaten Bereich auch einfach offen lassen.
Der Knackpunkt dieser Lösung: Hier ist der Provider mit im Boot, der sowohl mit dem Anwender als auch mit RIM eine Geschäftsbeziehung hat. Schließlich will der BlackBerry-Hersteller für die Nutzung seiner Infrastruktur Geld sehen – und der Carrier wird dafür wohl auch Geld sehen wollen. Hier ist noch nicht klar, wie das funktionieren wird. Lassen wir uns überraschen: Vielleicht schon im März zur CeBIT dürften die neuen Smartphones erhältlich sein. Dann werden wir sehen, was bei den Verhandlungen herausgekommen ist.
Die schlechte Nachricht für die Nutzer des BlackBerry-Messengers: Ohne Zugriff auf die BlackBerry-Infrastruktur funktioniert der BBM nicht. Und an dieser Stelle steht ein Kassenhäuschen zwischen Carrier und RIM. Wir sind auf die Lösung gespannt, denn an dieser Stelle stellt RIM sich potentiell selbst ein Bein. Endanwender werden nicht bereit sein, für diesen Dienst Geld zu bezahlen – zumal es reichlich Alternativen wie Facebook Messenger oder WhatsApp gibt. Auch wenn der BBM nun kostenlose Voice- und Videocalls anbietet, so bleibt er eine geschlossene Lösung, die nur mit anderen BlackBerrys funktioniert. Und der Provider mag kostenpflichtigen SMS-Versand ohnehin viel lieber als Online-Nachrichten – folglich wird er wenig Interesse haben, dieser Lösung zum Erfolg zu verhelfen.
Mehr Informationen zum Business-Einsatz gibt's auch im Artikel zum BlackBerry Z10 auf Heise Online .
Fazit
Das BlackBerry Z10 gefällt uns gut. Es ist ein leistungsfähiges Stück Hardware, das sich nicht hinter der Konkurrenz verstecken muss. Erstmals seit vielen Jahren hat RIM den Vorsprung der Konkurrenten eingeholt nicht nur eingeholt – das Display zum Beispiel ist sogar noch schärfer als das des iPhone 5. BlackBerry OS 10 wirkt flott und modern. Und es bietet ein Alleinstellungsmerkmal: private und geschäftliche Daten lassen sich perfekt trennen – vorausgesetzt, die Infrastruktur stimmt.